9.08
Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kein Kind darf Opfer von sexueller Gewalt werden. In Kärnten hat es oft geheißen: „Wennst nicht spurst, kommst zum Wurst.“
Franz Wurst galt als Koryphäe. Er war Leiter der heilpädagogischen Abteilung im Landeskrankenhaus Klagenfurt. Er war zuständig für Kindeswegnahmen, für Einweisungen in Erziehungsheime und für Sonderschulen und führte nebenbei eine sehr gut gehende Privatklinik. An diesem Kinderarzt kam in Kärnten fast kein Kind vorbei.
Der sexuelle Missbrauch, der Missbrauch seiner Opfer lief über 50 Jahre. Das ist eines der dunkelsten Kapitel unserer Landesgeschichte. Franz Wurst wurde dafür 2002 zu 17 Jahren verurteilt. 2008 ist Franz Wurst gestorben, geboren wurde er 1920.
Es war nicht nur Franz Wurst, es waren ganz viele. Kinder wurden unter Drogen gesetzt und zu Sexpartys geführt. Sie können sich heute als Opfer nicht mehr daran erinnern, weil sie keine Erinnerung mehr haben. Das war strukturelle, systematische Ausübung von Gewalt und von sexuellem Missbrauch. Viele Täterinnen und Täter von damals wurden bis heute nicht belangt. Insofern ist es umso wichtiger, dass wir dieses umfangreiche Kinderschutzpaket endlich auf den Weg gebracht haben, dass Kinder heute wissen, dass sie Hilfe bekommen, dass sie sich wo hinwenden können, dass es Kinderschutzorganisationen gibt, die auf ihrer Seite stehen, damit es so dunkle Kapitel, wie wir sie in Kärnten kennen, nie wieder gibt. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Dieses umfassende Kinderschutzpaket steht auf drei Säulen: auf der Präventionsarbeit, es setzt auf höhere Strafen und es setzt auf Opferschutzarbeit. Jedes Kind, das Opfer von sexueller Gewalt geworden ist, wird durch solche Straftaten nämlich seiner Kindheit beraubt. Viele dieser Kinder leiden ihr Leben lang an den Folgen der abstoßenden Straftaten. Und wie bei Wurst sind die Täter oft jene, die eigentlich für den Schutz der Kinder verantwortlich wären. Für uns ist klar: Wir müssen alles dafür tun, dass kein Kind Opfer wird – wir alle als politisch Verantwortliche, wir alle als Gesellschaft.
Mit diesem umfassenden Maßnahmenpaket schützen wir jetzt unsere Kinder vor sexueller Gewalt, denn es ist ein Commitment, eine Kultur unserer Gesellschaft, dass wir diesen Verbrechen jeden Riegel, den wir nur vorschieben können, vorschieben. Wir beugen vor, um Kinder wirksam vor Täter:innen zu schützen, um zu verhindern, dass Kinder überhaupt zu Opfern werden. Wir bauen mit dem Maßnahmenpaket das Betreuungsangebot für Opfer stark aus und unterstützen die wertvolle Arbeit von Kinderschutzeinrichtungen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Wie wir aus der medialen Berichterstattung wissen, war auch die Ermittlungsarbeit viel zu schwach ausgestattet. Auch da setzen wir an: Wir stärken die Ermittlerinnen und Ermittler, damit die Täterinnen und Täter wissen, dass sie auch ganz sicher erwischt werden. Und wir sorgen mit härteren Strafen für erhöhte Abschreckung. In Summe werden alle diese Schritte die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen deutlich verbessern und Übergriffe hoffentlich stark einschränken.
Warum ist es so wichtig, auf Prävention zu setzen? – Weil es um eine Vergemeinschaftung dessen geht, was es einfach nicht geben darf, und weil Kinder ein Recht darauf haben, zu wissen, welche Rechte sie haben und welcher Schutz ihnen zusteht. Deshalb setzen wir auch auf verpflichtende Kinderschutzkonzepte in unseren Schulen; so kann nämlich Gewalt verhindert werden, bevor sie passiert. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Fiedler.)
Diese Kinderschutzkonzepte beinhalten klare Verhaltensregeln. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen dadurch, was zu tun ist und wer zu informieren ist. Wer sich Sorgen um ein Kind macht, weiß, wohin er sich wenden kann. Viele Vereine und Organisationen setzen bereits freiwillig auch auf solche Kinderschutzkonzepte. Auch das wollen wir stärken, nämlich neben den Schulen auch bei den Vereinen – dort freiwillig – zu unterstützen, damit Kinder sich sicher fühlen.
Wir setzen auch auf Kinderschutzkonzepte in Kindergärten, weil wir praxistaugliche Vorlagen liefern wollen, damit sich in diesen Institutionen auch alle dem Schutz der Kinder widmen können. Damit sorgen wir für eine möglichst breite Umsetzung von wirksamen Kinderschutzmaßnahmen in ganz Österreich. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Seidl.)
Jedes Kind in Österreich soll wissen, was seine Rechte sind und was ein Übergriff ist. Deshalb wird es auch entsprechende Informationskampagnen geben, so aufbereitet, dass es Kinder verstehen, dass es für die Kinder schnell erfassbar wird, auch auf ihren Kanälen, und für Jugendliche Informationen, wo sie sich Hilfe holen können und was ihnen zusteht.
Der Opferschutz, meine Damen und Herren, ist ganz vorne anzusiedeln. Und: Opfer brauchen rasche und sofortige Hilfe, denn wer Opfer von sexueller Gewalt geworden ist, leidet sein Leben lang. Deshalb setzen wir auch darauf, dass sofortige psychosoziale Nachbetreuung für Opfer von Gewalt zur Verfügung steht. Gleichzeitig stärken wir Familienberatungsstellen, denn die Betreuung braucht Jahre, wenn nicht ein Leben lang, insofern gilt es, hoch qualifizierte Teams von Ärzt:innen, Psycholog:innen, Jurist:innen und Sozialarbeiter:innen zu stärken und zur Verfügung zu stellen.
Ich habe es eingangs schon erwähnt: Wir stärken auch die Ermittlungsarbeit. Dem Bundeskriminalamt wird mehr Personal zur Verfügung stehen, um Täter:innen zu verfolgen und sie letztendlich auch zu erwischen. Das sorgt für effiziente Ermittlungen, mit denen wir Täterinnen und Täter schneller stoppen können.
Auch über härtere Strafen haben wir in letzter Zeit medial sehr viel diskutiert; natürlich setzen wir auch auf höhere und härtere Bestrafung. Wir erhöhen die Mindeststrafen für den Besitz, die Herstellung und die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen und wir schaffen neben dem Grunddelikt erstmals wesentlich strengere Strafen für besonders schwere Taten. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abgeordneten Krisper und Seidl.)
Es braucht aber auch umfassende Maßnahmen für Täterinnenarbeit und Täterarbeit, denn es geht um die Vorbeugung. Übergriffe dürfen einfach nicht geschehen, und da braucht es auch die Grundlage, rechtzeitig anzusetzen, um Täterinnen und Täter schon vorzeitig begleiten zu können.
Erlauben Sie mir, mich hier an dieser Stelle auch zu bedanken: Es gibt so viele Kinderschutzeinrichtungen, so viele Vereine, die ehrenamtlich mit ihren Mitgliedern, mit ihren dort Tätigen dafür sorgen, dass unsere Kinder rechtzeitig eine Anlaufstelle haben, Schutz bekommen und begleitet werden. All diesen Ehrenamtlichen und diesen Vereinen gilt unser großer Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)
„Wennst nicht spurst, kommst zum Wurst.“– Das soll niemals wieder geschehen. Zusammenfassend: Große und organisierte Übergriffe, Missbrauchsringe sind dann möglich, wenn wir nicht hinschauen, wenn wir nicht aktiv unsere Stimme erheben, wenn wir einfach wegschauen. Diese Aktuelle Stunde soll heute eine Ermahnung dafür sein, dass wir Zivilcourage an den Tag legen, wenn es um die Rechte unserer Kinder geht. Schauen wir nicht weg bei Gewalt, schauen wir nicht weg bei Missbrauch! Reden wir mit unseren Kindern, suchen wir das Gespräch! Letztendlich baut ein gutes Leben auf einer wirklich auch unbeschwerten, quasi einer freien Kindheit auf. Das hat sich jedes Kind hier bei uns in Österreich verdient.
Wir sind froh, dass wir dieses umfassendste Paket der letzten Jahrzehnte für den Schutz unserer Kinder so gut auf den Weg gebracht haben. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
9.18
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesminister. Auch sie hat eine Sollredezeit von 10 Minuten. – Bitte sehr, Frau Bundesminister.