14.25

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Neues Jahr, neues Parlament, alter Brauch: Ich habe Ihnen gleich zu Beginn ein Buch mitgebracht (das genannte Buch in die Höhe haltend): „Im Grunde gut“. Rutger Bregman, ein interessanter junger hol­ländischer Historiker, belegt durch viele Beispiele, dass die Menschen nicht so sind, wie Sie von der FPÖ es gerne hätten, nämlich: böswillig, neidisch, den anderen etwas wegnehmen. (Abg. Kassegger: Das ist eine Unterstellung! Das wollen wir nicht!) Nein, die sogenannte Fassadentheorie, dass die Fassade des guten Verhaltens sofort zusammenbricht, wenn eine Krise auftritt, stimmt nicht. Das weist der Autor sehr schön nach, und deswegen kann ich dieses Buch nur empfehlen.

Das wissen wir auch. Das wissen wir, weil gerade auch in Österreich die Hilfe der Menschen für die Menschen in der Ukraine sehr groß ist. Ich habe erst gestern wieder den österreichischen Botschafter Arad Benkö getroffen, und er hat mir gezeigt: Wir sind unter den top fünf, was die Unterstützung der Menschen in der Ukraine betrifft. Ich möchte die Gelegenheit hier nutzen und mich bei allen, die das möglich gemacht haben, bedanken. Das sind viele Familien, Vereine, kleine Organisationen, Gemeinden, Länder natürlich und auch der Bund, die sehr vieles zur Verfügung gestellt haben, und das ist auch notwendig. Wir sind Nummer fünf per capita.

Zusätzlich – auch das hat mir der Botschafter erzählt – helfen aber auch in der Ukraine die Leute einander. Man sieht, wenn man dort lebt, wie die Hilfs­bereitschaft dort gewachsen ist. Ich kann jedem nur raten: Bitte hinfahren, das erleben Sie dort! Sie erleben aber auch, was Sie nicht wahrhaben wollen, nämlich diese unfassbaren Zerstörungen; und Sie erleben dort auch – und die Menschen dort können Russisch und müssen das zum Teil auch hören –, was in der russischen Propaganda, im russischen Fernsehen gesagt wird, nämlich dass das unwerte Menschen seien, dass man die der Reihe nach umbringen müsse, wenn sie sich wehren würden.

Das ist der Zustand, in dem sich dieses Land befindet. Und dann diskutieren wir darüber, ob wir ihnen helfen sollen? – Na selbstverständlich werden wir ihnen helfen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch etwas: Keines der Kriegsziele von Putin ist aufgegangen. Angeblich war er gegen die Nato. Dass es jetzt neue Nato-Länder gibt, Länder beitreten, stört ihn überhaupt nicht. Natürlich wollte er die EU zerstören, er wollte unseren Zusammenhalt zerstören. Es gelingt ihm nicht, die EU ist viel stärker, als er das wahrhaben will.

Eines stimmt aber freilich auch: Gerade russische Netzwerke, auch innerhalb der EU, funktionieren natürlich. Wir haben ja heute wieder den internationalen Korruptionsindex mitbekommen – sehr peinlich für Österreich –, und in diesem Korruptionsindex, in dem Bericht steht, dass russische Netzwerke sehr aktiv sind, vor allem auch in Deutschland, um dort verschiedene Institutionen zu korrumpieren. Da müssen wir aufpassen.

Herr Bundesminister, eine Bitte: Setzen Sie sich auch im Rahmen der EU dafür ein, dass das Vermögen dieser Unterstützer Putins, das ja bereits einge­froren ist, nach rechtsstaatlichen Methoden wirklich für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden kann! Das ist der nächste Punkt, der notwendig ist.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, das Sie vielleicht nicht hören wollen und vor allem nicht verstehen: Unsere Hilfe, die wir jetzt leisten, ist auch eine Hilfe für uns, weil es sehr viele Unternehmen gibt, die bereits auch in der Ukraine aktiv sind. Wir haben eine hervorragende Delegierte der Wirtschafts­kammer in Kiew, die dort auch Kontakte zu den Unternehmen hält. Kolle­ge Kopf ist gerade nicht im Saal, aber ich lobe unsere Handelsdelegierten gerne, weil sie einen guten Job machen.

Andere Länder gehen inzwischen weiter, auch das möchte ich Ihnen sagen. Die italienische Confindustria, also der Industriellenverband, hat bereits eine Vertretung in Lemberg und hat dort Kontakte aufgenommen. Die Tschechen ha­ben bereits einen Wiederaufbaubeauftragten.

Das können wir alles machen. Das heißt, das sind alles Initiativen, von denen wir dann profitieren werden.

Noch einen Punkt gibt es – Kollege Tursky war ja auch in Kiew –: Was etwa IT, aber auch Cyberabwehr betrifft, sind die Ukrainer besonders gut, und wir wissen – das weiß ich seit einer Untersuchung beziehungsweise einer Stellung­nahme des damaligen Verteidigungsministers Starlinger –, wie massiv die Cyberangriffe auch auf Österreich sind. Auch da werden wir Freunde und Ver­bündete brauchen, und gerade die Ukrainer werden uns da helfen, damit wir uns auch gegen die Russen wehren können.

Deswegen bringen wir – es ist ja am 24. Februar der Jahrestag dieses schreckli­chen Angriffskrieges – jetzt auch noch einen Entschließungsantrag ein, den ich verlesen darf:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Unterstützung der Ukraine zum Jahrestag des russischen Angriffs“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, möge

- der Ukraine Österreichs Solidarität aussprechen und sich international rund um den Jahrestag des russischen Angriffs dafür einzusetzen, die europäische Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten;

- die Aufklärung von Kriegsverbrechen unterstützen und die in Österreich be­reits unternommenen Bemühungen weiter verstärken;

- der Ukraine versichern, dass Österreich sich auf internationaler Ebene dafür einsetzen wird, dass die Ukraine als angegriffener Staat ohne Druck eigenständig den Zeitpunkt und die Bedingungen für Friedensverhandlungen bestimmen kann;

- sich dafür einsetzen, internationale Sanktionen gegenüber Russland solange aufrecht zu erhalten, bis die völkerrechtlich anerkannten Grenzen der Ukraine wiederhergestellt sind;

- Wien als Austragungsort für die Konferenz zur Erarbeitung der Schlüsselelemente der Nachkriegssicherheitsarchitektur im euro-atlantischen Raum anbieten.“

*****

Ich bitte um Zustimmung. Ich weiß, es gibt einen weiteren Antrag der Regierungsparteien, aber wie wir heute schon gehört haben, ist es manchmal gescheiter, man stimmt auch der Opposition zu.

Vielleicht ein letztes Wort, weil darüber schon geredet wird: Wenn Putin diesen Krieg gewinnt, dann heißt das, Gewalt setzt sich durch, dann heißt das, autoritäre Regime setzen sich durch. Ich weiß, hier gibt es auch Leute, die wollen autoritäre Regime – wir wollen das nicht. Wir wollen ein liberales, freiheit­liches, friedliches Europa. Und das wird es nur geben, wenn die Ukraine diesen Krieg gewinnt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen

betreffend Unterstützung der Ukraine zum Jahrestag des russischen Angriffs

eingebracht im Zuge der Debatte in der 195. Sitzung des Nationalrats über den Be­richt des Budgetausschusses über den Antrag 3076/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (1914 d.B.) – TOP 6

Im Februar jährt sich der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim zum neunten Mal. Die widerrechtliche Eingliederung dieses Teils der Ukraine an die Russische Föderation jährt sich am 18. März zum neunten Mal. Nach der Annexion der Krim begann die völkerrechtswidrige Unterstützung von Separatisten im Donbass.

Der 24. Februar stellt den traurigen ersten Jahrestag des unprovozierten Angriffs durch die Russische Föderation auf die bis dahin noch unbesetzte Ukraine (westlich des Donbass und nördlich der Krim) mit dem Ziel, die demokratisch ge­wählte Führung des Landes zu stürzen, dar.

Die Grenzen der Ukraine vor dem Einmarsch Russlands auf der Krim 2014 sind international anerkannt. Bis zum Einmarsch erkannte auch Russland diese Grenzen an und verpflichtete sich im Budapester Memorandum von 1994, diese Grenzen zu respektieren und gab der Ukraine Sicherheitsgarantien innerhalb dieser Grenzen.

Der Einmarsch in der Ukraine war unprovoziert und widerspricht internationalem Recht. Das russische Regime hat die Auslöschung der Ukraine als eigenstän­diger Staat und der ukrainischen Identität als Kriegsgründe angeführt.

Mehr als 40.000 russische Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlich­keit wurden dokumentiert und werden für weiterführende Strafverfolgung von internationalen Behörden untersucht.

Mehr als 3.000 Bildungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten und Universitäten, wurden von Russland bombardiert. Auch Spitäler und Kultureinrichtungen wurden angegriffen, und unzählige Wohngebäude attackiert und beschädigt oder zerstört.

Nach dem Scheitern des Angriffs und der erfolgreichen ukrainischen Rückeroberun­gen von besetzten Gebieten durch die ukrainische Armee begann Russland eine Strategie der Terrorisierung der Zivilbevölkerung. Gezielte Wellen von Angriffen auf die Energieinfrastruktur mitten im Winter sollen die Menschen dazu zwin­gen zu kapitulieren. Eine derartige Terrorstrategie stellt ein weiteres, systemisches Kriegsverbrechen dar.

Die Bundesregierung hat den völkerrechtswidrigen Angriff verurteilt und trägt die internationalen Sanktionen gegen Russland vollinhaltlich mit.

Österreich hat sich zusammen mit europäischer und anderer Demokratien an die Seite der Ukraine gestellt und ihr finanzielle, humanitäre und zivile Hilfe zu­kommen lassen. Diese Hilfe wird von der Bundesregierung, aber auch von Ländern und Gemeinden sowie Privatorganisationen, wie den Apothekern ohne Gren­zen, getragen und oft unter erheblichem Risiko in die Ukraine geliefert.

Österreich erkennt an, dass die Ukraine nicht nur sich selbst, sondern auch Europa und die Werte von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Europa ver­teidigt, da die Großmachtfantasien des russischen Diktators Vladimir Putin auch Ge­biete jenseits der Ukraine beinhalten.

Österreich stellt sich als Vermittler für Friedensgespräche zur Verfügung, hat aber auch klargestellt, dass es der Ukraine alleine vorbehalten sein muss, wann und unter welchen Bedingungen sie mit dem Aggressor verhandeln will.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten, möge

•     der Ukraine Österreichs Solidarität aussprechen und sich international rund um den Jahrestag des russischen Angriffs dafür einzusetzen, die europäische Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten;

•     die Aufklärung von Kriegsverbrechen unterstützen und die in Österreich bereits unternommenen Bemühungen weiter verstärken;

•     der Ukraine versichern, dass Österreich sich auf internationaler Ebene dafür ein­setzen wird, dass die Ukraine als angegriffener Staat ohne Druck eigenständig den Zeitpunkt und die Bedingungen für Friedensverhandlungen bestimmen kann;

•     sich dafür einsetzen, internationale Sanktionen gegenüber Russland solange auf­recht zu erhalten, bis die völkerrechtlich anerkannten Grenzen der Ukraine wiederhergestellt sind;

•     Wien als Austragungsort für die Konferenz zur Erarbeitung der Schlüsselelemente der Nachkriegssicherheitsarchitektur im euro-atlantischen Raum anbieten.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Magnus Brunner. – Bitte, Herr Bundesminister.