13.38

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus, aber auch Zuschauer hier auf der Galerie und zu Hause! Ich komme wieder einmal ohne Redekonzept und vorbe­reitete Rede her, weil ich denke, die Debatte gibt einfach genug Anlass, um das, was hier passiert, ein bisschen durchzudeklinieren.

Ich glaube, es gibt eine Reihe von Lehren, die wir aus diesem schrecklichen Krieg, den Russland vom Zaun gebrochen hat, ziehen müssen.

Die erste Lehre ist – und die ist eigentlich gar nicht so schwierig –: Wir müssten doch eigentlich wissen, dass es zur Natur von Unrechtsregimen, von Dikta­turen gehört, Kriege vom Zaun zu brechen, Nachbarn zu überfallen, Konflikte zu schüren. Es liegt in der Natur der Sache, weil ansonsten die innere Stabilität solcher Diktaturen nicht gesichert werden kann. Das heißt, das gilt nicht nur für Russland, sondern das gilt auch für Länder wie den Iran und so weiter. Das ist eigentlich Allgemeinwissen.

Was auch noch dazukommt, ist, dass es meistens auch noch Größenphantasien wahnsinnig gewordener Diktatoren gibt, die dann Großmachtsfantasien entwickeln, wie wir das jetzt eben auch bemerken. Jede andere Interpretation, jede Umkehrung ist Propaganda.

Und das ist sozusagen die nächste Erkenntnis, die wir eigentlich haben müssen: wie unglaublich tief die Propaganda, in diesem Falls Russlands, reicht; wie Medien unterwandert werden, gekauft werden; Politiker, Organisationen in un­serer Gesellschaft unterwandert werden, beeinflusst werden von – in die­sem Fall – der russischen Propaganda, sodass Mitglieder des österreichischen Nationalrates fast verbatim die Propaganda Russlands, des Regimes Putins hier wiederholen. Das ist schon bemerkenswert, und ich glaube, wir müssen einfach nicht nur hier im Hohen Haus, sondern auch darüber hinaus in Österreich realisieren, was da passiert, wozu ein Regime wie eben Russland imstande ist. (Abg. Hafenecker: Das ist gegenüber dem Wolfgang Schüssel nicht okay, was Sie hier sagen!)

Zweitens ist eine wichtige Erkenntnis: Appeasement hat nicht funktioniert, damals nicht und heute nicht. Appeasement und „Nie wieder Krieg“, was in seinem historischen Kontext seine Berechtigung hatte, funktionieren nicht. Wenn es darum geht, dass wir uns unsere Freiheit, unsere west­liche Wertegemeinschaft, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit erhalten wollen, müssen wir auch bereit sein, dafür zu kämpfen, müssen wir auch bereit sein, dafür Kriege, Abwehrkriege zu führen, und müssen wir bereit sein, Länder, Gesellschaften, die sich verteidigen, dabei auch zu unterstützen, und dür­fen sie dabei nicht im Stich lassen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Gilt das für alle?)

Drittens gibt es eine wichtige Lehre, nämlich Dankbarkeit – weil hier eine un­glaubliche Reihe von Angriffen auf die Vereinigten Staaten von Ame­rika letztlich unwidersprochen blieb –: Es gilt, den Alliierten für die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus dankbar zu sein. (Abg. Hafenecker: Da waren aber die Russen auch dabei!) Es gilt, den Vereinigten Staaten von Ame­rika dankbar dafür zu sein, dass sie Österreich und Europa nach den Ver­heerungen des Zweiten Weltkriegs wieder auf die Beine gestellt haben, wirt­schaftlich auf die Beine gestellt haben. Es gilt, dankbar zu sein für Jahrzehnte des Schutzes der Vereinigten Staaten von Amerika für Europa, für Österreich. Dass wir alle hier in Frieden, in Freiheit aufwachsen und leben konnten, das ver­danken wir den Vereinigten Staaten von Amerika. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Scheinbar sitzen die Transatlantiker bei Ihnen in der letzten Reihe!)

Es gilt, auch zu sehen, dass es heute ein Land wie die Ukraine ist – sehr geehrter Herr Botschafter, Sie haben es gestern bei der Aussprache auch gesagt –, das unendlich dankbar dafür sein muss, dass es letztlich wieder die Vereinigten Staaten von Amerika sind, die die Ukraine vor dem Untergang bewahrt haben. Ohne die massive Unterstützung der Vereinigten Staaten wäre die Ukraine untergegangen, weil wir alle in Europa, inklusive Österreich, nichts dazu hätten beitragen können, dass sich die Ukraine so verteidigt, wie sie sich jetzt verteidigen kann.

Was ist das Fazit? – Mein Fazit für heute ist, dass wir realisieren müssen, dass wir in diesem Nationalrat eine sehr, sehr hohe Verantwortung haben. Wir hatten gestern – ich habe es schon erwähnt – eine zweistündige exzellente Aus­sprache aller Parteien mit dem Botschafter der Ukraine und mit Prof. Mangott zu der Situation. Es war eine sehr, sehr sachliche, tiefgründige Diskussion, und ich muss sagen, sie hat mich einigermaßen beunruhigt zurückgelassen. Ich glau­be, wir müssen realisieren, dass wir vor einer großen Herausforderung, vor einer großen Bedrohung der westlichen Welt stehen, und eigentlich gebietet dies, dass wir in dieser Situation alle zusammenstehen. Das gebietet nicht nur die Vernunft, sondern ich glaube, es ist die Verantwortung gegenüber die­sem Land, dieser Gesellschaft, auch den zukünftigen Generationen, dass wir die Herausforderung dieser Zeit erkennen und angesichts dieser unglaubli­chen Bedrohung, die uns da gegenübersteht, kein innenpolitisches Klein­geld wechseln. (Abg. Hafenecker: Dann haben Sie aber Ihre Rede falsch begonnen! – Abg. Kickl: Da wird ein Meinungsdiktat ausgerollt ...!)

Das heißt also, es geht nicht darum, ob der Bundeskanzler 10 Minuten vorher oder später etwas gesagt hat oder sozusagen welche Öllieferverträge wann abgeschlossen wurden; nein, wir haben in die Zukunft zu blicken und zu sehen, was da für eine gewaltige Herausforderung auf uns wartet, und bei aller Unterschiedlichkeit – ich meine, das muss schon auch einmal gesagt werden: natürlich gibt es zwischen der Sozialdemokratie, den NEOS, den Grünen und auch der ÖVP durchaus unterschiedliche Auffassungen (Abg. Belako­witsch: Das sind nur Schattierungen!) – zu erkennen – das ist das Wichtige –, dass es hier eine gemeinsame Herausforderung gibt.

Das Gleiche gilt auch auf globaler Ebene: Wir müssen erkennen, dass Europa mit dem engsten Verbündeten, nämlich den Vereinigten Staaten von Amerika, und unseren anderen Verbündeten der westlichen Welt – Israel, Australien, Ja­pan, Südkorea und so weiter –, dass wir gemeinsam dieser Herausforde­rung begegnen müssen und zusammenstehen müssen.

Um sozusagen mit einem Aufruf zu enden: Es lebe die Freiheit! Es lebe die Demokratie! Es lebe die Rechtsstaatlichkeit! Es lebe die westliche Welt mit ihren Werten! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.45

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.