Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Teuerung weiter auf Rekordniveau, Insolvenzen steigen: Bekämpfen wir die Inflation und senken die Preise. Tun wir es für die Menschen und die Unternehmen in Österreich, Herr Bundeskanzler!“ (3088/A)(E)

Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 3088/A(E).

Da dieser inzwischen an alle Abgeordneten verteilt ist, erübrigt sich die Verle­sung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Die Bundesregierung hat es im gesamten letzten Jahr nicht verstanden Maßnahmen zu setzen, um die Rekordteuerung zu drücken. Dabei hätte es genügend positive Beispiele in Europa gegeben, wie man Bevölkerung und Wirtschaft in der Krise schützt und unterstützt. Länder wie Frankreich, Spanien oder Portugal haben die exorbi­tanten Energiepreise nicht ungezügelt auf die Menschen losgelassen. Es gab entschlos­sene Eingriffe in den Markt. Im Ergebnis waren die Energiepreise in diesen Ländern für Bevölkerung und Wirtschaft schon im letzten Jahr signifikant niedriger. Auch an der Schweiz hätte sich die österreichische Regierung ein Vorbild nehmen können. Die Schweiz hätte niemals akzeptiert, dass die Strompreise für Haushalte und Gewerbe durch das Merit-Order Prinzip bestimmt werden.

Zahlen und Fakten lügen nicht. Andere Länder zeigen, wie es geht!

Die SPÖ hat vor dieser Inflationsentwicklung schon vor mehr als einem Jahr gewarnt und immer wieder inflationsdämpfende Maßnahmen vorgeschlagen. ÖVP und Grüne haben diese Warnungen ignoriert, die Anträge der SPÖ wurden vertagt oder abge­lehnt. Stattdessen hat die Bundesregierung auf eine kurzsichtige Politik der Einmal­zahlungen gesetzt. Diese Einmalzahlungen senken keinen einzigen Preis. Nachdem die Bundesregierung monatelang Widerstand geleistet hat, haben sich ÖVP und Grüne gegen Ende des letzten Jahres zu einer Schmalspurvariante einer Preissenkungs­maß­nahme überreden lassen. Die Strompreisbremse war ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings als Einzelmaßnahme zu wenig, um die Inflation signifikant zu dämpfen. Die Statistik Austria hat festgestellt, dass im Dezember 2022 mit einer Inflationsrate von 10,2% noch immer eine Rekordteuerung vorherrscht. Die Strom­preisbremse konnte die Inflationsrate gerade einmal um 0,6% einbremsen. Vergleicht man die Entwicklung mit anderen europäischen Ländern zeigt sich, dass das bei weitem nicht ausreichen wird. In Spanien lag die Inflation im Dezember bei 5,6%, in Frankreich bei 6,7%. In Deutschland wurde ein Strom- Gas- und Fernwärmepreis­deckel eingeführt, der die Inflation – laut Einschätzung von Expert*innen – unmittel­bar um rund 2%-Punkte drücken wird. In anderen Ländern wurden aber nicht nur im Bereich der Energie inflationsdämpfende Maßnahmen gesetzt. Ein wesentlicher Treiber der Inflationsrate – also des Verbraucherpreisindex – sind die Wohnkosten. Dass die gesetzlichen Mieten an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind, ist angesichts der Ursachen der Teuerung und des Auseinanderklaffens von Zinsen und Inflationsrate eine absolute Fehlkonstruktion, die als Inflationsbeschleuniger wirkt. Aus Sicht der Vermieter*innen sind Mieten ein praktisch risikoloses Kapitalein­kommen und sollten daher auch nicht anders behandelt werden. Sparer bekommen auf der Bank kaum mehr Zinsen für ihre Einlagen, Zinshaus-Besitzer erhalten hingegen eine jährliche Rendite in der Höhe der Inflationsrate (dabei ist die Wert­steigerung der Immobilie noch gar nicht berücksichtigt) – und das auf Kosten von Millionen von Menschen. Andere Regierungen haben dieses Problem längst erkannt und die Mieten vom Verbraucherpreisindex entkoppelt. In Spanien und Portugal wurden die Mieterhöhungen mit 2% gedeckelt. In Frankreich gibt es einen eigenen Index für Mieterhöhungen, der allerdings mit 3,5% gedeckelt ist. In der Schweiz dürfen die Mieten nur um höchstens 40% der Steigerung des Verbraucherpreisindex valorisiert werden. In Schottland wurden die Mieten temporär eingefroren. Und in Österreich? –  Bei uns fließen 80% der gesamten Mieteinnahmen an das obersten Einkommenszehntel! Es ist daher kein Wunder, dass die Teuerung die ohnehin hohe Vermögensungleichheit in unserem Land weiter dramatisch verschärft. Dass hier nicht gesetzlich gegengesteuert wird, obwohl es ganz leicht möglich wäre, zeigt, dass die türkis-grüne Regierung am Ende des Tages auf der Seite der Millionäre und nicht der Millionen Österreicherinnen und Österreicher steht.

Regierung mit Rekordausgaben, die keinen einzigen Preis senken

Wie schon zu Zeiten von Corona rühmt sich die Regierung damit im internationalen Vergleich Rekordausgaben „gegen die Teuerung“ zu tätigen. Angesichts der Corona-Bilanz eine etwas kühne Herangehensweise. Denn tatsächlich gab es während der Corona-Pandemie Rekordausgaben, die zu Überförderungen von hunderten Millionen Euro geführt haben, wie sogar der Rechnungshof und die OeNB festgestellt haben. Die Regierung hat zwar das Geld der Menschen in Österreich mit beiden Händen aus­gegeben, bei der Entwicklung des BIP in den Corona Jahren 2020 und 2021 gab es jedoch nur 3 Länder in Europa, die schlechter abgeschnitten hatten als Österreich. Das heißt: die enormen finanziellen Hilfen haben den Zweck völlig verfehlt. Die Krisenkosten wurden falsch verteilt. Auch hier lügen die Zahlen nicht, auch wenn sie von ÖVP und Grünen gerne verschwiegen werden. Dass eine Regierung sich an Ankündigungen und nicht an tatsächlichen Verbesserungen messen lassen will, fällt den Menschen in Österreich nun schon zum zweiten Mal auf den Kopf. Der IWF hat ausgerechnet, dass die österreichische Regierung zwar im europäischen Vergleich tatsächlich sehr viel Geld unter dem Titel „Anti-Teuerung“ ausgibt, aber 3/5 des Geldes nicht zielgerichtet ankommen. Gleichzeitig wurde dabei kaum ein Preis gesenkt. Viel Geld auszugeben, das weder zielgerichtet ankommt noch die Preise senkt, ist mit Sicherheit das Schlechteste aus beiden Welten.

Menschen und Wirtschaft leiden unter der Teuerung. Die Bundesregierung schaut weg.

Wer Politik für die Menschen macht, schaut genau hin wo der Schuh drückt – also wo die Teuerung am stärksten zuschlägt. Die größten Treiber der Teuerung sind: Energie, Lebensmittel und Wohnen. Es wäre verantwortungsvolle Politik und ökonomisch schlüssig, sich im Sinne der Menschen zu überlegen, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, um bei den größten Treibern der Teuerung den Preisaufschwung zu stoppen bzw. zumindest zu dämpfen. Der Fiskalrat hat schon im Frühjahr berechnet, dass rund 35% der Menschen ihre täglichen Ausgaben nicht (mehr) mit ihrem Einkommen bestreiten können. Der Bundesregierung waren diese Warnungen schon vor dem Sommer bekannt. Hochrangige Vertreter*innen aus Wirtschaft und Industrie wurden im letzten Jahr nicht müde zu betonen, dass die Teuerung bei den Energie­preisen die österreichische Wirtschaft und unseren Standort schwächt. Die ersten Vorboten der bevorstehenden Krise hat man bereits im Herbst gesehen. Ziegelwerke mussten ihre Produktion stilllegen, Bäckereien mussten schließen, Wirtshäuser kämpfen ums Überleben. Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs leidet enorm. Die Preise für Gas waren zeitweise bis zu 10mal höher als in Asien oder den USA. Es sollte einleuchtend sein, dass man rasch zu dem Punkt kommt, an dem österreichische Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig sind. Die Insolvenzstatistik zeigt, dass die Firmeninsolvenzen beginnen zu steigen. Expert*innen sprechen davon, dass aufgrund der Teuerung die Zahl der Privatinsolvenzen im Jahr 2023 auf bis zu 10.000 steigen könnte. Die deutsche Bundesregierung hat erkannt, dass sich die deutsche Wirtschaft diese enormen Preisdifferentiale nicht leisten kann und eine Gaspreisbremse für Wirtschaft, Industrie und Haushalte eingeführt. Die Antwort der österreichischen Regierung ist der Energiekostenzuschuss II. Doch weder gibt es dazu Richtlinien, noch ist klar, wann die ersten Auszahlungen überhaupt stattfinden können. Kein Unternehmen der Welt kann unter derartigen Rahmen­be­din­gungen kalkulieren, die österreichischen Betriebe werden in völliger Unsicherheit gelassen. Für deutsche Betriebe hingegen ist völlig klar, mit welchen Energiepreisen sie bis Mitte 2024 rechnen können. Deutsche Betriebe können mittelfristig kalkulieren, österreichische Unternehmen müssen raten. Dass es nicht ohne erheb­lichen Schaden für den Wirtschaftsstandort Österreich bleiben wird, wenn sich die Politik der österreichischen Bundesregierung nicht ändert, ist völlig klar.

Wir brauchen eine neue Strategie – eine Politik, die Preise senkt!

Es wäre Aufgabe der österreichischen Bundesregierung von den Besten zu lernen, verantwortungsvolle Krisenpolitik zu machen und nicht an einer fehlgeleiteten Politik festzuhalten, nur weil man die eigenen Fehler nicht eingestehen will. Im Sinne der Menschen in unserem Land muss in den nächsten Wochen und Monaten ein Politik­wechsel eingeleitet werden. Bevölkerung und Wirtschaft brauchen Maßnahmen, die die Teuerung tatsächlich bremsen können. Nicht immer ist das gleichbedeutend damit, (noch) mehr Geld auszugeben. Es gibt Maßnahmen, die einfach umzusetzen wären: von einer temporären amtlichen Festsetzung der Preise für Sprit an den österreichischen Tankstellen, um Übergewinne von Ölkonzernen gar nicht erst ent­stehen zu lassen, über ein Einfrieren der Mieten bis 2025 inkl. einer Entkoppelung vom Verbraucherpreisindex, bis hin zur Schaffung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission, die ungerechtfertigte Preissteigerungen etwa bei Lebens­mit­teln nicht nur überwacht und feststellt, sondern auch hart sanktioniert.

Die SPÖ fordert daher von der Bundesregierung die sofortige Vorlage eines umfas­senden Inflationsdämpfungsgesetzes ein. Dieses Gesetz sollte das Ziel verfolgen, die Inflationsrate in Österreich mindestens um zwei bis drei Prozentpunkte zu drücken. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz vorzulegen, das folgende Inhalte umfasst:

1.         Einfrieren der Richtwert- und Kategoriemieten bis Ende 2025. Danach Begrenzung des Mietanstiegs mit dem EZB-Leitzinssatz, maximal aber 2% pro Jahr.

2.         Temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.

3.         Einführung eines nationalen Gaspreisdeckels für Haushalte, Wirtschaft und Unternehmen – ähnlich wie in Deutschland.

4.         Temporäres Aussetzen der CO2-Steuer, bis die Energiepreise auf ein vernünftiges Niveau zurückgeführt werden können.

5.         Einsetzung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission, die u.a. sicherstellt, dass milliardenschwere Hilfszahlungen an Unternehmen in Form von sinkenden Preisen an die Menschen weitergegeben werden.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantrag­steller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsidentin Doris Bures: Ich erteile als erster Rednerin Frau Klubvorsitzender Pamela Rendi-Wagner das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.