16.46

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohnen ist ein Grundbedürfnis und dadurch natürlich auch eine wichtige Aufgabe des Staates. Wir Politikerinnen und Politi­ker in diesem Haus tragen die Verantwortung dafür, dass ausreichend Wohnraum zur Verfügung gestellt wird und dass sich die Menschen das Wohnen auch leisten können.

Das Volkswohnungswesen – heute heißt es sozialer Wohnbau – steht als Aufgabe des Nationalrates in der österreichischen Bundesverfassung, und trotzdem war dieses Thema in den letzten Wochen für die Bundesregierung eher ein Rand­thema, denn die Mitglieder der Regierungsparteien haben sicher – so wie ich – viele Meldungen aus der Bevölkerung bekommen (Abg. Zarits: In Wien!), wie es den Menschen wegen der hohen Mieten geht. (Abg. Zarits: Aus Wien die meisten!)

Ich möchte nur eine zitieren. Frau Waltraud S., 53, schreibt mir: „Es ist nicht mehr auszuhalten, wie soll ich die Miete noch aufbringen?“ (Abg. Belako­witsch: Wohnt die in Wien bei Wiener Wohnen?) „Ich kann meine Wohnung nicht mehr angemessen heizen, Gas habe ich bereits abgedreht und heize mit einem kleinen Holzofen. Ich spare sogar beim Essen und ich versuche so oft wie möglich bei Verwandten zu Besuch zu sein, um Heizkosten zu sparen.“ (Abg. Belakowitsch: Die wohnt wahrscheinlich bei Wiener Wohnen!) „Aber nicht nur mir geht es so! Meine Nachbarn, ein Student und eine Studentin, haben eine sehr kalte Wohnung und sind oft krank.“

Das schreibt eine Frau, die tagtäglich arbeitet, die berufstätig ist und am Ende des Monats mit leeren Taschen dasteht. Dieses Schicksal berührt natür­lich. Dem steht die Untätigkeit der Bundesregierung gegenüber, und das beim Thema Wohnen, wo es bereits fünf nach zwölf ist. (Abg. Eßl: Wohnt sie in Wien?) ÖVP und Grüne verantworten den Anstieg der Kategoriemieten um 17,5 Prozent (Abg. Steinacker: Wiener Wohnen! Das macht aber schon die Inflation! Komm, bitte!), und freie Mieten und Richtwertmieten sind ebenfalls angestiegen.

Die Mieten galoppieren den Einkommen davon (Abg. Michael Hammer: In Wien? – Abg. Leichtfried: Geh, Hammer! – Abg. Michael Hammer: Das ist Faktum!), und bei diesem Galopp merken viele, die ÖVP und Grüne gewählt haben, dass sie auf das falsche Pferd gesetzt haben (Beifall bei der SPÖ – Abg. Eßl: Was macht Ludwig?), denn wenn die Politik nichts unternimmt, werden die gesetzlichen Richtwertmieten bereits in zwei Monaten nochmals teurer, und wenn der Nationalrat nicht einschreitet, unterschreibt Ministerin Zadić eine Anhebung im Ausmaß von 8,6 Prozent.

Noch einmal: Das Geld, das für Lebensmittel, Energie, Sport, Schule, Kinder, Urlaub und alles andere aufgewendet werden könnte, fehlt dann den Menschen. Geld verschwindet aber nicht einfach, Geld wechselt nur den Besitzer.

Um es noch einmal zu sagen: 80 von 100 Mieteuros fließen zu den reichsten 10 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher. Die Mieteinnahmen des Jahres 2000 in Höhe von 1,9 Milliarden Euro sind im Jahr 2020 auf 4 Milliar­den Euro gestiegen (Abg. Steinacker: Wie viel davon die Stadt Wien?), das heißt, sie haben sich verdoppelt. Das ist eine radikale Umverteilungspolitik von der Mitte der Gesellschaft zu denen, die ganz oben sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Da ist aber die Gemeinde Wien auch dabei, oder?)

Das war in Österreich nicht immer so und das muss auch nicht so sein. (Abg. Michael Hammer: Nein, das war nur in Wien so!) Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In der letzten von der SPÖ geführten Regierung gab es mehrere Wohnrechtsre­formen, darunter auch solche, die ein Sinken der Mieten bewirkt haben. Die Aus­laufannuitäten bei den Genossenschaftswohnungen, die Reparaturpflicht der Vermieter bei Gasthermen (Abg. Michael Hammer: Und das Gesetz gilt in Wien nicht!) bis hin zur Mietvertragsgebühr – das alles haben wir damals abgeschafft.

Die Bundesregierung, bestehend aus ÖVP und Grünen, setzt hingegen ganz an­dere Schwerpunkte. Wohnrechtsreformen bei ÖVP und Grün haben mehr Bürokratie, die Rücklagen bei den Eigentumswohnungen und Genossenschafts­wohnungen steigen. Dabei liegen ganz notwendige Reformen an, um Woh­nen wieder leistbar zu machen. Die SPÖ hat mit dem Universalmietrecht ein Bei­spiel auf den Tisch gelegt, das ökologisch ist, das faire Mieten hat und einen fairen Ausgleich zwischen Vermietern und Mietern bringt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP lehnt das ab. Wir haben ein Maklergesetz nach deutschem Vorbild vorgelegt, ohne Umgehungsmöglichkeiten, haben das beim Entwurf ein­gefordert. Das lehnt die ÖVP, die Bundesregierung ab. (Abg. Tomaselli: Stimmt ja gar nicht! Das stimmt einfach nicht!) Wir haben eine Abschaffung der befris­teten Mietverträge eingebracht, damit die Menschen sicher wohnen können, und auch das lehnt die Bundesregierung ab. Und um ein ganz praktisches und eher kleines Beispiel zu nennen: Wir haben einen Antrag eingebracht, dass die Wasserzähler, die in jedem Haus vorhanden sind, nicht mehr alle fünf Jah­re, sondern alle zehn Jahre getauscht werden. Auch das wird von der Bundesre­gierung abgelehnt.

Zum Problem der hohen Inflation: Da hat die SPÖ in der Vergangenheit mit dem Inflationslinderungsgesetz bewiesen, dass es möglich ist; die SPÖ hat ge­zeigt, dass man die Erhöhung aussetzen kann – und nicht wie Türkis-Grün: ein­fach aufschieben. (Abg. Steinacker: Dann holt die Leute wieder ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: ... denn ausgesetzt?) Wie das funktioniert, hat die SPÖ im Antrag 3090/A auch vorgelegt.

Das 3. Inflationslinderungsgesetz (Abg. Belakowitsch: Setzen Sie das Inflations­anpassungsgesetz einmal aus!) sieht ein Aussetzen der gesetzlichen Mieterhöhung bis in das Jahr 2025 vor. Das sollte der Bundesregierung auch die nötige Zeit geben, endlich eine grundlegende Mietrechtsreform auszuverhandeln. (Abg. Belakowitsch: ... Wiener Wohnen mit gutem Beispiel voran ...!) Danach sollte es eine jährliche Mieterhöhung, die angemessen ist, geben, die sich in etwa um beziehungsweise unter 2 Prozent entwickelt.

Ich bitte Sie daher um Unterstützung für unseren Antrag. So sieht mieten aus! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Sin­ger. – Bitte.