12.52

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesregie­rung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist interessant, wie sich die FPÖ jetzt aufregt, wenn sie einmal selbst von Anschuldigungen und Diffamierungen betroffen ist. Ja, so schaut es aus mit dem gläsernen Kinn (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP Zwischenrufe bei der FPÖ), aber austeilen, das können Sie, Herr Kickl. (Abg. Kickl: Ja eh!) Genau, aber einstecken können Sie gar nichts. Da zeigt sich die wahre Schwäche. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS. Abg. Kickl: Sie sind allerdings Expertin beim Ein­stecken, aus der eigenen Partei! – Abg. Leichtfried: Geh, jetzt gib einmal eine Ruh, hast eh Redezeit! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ja, heute jährt sich der Beginn dieses brutalen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zum ersten Mal und  wie wir alle hoffen – hoffentlich zum letzten Mal, und aus diesem Anlass fand bereits gestern hier im Hohen Haus eine gemeinsame Aussprache des Außenpolitischen Ausschusses und des EU-Unterausschusses statt, an der auch der ukrainische Botschafter Chymynez und der Russlandexperte Prof. Gerhard Mangott teilgenommen haben. (Abg. Belakowitsch: Menschenrechtsverletz...!) Und heute, am Jahrestag selbst, findet auch diese Sondersitzung hier im Parlament statt. Das sind sehr wichtige Zeichen.

Das sind wichtige Zeichen, denn damit möchten wir der ukrainischen Bevölke­rung einmal mehr unsere volle und unsere aufrichtige Unterstützung und Solidarität zum Ausdruck bringen. Der Angriffskrieg durch die militärische und die politische Führung Russlands auf ein souveränes, auf ein freies euro­päisches Land, die Ukraine, ist und bleibt auf das Schärfste zu verurteilen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein Jahr Krieg heißt ein Jahr unsagbares Leid für die ukrainische Bevölkerung, und jeder weitere Tag Krieg bedeutet mehr Leid, mehr Opfer, mehr Tote, mehr Zerstörung. Die entschlossene und die rasche Reaktion der Europäischen Union auf den russischen Aggressor nach Kriegsbeginn war damals und ist auch weiterhin mehr als entscheidend. Wir müssen auch weiterhin geeint vorge­hen, denn die Geschlossenheit ist unsere größte Stärke in der Europäischen Union.

Nein, Österreich und die EU können und dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn ein europäisches Land angegriffen und überfallen wird, wenn Völkerrecht gebrochen wird. Auch der österreichische Nationalrat hat in einer Reihe von Beschlüssen dazu klar Stellung bezogen und diesen brutalen Angriffskrieg Russ­lands klar verurteilt. Genauso wichtig ist es aber, die notleidende Bevölke­rung in der Ukraine mit ausreichend humanitärer Hilfe zu unterstützen. Genauso wichtig ist es, jenen Menschen, die weiterhin Schutz brauchen, die aus der Ukraine zu uns nach Österreich kommen, hierher fliehen müssen, diesen Schutz auch zu gewähren und zu geben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Rössler und Krisper.)

Genauso notwendig ist es aber auch, dass alles unternommen wird, um die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas zu reduzieren. Das Gegenteil ist leider der Fall. Die Abhängigkeit von russischem Gas ist sogar gestiegen – auf über 70 Prozent! Im Vergleich zur Europäischen Union sieht man – dort liegt die durchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas bei 13 Prozent –, dass sie dort signifikant geringer ist. Und so ist es auch in Deutschland. Ja, jetzt hat man dort vielleicht andere Gründe gefunden, aber nein: Die Deutschen haben das aus politischen, moralischen Gründen so entschieden, nicht aus reinen Pipelinegründen. (Abg. Hafenecker: ... Gusenbauer und Kern anders ent­schieden? – Abg. Stögmüller in Richtung Abg. Hafenecker –: Doch einen Russland-Untersuchungsausschuss?)

Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung, Sie haben in den letzten Monaten eindeutig nicht genug unternommen, um diese in vielerlei Hin­sicht problematische Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. (Abg. Hafenecker: Gusenbauer, Faymann und Kern haben das nicht moralisch entschieden, son­dern anders ...!) Sie reden, vor allem die Grünen, seit Monaten vom Ausstieg aus fossiler Energie. Sie reden seit Monaten vom Ausstieg aus russischem Gas. Sie fahren seit Monaten in großen, teuren Delegationen in der Weltgeschichte herum, Stichwort Katar (Abg. Kickl: Sie fliegen! Abg. Hafenecker: ... die Grünen ... Privatjet ...!), auf der angeblichen Suche nach alternativen Energiequel­len mit dem Ergebnis, dass die österreichische Abhängigkeit nicht gesun­ken, sondern gestiegen ist. Das muss sich ändern, sehr geehrte Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das nur am Rande, denn ohne Zweifel liegen vor uns, vor uns allen schwierige Zeiten, und gerade deshalb müssen – ja, müssen! – die Bemühungen zu einer Deeskalation jedenfalls von allen Seiten weitergeführt werden. Dazu braucht es – und das wurde heute zum Glück schon öfters gesagt – mehr denn je offene Gesprächskanäle, denn nur so kann es am Ende zu einem ernsthaften politischen Friedensprozess und in weitere Folge zu einem umfas­senden, gerechten und vor allem dauerhaften Frieden kommen. Das und nichts anderes muss unser gemeinsames Ziel sein, um das unnötige Morden, das unnötige Sterben endlich zu beenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Da kommt jetzt sicher von den NEOS: Nein, so einfach ist das alles nicht, wir würden uns das sehr einfach vorstellen. Nein, einfach wird es nicht, das ist uns allen klar, und einfach war es noch nie in der Geschichte Europas und welt­weit, Kriege zu beenden. Die Geschichte lehrt uns aber dabei auch, dass die meisten Kriege und Konflikte nicht auf dem Schlachtfeld beendet wurden, sehr geehrte Damen und Herren, sondern am Verhandlungstisch, und dorthin müssen wir auch in dieser Frage zurück. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Belakowitsch: Richtig!)

Klar ist aber auch, dass die Bedingungen für einen solchen Frieden natürlich in der Hand der Ukraine liegen müssen, aber wenn es um Dialog und Frie­densfindung und dessen Erhalt geht, dann ist auch die Organisation für Sicher­heit und Zusammenarbeit in Europa, die OSZE, natürlich wie alle anderen internationalen Organisationen eine ganz wichtige Gesprächsplattform. Wenn es um Frieden und Dialog geht, dann kommt auch neutralen Ländern wie Österreich eine ganz wichtige Rolle zu.

Apropos Neutralität: Österreich hat konsequent von Beginn an, Seite an Seite mit der Europäischen Union, die gemeinsame Reaktion gegenüber Russland mitgetragen. (Abg. Hafenecker: Die sind aber nicht neutral!) Österreich ist diesem Aggressor klar gegenübergetreten und entgegengetreten (Abg. Hafenecker: Der Herr Kern nicht gleich! ... noch ein paar Monate kassiert!), und das war richtig so. (Beifall bei der SPÖ.) Wir handeln und wir helfen im Rahmen unserer Möglichkeiten, wir handeln und wir helfen auf Basis unserer Verfassung, aber eines wird Österreich, zumindest wenn es nach meiner Fraktion geht, nie­mals machen, nämlich die Neutralität als sicherheitspolitisches Instrument, das sich seit Jahrzehnten für unser Land bewährt hat, einfach über Bord wer­fen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.59

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kickl. – Bitte.