13.24

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Vertreter:innen der Regierung! Sehr geehrte Botschafter:innen und Besucher:innen auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, es ist mir etwas unangenehm, jetzt hier nach dieser Geschichte wieder am Pult stehen zu müssen oder zu dürfen. (Abg. Hafenecker: Uns auch!)

Ich glaube nicht, dass die Bewandtnisse der letzten Minuten ein gutes Bild auf dieses Parlament werfen, insbesondere auch die Rede von Kollegen Kickl, die wir vorhin gehört haben.

Warum sind wir heute hier? – Wir sind heute hier, weil das eine Sondersitzung ist, weil vor einem Jahr, am 24. Februar 2022, Wladimir Putin die völker­rechtswidrige Invasion in der Ukraine befohlen hat.

Seither erlebt Europa eine Zeitenwende. Die Ukraine wurde in unermessliches Leid gestürzt. Wenige Kilometer von hier entfernt legen russische Rake­ten Wohnhäuser und Kindergärten in Schutt und Asche. Menschen, die einfach nur in Frieden leben wollen, müssen ihr Land mit der Waffe verteidigen. Zig Millionen wurden aus dem Land vertrieben oder sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Jeden Tag werden abscheuliche Kriegsverbrechen verübt, Kinder werden ihren Familien entrissen, nach Russland verschleppt, Vergewaltigungen werden als systematische Kriegswaffe eingesetzt, Zivilistin­nen und Zivilisten werden brutal ermordet.

Dieses unfassbare Grauen ist für die Menschen in der Ukraine seit 365 Tagen Realität. Das müssen wir uns vor Augen halten, nicht nur heute, sondern an jedem Tag von Putins brutalem Angriff.

Und dass Sie, Herr Kickl, in Ihrer Rede kein einziges Wort – kein einziges Wort! – des Bedauerns, der Trauer (Abg. Kickl: Haben Sie wieder nicht zugehört!) oder sonst irgendetwas in Bezug auf die ukrainische Bevölkerung, die dieses unglaub­liche Leid seit einem Jahr ertragen muss, finden (Abg. Hauser: Das stimmt ja nicht! – Abg. Kickl: Haben Sie nicht zugehört! Und verstanden haben Sie schon gar nichts!), zeigt, dass Sie ganz klar auf der falschen Seite in dieser gesam­ten Debatte stehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Österreichs volle Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine. Seit Tag eins leisten die Bundesregierung und die Zivilgesellschaft humanitäre Hilfe. Wir liefern Lebensmittel, Medikamente, Rettungsfahrzeuge, Stromgeneratoren, ohne die die Menschen jetzt frieren müssten. Für Zehntausende Vertrie­bene ist Österreich ein sicherer Zufluchtsort geworden. Heute gehen ukrainische Kinder hier in die Schule. Ihre Eltern haben eine Perspektive, weil wir den Ar­beitsmarkt für sie geöffnet haben.

Als Nachbarland ist es unsere Pflicht, den Leidtragenden des Kriegs zu helfen. Es ist auch unsere Pflicht, den Aggressor klar zu benennen: Es ist, Herr Kickl, Wladimir Putin, und zwar ganz alleine. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten von ÖVP und NEOS.) Er hat diesen Überfall gewollt und ohne jede Not befohlen.

Mit ihrem Widerstand verteidigt die Ukraine nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch unsere Freiheit und Demokratie. Wir müssen die Ukraine unterstüt­zen, indem wir Putins Regime konsequent in die Schranken weisen. Darüber gibt es einen breiten Konsens in Europa, auf der ganzen Welt, auch unter den Parteien in diesem Haus. Nur Sie, Herr Kickl, distanzieren sich bis heute nicht von Putin oder seiner Partei, mit der Ihre ÖVP 2016 einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen hat (Abg. Kickl: Ui, ÖVP haben Sie jetzt gesagt!), die FPÖ 2016 einen Freundschaftsvertrag abgeschlossen hat.

Und Ihre FPÖ behauptet, dieser Vertrag sei Geschichte oder sei einfach ausge­laufen, aber, Herr Kickl, laut dem Vertrag hat sich die Zusammenarbeit automatisch bis 2026 verlängert, wenn er nicht bis 2021 gekündigt wurde. (Abg. Kickl: Null mal null ist null!) Ich kenne keine solche Aufkündigung. Wo ist sie denn, Herr Kickl? Haben Sie diesen Vertrag aufgekündigt oder ist er weiterhin gültig? (Abg. Kickl: Schauen Sie in die APA! Lesen bildet auch in diesem Fall!) Haben Sie einen Freundschaftsvertrag mit dem Kriegstreiber Putin oder haben Sie ihn nicht? Zeigen Sie uns die Aufkündigung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Schauen Sie in die APA! Lesen bildet!)

Ungeachtet dessen: Sie könnten sich jederzeit klar von Putin und seinen Aggressionen distanzieren, aber Sie tun es nicht! Schlimmer noch: Sie bringen die Propaganda von Putin in dieses Haus! Sie vertreten hier im österreichischen Parlament die Interessen des Kremls! (Abg. Kickl: Nein! Nein!) – Selbstverständlich tun Sie das. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie sagen, die Sanktionen seien ein Schuss ins eigene Knie. Sie tun so, als wären die Sanktionen der Grund für die Inflation. Das ist falsch! Der Grund für die Inflation ist dieser Krieg! (Abg. Kickl: Warum ist sie dann in der Schweiz so niedrig?) Und es ist die Verantwortung von Wladimir Putin, dass die Menschen in Österreich auch unter dieser Inflation leiden müssen. (Abg. Hafenecker: Ihr seid der Grund! – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Präsi­dent Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sie argumentieren ganz genau wie Putin, der diese Woche in seiner Propa­gandarede fantasierte, die Sanktionen schaden nicht Russland, sondern nur dem Westen. (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja auch!) In Wahrheit treffen die Sank­tionen die russische Wirtschaft natürlich massiv. Sie leeren Putins Kriegskassen, sie machen tödliche Waffen unschädlich, Kampfflugzeuge bleiben am Boden, weil Russland keine Ersatzteile mehr bekommt. Das ist die richtige Politik, die wir hier machen – in Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung. Die Sanktionen sind unser wirksamstes Mittel, um Putin zum Einlenken zu bringen und diesen Krieg zu beenden, und sie sind Europas gewaltfreie Antwort auf Russlands kriegerische Aggression. (Beifall bei den Grünen.)

Eines ist spätestens jetzt nicht mehr zu übersehen: Schmutzige fossile Energie finanziert Despoten wie Putin. Saubere erneuerbare Energie stärkt unsere Unabhängigkeit. Die vergangenen Regierungen haben unser Land in die Abhän­gigkeit von russischem Gas getrieben, und die FPÖ war ganz vorne dabei, wenn es um den Einsatz für die russische Gaslobby und die Werbung für Nord Stream 2 beispielsweise ging. (Abg. Hafenecker: Wo denn?)

Ich erinnere zum Beispiel an eine OTS von Herrn Gudenus vom Juni 2018. Herr Gudenus war einmal bei Ihrer Partei, Sie erinnern sich vielleicht noch an so eine Begebenheit auf einer Insel – Ibiza, glaube ich, hat sie geheißen (Abg. Hafen­ecker: Da ist unglaublich viel übrig geblieben!) –, bei der ganz genau Ihre Vor­gangsweise und Ihre Politik, Ihr Verrat an der österreichischen Bevöl­kerung sichtbar gemacht wurden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hafenecker: Der Herr Schelling hat für Gazprom gearbeitet! Ihr Koalitionspartner! Herr Schelling und Herr Schüssel!)

Die groben Fehler der letzten Jahrzehnte lassen sich natürlich nicht innerhalb kürzester Zeit wieder ausgleichen. Der Bundesregierung ist es jedoch gelungen, die Abhängigkeit von russischem Gas massiv zurückzudrängen und zu redu­zieren und Österreich mit vollen Speichern durch den Winter zu bringen. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Der weitere Weg ist klar: Wir müssen raus aus Öl und Gas; jede Gastherme, die wir tauschen, macht uns unabhängiger; jedes Windrad ist ein Symbol unserer Freiheit. (Abg. Kickl: Ja sicher!) Mit den Grünen in dieser Regierung holen wir die­sen Rückstand von Jahrzehnten auf und steigern das Tempo, mit dem Aus­bau der erneuerbaren Energien, mit der klimaneutralen Umstellung der Industrie, Erzeugung von heimischem Biogas et cetera.

Es gibt keinen Weg zurück in die Zeit vor dem 24. Februar 2022. Die Energie­wende ist der einzige Weg in dieser Zeitenwende. In dieser Zeitenwende steht eines außer Frage – abgesehen von der fünften Kolonne Russlands hier in diesem Parlament –: Europa muss fest zusammenstehen, wir müssen unse­re Freiheit und unsere Demokratie verteidigen, wo sie angegriffen werden. Die FPÖ hingegen verteidigt den Angreifer. Ihre Partei verbreitet Putins Pro­paganda, Sie schüren die Verunsicherung in der Bevölkerung, schlagen politi­schen Profit daraus und tarnen das dann noch als Neutralität gegenüber der Ukraine. (Abg. Hafenecker: Da hat man Ihnen heute wieder einen schönen Blödsinn aufgeschrieben!)

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat es richtig gesagt: „Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit“. – Ich bin stolz darauf, dass in diesem Parlament vier Parteien geschlossen hinter der Ukraine, hinter den Menschen in der Ukraine stehen, sich solidarisch zeigen (Zwischenruf des Abg. Deimek) und Putin ganz eindeutig zeigen, dass seine Politik keine Zukunft haben kann. (Abg. Kickl: Van der Bellen hat interessante Aussagen zur Krim gemacht!)

Die Ukrainer:innen verteidigen in diesem brutalen Krieg Putins auch die europäischen Werte, und nur gemeinsam werden wir an unserer sicheren und unabhängigen Zukunft arbeiten können. Vier Parteien in diesem Parlament tun das, die Europäische Union tut das, die internationale Staatengemeinschaft tut das. Auch wenn Ihnen das nicht passt, Herr Kickl: Wir stehen solida­risch hinter der Ukraine. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP. – Abg. Kickl: Ich glaub’, ihr brauchts einen Parteitag! Euer Pro­gramm ist nichts mehr wert! – Abg. Hafenecker: Das war wieder eine extrem schlech­te Rede! – Abg. Stögmüller: Das war eine gute Rede! – Abg. Schallmeiner: Sehr gute Rede! – Abg. Belakowitsch: Nein, die war eher schwach! – Abg. Hafenecker: Nicht einmal die Grünen haben geklatscht bei dieser Rede!)

13.32

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppel­bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.