14.13.54

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Werter Herr Bundesminister! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich freue mich sehr, heute hier im neuen alten Hohen Haus sprechen zu dürfen und möchte mir zu Beginn auch erlauben, ein paar Worte zu der geradezu appella­tiven Harmoniesucht – so nenne ich es –, die ich aus dem einen oder anderen Redebeitrag herausgehört habe, zu diesem Appell für einen neuen Stil zu sagen.

Ich glaube, dass das Hohe Haus, der Ort der Demokratie, gerade davon lebt, dass es hier auch Widerrede gibt, dass es Debatte gibt. Wenn es nämlich keine Möglichkeit der Widerrede und Debatte gibt, dann gibt es in einem Herrschafts­system nur Macht auf der einen Seite und Ohnmacht auf der anderen. Was ich aber in den letzten Jahren schon schmerzlich vermisse, ist, dass über­haupt, so schwer das ist, der Konsens bei Themen, die einen breiten Schulterschluss brauchen, gesucht wird.

Das liegt aber sehr viel an den Mehrheitsfraktionen. Ich kann das Wort Zusam­menarbeit hier tanzen, doch sie wird nicht stattfinden, wenn wir am Abend vor einer Sitzung, um 21 Uhr, einen Gesetzesvorschlag bekommen und hier nicht der Konsens gesucht wird. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Wort noch, Herr Bundeskanzler, weil Sie die notwendigen Verschärfungen angesprochen haben, was den Kampf gegen Kindesmissbrauch aufgrund des aktuellen Falls Teichtmeister angeht: Also auch das ist nicht mein Verständnis von Konsenssuchen, wenn man einen Ministerratsvortrag nicht, wie das eigentlich in einer ordentlichen Demokratie passieren sollte, auch im Parlament, zum Beispiel im Justizausschuss, diskutiert, sondern hinter verschlossenen Türen beschließt. Heute haben Sie ihn vorgetragen und da kommen Sie schon mit dem Konsenswunsch ins Parlament. Das ist nicht die Art der demokratischen Zusammenarbeit, wie ich sie mir vorstelle, gerade und besonders bei so einem sensiblen Thema. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt aber zur Sache, zum Thema Teuerung: Ich danke der SPÖ sehr für die Sondersitzung (Abg. Leichtfried: Bitte! Gerne!), frage mich aber, ob sie mehr der Niederösterreichwahl am Sonntag als tatsächlich der Aktualität geschuldet ist. So neu sind ja die Forderungen der SPÖ, die sie heute hier vorgetragen hat, nicht, und so stark wird sich das gegenüber nächster Woche, in der es natürlich auch möglich gewesen wäre, das zu behandeln, auch nicht ändern.

Sei es, wie es sei! Es gibt uns ja auch Gelegenheit, über die Teuerung zu reden – etwas, das wir tun müssen. Herr Koza, ich werde hier darlegen, dass mit diesen Maßnahmen der Bundesregierung die Teuerung nicht bekämpft wird. Im Gegen­teil: Sie wird richtiggehend angefacht. Also die Maßnahmen der Regierung sind derzeit einer der größten Inflationstreiber, die es gibt. Ich werde darauf zu sprechen kommen. Zum anderen gibt es mir die Gelegenheit – als Vertreterin der mittlerweile offensichtlich einzigen Fraktion, die das macht –, über die Ausgaben zu sprechen, die da getätigt werden (Beifall bei den NEOS), und zwar offensichtlich mit beiden Händen, mit dem Füllhorn.

Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie haben in Ihrer Rede gemeint, es wäre sozusagen ein Teil der DNA der Volkspartei, auf diese Ausgaben zu schauen, und ein Teil der Maßnahmen wären auch große Schritte struktureller Natur, also nicht nur Förderungen und Subventionen.

Nun, schauen wir uns das doch wirklich einmal im Detail an! Ich höre hier seit Monaten, Sitzung für Sitzung, eine Selbstbeweihräucherung, dass kein Land so viel ausgibt wie Österreich. Das allein ist noch keine gute Politik. Werte Herrschaften von der ÖVP, Geld anderer Leute ausgeben kann die Linke besser. (Beifall bei den NEOS.) Sie machen aber jetzt seit Jahren eine Koste-es-was-es-wolle-Politik, und auch wenn Sie immer wieder einmal sagen: Ja, damit wird einmal Schluss sein müssen!, ist nicht so richtig Schluss damit. Das sehe ich, wenn ich an die Beschlüsse vom Vormittag denke. Dank derer werden wieder Maßnahmen gießkannenartig gesetzt, da ein Steuerzahler dem anderen Steuerzahler die Stromrechnung subventioniert.

Schauen wir einmal auf die Wirkung! Die Frage ist ja: Hat es auch eine Wirkung, wenn Sie so viel Geld ausgeben? – Die Inflationsrate lag in Österreich zuletzt bei 10,2 Prozent, im Euroraum bei 9,2 Prozent. Das heißt, die Inflationsrate ist in Österreich höher als im Euroraum. In Österreich wird das Leben immer teurer und es wird schneller teurer als in anderen Ländern.

Schauen wir auf die Kerninflation, indem wir sozusagen die schwankenden Preise vor allem im Energie- und im Lebensmittelbereich ausklammern: In Österreich lag die Kerninflation bei 7,6 Prozent und damit schon 2,4 Prozent­punkte über der Kerninflation im Euroraum. Das heißt, die Schere zwischen Österreich und den anderen Euroländern, was diese Inflation, was die Preis­steigerungen angeht, geht immer weiter auseinander.

Weil Sie Deutschland angesprochen haben – ich glaube, Kollege Wöginger war das heute Vormittag –, weil Sie sagen, dass wir viel mehr ausgeben als Deutschland: Auch in Deutschland lag die Inflation deutlich niedriger als in Österreich, nämlich bei 8,6 Prozent – versus 10,2 Prozent in Österreich.

Ich frage mich also: Wo ist da die inflationsdämpfende Wirkung? Oder verhält es sich nicht vielleicht so, dass Ihre Maßnahmen, nämlich jedes Problem in Öster­reich mit der Gießkanne – also mit Geld – zu beschütten, vielmehr diese Inflation anfachen, wovor wir oft und oft in den letzten Monaten gewarnt haben. (Beifall bei den NEOS.)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, vielleicht sollten Sie hin und wieder auch in die Tageszeitungen schauen, was Vertreter Ihrer Fraktion sagen, was jetzt eigentlich notwendig wäre. Da stolpere ich immer wieder über sehr kluge Beiträge des ehemaligen Finanzministers Hannes Androsch. Der weiß, was es bedeutet, in Zeiten von Teuerung zu leben. Er hat die Energiekrise in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren mitbekommen. Die Frage ist: Was ist damals passiert? Ist eine Subvention nach der anderen erfunden worden? Hat man damals gesagt: Na ja, ich ziehe dir Steuerzahler das Geld aus der einen Tasche und gebe es dem anderen Steuerzahler?! – Nein, das hat man nicht gemacht. Man hat sich auf das besonnen, was in Österreich immer eine Tugend war, nämlich auf das Sparen, und zwar vor allem das Energiesparen. Das habe ich heute überhaupt noch nicht gehört. Wir befinden uns in einer Zeit knapper Energie. Das ist so, und deshalb ist sie auch teuer. Und da setzen Sie Maßnah­men, die eigentlich die Nachfrage immer weiter nach oben schrauben, anstatt auf das zu setzen, was die Österreicherinnen und Österreicher können, nämlich sparen. Das kann ich nicht nachvollziehen. (Beifall bei den NEOS.)

Vielmehr – und das, Herr Bundeskanzler, ist jetzt der wesentliche Punkt – weist auch Hannes Androsch darauf hin, dass jetzt der Zeitpunkt in der Krise wäre, wirklich strukturelle Maßnahmen zu setzen. Sie haben zwei Dinge erwähnt, und zwar die Abschaffung der kalten Progression – wir sind uneins darüber, was den Zeitpunkt angeht, wir hätten es schon früher gemacht, und fragen uns, ob es zu 100 Prozent passiert, sie wird ja nicht zur Gänze sozusagen abgeschafft – und die Senkung der Tarifstufen. Das ist richtig, das ist auch gut, das haben wir immer begrüßt. Wir haben das viele, viele Jahre auch gefordert.

Es sind aber andere strukturelle Maßnahmen notwendig, die jetzt gesetzt werden müssen, um sicherzustellen, dass sich die Menschen aus Eigenem heraus durch höhere Einkommen auch die gestiegenen Preise leisten können. Ich will jetzt sogar weiter gehen: Die Grunderzählung unserer Gesellschaft – gerade übrigens auch der Mitte – ist ja, dass jeder durch seine eigene Leistung, durch seine Arbeitsleistung, durch das, was er kann, das, was er weiß, was sie täglich von früh bis spät leistet, sich etwas für sich und ihre Kinder aufbauen kann. – Wissen Sie was? – Dieser Glaube und diese Zuversicht, dass ich mir durch meine eigene Leistung etwas erwirtschaften kann und aufbauen kann, sind verloren gegangen.

Und da glauben Sie, dass Ihre ausgebrochene Subventionitis etwas hilft; dass die Bürgerinnen und Bürger immer hübsch dankbar sein sollen, wenn sie sich zwar nicht aus ihrem eigenen Arbeitseinkommen – übrigens auch aufgrund der hohen Steuerlast – etwas leisten können, sondern weil man wieder da und dort einen Bonus oder eine Förderung bekommt? – Das, meine Damen und Herren, ist keine nachhaltige Wirtschaftspolitik, und das zerstört diesen Konsens, den wir in Österreich gerade in der Mitte der Gesellschaft immer gehabt haben. (Beifall bei den NEOS.)

Nein, es sind strukturelle Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, um auch die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wiederherzustellen. Ich weiß, dass es immer eine unangenehme Rolle der Opposition ist, wenn man die schlechten Nach­richten überbringt. Das ist so. Ich möchte auch mit Zukunftsfreude und Optimis­mus und Zuversicht an die Dinge herangehen, aber dazu braucht es auch Ehrlichkeit: die Ehrlichkeit, dass wir in sämtlichen Rankings, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes geht, mittlerweile zurücksinken. Das können Sie nicht vom Tisch wischen! Es sind natürlich die hohen Arbeitskosten, die hohen Lohnnebenkosten, es ist natürlich die hohe Steuerlast, es ist diese überbordende Bürokratie, der sie übrigens heute Vormittag noch einmal eins draufgesetzt haben, die die Unternehmen in Österreich massiv belasten.

Es ist aber auch die Frage der Verlässlichkeit, was die Energiewende angeht. Sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen, Sie sitzen in der Regierung und wir haben immer noch kein Klimaschutzgesetz, und das ist ein wirklicher Skandal. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist vor allem auch die Innovationskraft: die Innovationskraft, die in der einzi­gen wirklichen Ressource liegt, die Österreich hat, nämlich das, was in den Köpfen der Menschen, vor allem unserer Kinder und Jugendlichen, ist. Das heißt, jetzt wäre der Zeitpunkt, in Bildung, in Forschung und in Entwicklung, in hoch­qualitative Universitäten zu investieren. Jetzt wäre auch der Zeitpunkt da, endlich einmal zu sagen: Okay, bei der Kinderbetreuung geht es nicht nur um Betreuung, da geht es um die Grundlage eines gelingenden Lebens – dass ich mir etwas aufbauen kann –, und auch darum, in der Kleinkindpädagogik Schritte zu machen.

Ich rede da nicht von Utopien. Ich rede davon, dass ich den Anspruch habe, auch in diesem Bereich Österreich an die Spitze zu bringen und an Länder wie Norwegen, wie Schweden, wie Finnland, wie Dänemark anzuschließen. Da braucht es weit mehr, als das Geld der Steuerzahler mit der Gießkanne auszu­geben. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) Es braucht wirklich strukturelle Reformen (Ruf bei der ÖVP: Bim, bim!), die auch Leadership verlan­gen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

14.24

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Maximilian Köllner zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.