9.18

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Aber vor allem: Geschätzte Bürgerinnen und Bürger, die diese Aktuelle Stunde verfolgen! Kein Kind darf Opfer von se­xueller Gewalt werden. Jedes Kind hat das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen.

Es handelt sich bei den Missbrauchsvorwürfen, den Missbrauchsfällen der letz­ten Wochen um kein rein digitales Delikt. Es ist eine Verharmlosung, zu sagen, dass es sich bei der Darstellung von Kindesmissbrauch um ein rein digi­tales Delikt handelt. Auch der Begriff der Kinderpornografie ist eine Ver­harmlosung, denn kein Kind hat zugestimmt, so abgebildet zu werden. Daher benennen wir es doch, sagen wir, was es ist: Es geht um die Darstellung von sexueller Gewalt gegen Kinder. Kinder werden dabei Opfer von sexueller Gewalt. Oftmals werden sie von demjenigen missbraucht, der zu ihrem Schutz befohlen ist. Jedes dieser Kinder wird durch eine solche Straftat seiner Kindheit beraubt und leidet sein restliches Leben darunter. Deswegen müssen wir auch die Sprache im Gesetz ändern und wir müssen das Unrecht der Tat auch im Gesetz widerspiegeln. Und ja, wir als Bundesregierung müs­sen alles dafür tun, dass kein Kind Opfer wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Letzte Woche haben wir im Ministerrat ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Schutz der Kinder verabschiedet. Das Paket baut auf drei Säulen auf: zum einen auf der Säule der Prävention, also vorbeugenden Maßnahmen, denn als Gesellschaft sollte es unser oberstes Ziel sein, Straftaten – gerade gegen Kinder – zu verhindern; die zweite Säule sind die wirksame Strafverfolgung und natürlich auch Sanktionen, denn Täter müssen wissen, dass die Strafver­folgungsbehörden sie ausforschen und auch zur Verantwortung ziehen werden; und natürlich die dritte Säule, der Opferschutz: Kinder und ihre Familien brauchen nach einer solch schrecklichen, abscheulichen Tat Unterstützung, und genau deswegen haben wir auch die Unterstützung ausgebaut.

Ich möchte kurz auf die Prävention eingehen: Die Justiz kommt leider immer nur dann zum Zug, wenn schon etwas passiert ist. Wir müssen daher schon vor­her tätig werden. Wir müssen vorher verhindern, dass es so weit kommt, und ge­nau deswegen braucht es Kinderschutzkonzepte. Die Kinderschutzorganisa­tionen haben in den letzten Jahren immer wieder Kinderschutzkonzepte gefor­dert, die solche abscheulichen Taten verhindern können, denn: Jede Tat, die wir verhindern, zählt! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir führen Kinderschutzkonzepte daher verpflichtend in den Schulen ein, und für alle Vereine, die mit Kindern arbeiten, wird es jetzt eine Zertifizierungs­stelle geben, die ein Gütesiegel ausstellt, das besagt, dass dieser Verein ein Kin­derschutzkonzept hat und dass auch entsprechende Qualitätskriterien etabliert wurden. Wir wollen, dass Kinder und ihre Eltern wissen, dass, wenn die Eltern ihre Kinder irgendwo hinschicken, sie dort auch sicher sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Das gilt hoffentlich auch für die Musikschulen in Niederösterreich!)

Kinder müssen wissen, was ihre Rechte sind und an wen sie sich wenden können. Sie müssen auch wissen, was ein Übergriff ist, weil sehr, sehr viele junge Kinder nämlich nicht wissen, dass das, was mit ihnen geschieht, nicht richtig ist. Genau deswegen braucht es eine bundesweite Kinderrechtekampagne, die es auch geben wird, um darüber aufzuklären. Ja, das ist erstmalig in Österreich. Wir haben so etwas noch nie gehabt und die Kinderschutzorganisationen haben das auch seit Jahren gefordert. Sie haben in die skandinavischen Länder ge­blickt und gesehen: Schaut, dort funktioniert das so gut, wir brauchen das auch für Österreich!, und jetzt werden wir das auch umsetzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es geht aber auch um die Strafverfolgung und es geht auch um Sanktionen. Wir wissen aus wissenschaftlicher Sicht, dass es eine Abschreckung ist, wenn Täter wissen, dass sie ausgeforscht werden. Wenn Täter wissen, dass sie gefun­den werden und dass sie zur Verantwortung gezogen werden, dann wirkt das auch abschreckend. Genau deswegen statten wir auch die Ermittlungsbehör­den im Cybercrimebereich aus. Auch mein Kollege Gerhard Karner wird das Cybercrime Competence Center weiter mit Personal ausstatten und es wird eine neue Software zugekauft, die dabei unterstützt, dass solche Bilder leichter gefunden werden, dass Datenträger im Hinblick darauf leichter ausgewertet wer­den können.

Ja, es hat viel Kritik gegeben, aber ich stehe dazu: Ja, wir erhöhen auch die Strafen, denn die Strafen müssen das Unrecht der Tat widerspiegeln. Die Strafen allein, da stimmen wir Ihnen allen zu, lösen natürlich das Problem nicht, und genau deswegen braucht es ein umfassendes Paket, das auf Prävention und Sanktion aufbaut. Die Strafen sind aber notwendig, denn sie spiegeln auch das Unrecht der Tat wider: Um eine Darstellung von sexuellem Kinder­missbrauch zu erlangen, um solche Bilder herzustellen, werden Kinder sexuell missbraucht, Kinder und deren Leben werden dadurch zerstört. Strafrah­men bilden in unserer Gesellschaft den Wert ab, welchen wir den Rechtsgütern in einer Gesellschaft geben, und für mich hat das Wohl der Kinder und ihr Recht auf ein gewaltfreies Leben oberste Priorität. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Abgeordnete Voglauer hat es schon gesagt, beim Grundtatbestand erhöhen wir den Strafrahmen um jeweils ein Jahr, aber wir führen auch eine Qualifika­tion ein. Wir erhöhen die Strafen dort wesentlich, wo es ein besonderes Unrecht ist. Wenn jemand eine Vielzahl von Bildern besitzt und wenn es besonders junge Kinder betrifft, werden die Strafen drastisch erhöht, auf bis zu fünf Jahre bei Besitz und auf bis zu zehn Jahre bei der Herstellung.

Wir schließen auch die Lücke im Tätigkeitsverbot. Das Tätigkeitsverbot wurde bis jetzt nur dann ausgesprochen, wenn eine Sexualstraftat im Zuge der Tätig­keit zum Beispiel als Lehrer:in oder Kindergärtner:in erfolgte. Jetzt kann unabhängig von der derzeitigen Anstellung des Täters ein Berufsverbot für eine Tätigkeit mit Kindern ausgesprochen werden, und ich halte das für einen wirklich wichtigen Lückenschluss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich habe es eingangs schon erwähnt: Neben der Prävention und der Strafver­folgung ist der Ausbau des Opferschutzes und der Opferarbeit ein entscheiden­der Baustein. Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind, kämpfen ihr Leben lang mit den Folgen der Tat und den Auswir­kungen auf ihre psychische Gesundheit. Daher müssen wir da – und werden wir auch – die Unterstützung ausbauen. In den Familienberatungsstellen werden die Kinder und Jugendlichen von hoch qualifizierten Teams, bestehend aus Ärzt:innen, Psycholog:innen, Jurist:innen und Sozialarbeiter:innen, betreut. Ge­sundheitsminister Johannes Rauch wird daher auch die Mittel für die psychosoziale Nachbetreuung für Opfer von Gewalt um 3,5 Millionen Euro aufstocken.

Ja, es ist auch wichtig, bei der Täterarbeit anzusetzen. Deswegen wird es jetzt auch 1,5 Millionen Euro mehr für die Arbeit mit Täter:innen im Strafvoll­zug geben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei den Kinderschutzorganisa­tionen bedanken, die tagtäglich für das Wohl unserer Kinder arbeiten, die sich tagtäglich dafür einsetzen, dass es Kinderschutzkonzepte gibt, die tag­täglich dafür sensibilisieren, dass die Betreuung und der Schutz von Kin­dern so wichtig sind, damit sie eben nicht Opfer von Gewalt werden. Ein großes Dankeschön an die Kinderschutzorganisationen, die da Großartiges leisten. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, echter und umfassender Schutz von Kindern vor Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erfor­dert die Mitwirkung und Unterstützung der Bundesländer, der Gemeinden, aber auch der Zivilgesellschaft. Jeder Einzelne von uns ist aufgerufen, nicht weg­zuschauen, sondern aufzustehen, denn die Kinder brauchen unseren Schutz. Das muss unsere oberste Priorität sein! Kinder brauchen unseren Schutz und haben ein Recht auf ein gewaltfreies Aufwachsen. Schauen wir nicht weg! – Vie­len Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit aller weiteren Redner zur Aktuellen Stunde laut § 97 Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steinacker. – Bitte sehr, Frau Abge­ordnete.