15.03

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, diese Sitzung geht nun zu Ende, und am Endpunkt kann man zum Verlauf der Debatte eines wirklich sagen: Es war großteils wirklich peinlich, was hier vonseiten der FPÖ gekommen ist – aber nicht nur von der FPÖ, das möchte ich auch sagen. Ich finde es auch sehr peinlich, wenn der Herr Bundeskanzler 10 Minuten redet und nicht mit einem Wort darauf eingeht, was für ein Kriegsverbrecher Putin ist. (Abg. Schmuckenschlager: Das stimmt nicht! – Abg. Steinacker: Geh bitte! Zuhö­ren! Nur weil man es wiederholt, wird es nicht richtiger! – Abg. Kirchbaumer: Das stimmt nicht, das ist die Unwahrheit! Das ist eines NEOS nicht würdig!) – Regt euch nicht so auf! Regt euch nicht so auf! – Da muss ich Herrn Lopatka danken, weil er das wenigstens vonseiten der ÖVP sehr, sehr klargemacht hat. (Bei­fall bei den NEOS.)

Wir sehen, dass die Zeitenwende gekommen ist, der Herr Vizekanzler spricht sogar von einem „Zeitenbruch“. Dazu muss ich aber sagen, die Bundesregierung hat den nach wie vor nicht vollzogen. Und da helfen auch die kleinen Schrit­te, die wir jetzt in der sicherheitspolitischen Debatte sehen, nicht weiter, weil wir seit einem Jahr daran sind, zu diskutieren, dass wir eine neue Sicherheits­strategie brauchen. Seit einem Jahr diskutieren wir das mehrfach im Ausschuss, auf verschiedenen Ebenen. Und was passiert vonseiten der Bundesregie­rung? – Ein Jahr lang nichts! (Beifall bei den NEOS.)

Es ist zwar schön und gut, wenn der Herr Bundeskanzler jetzt sagt: Na ja, starten wir mit einer Diskussion!, aber es passiert nichts! Genau dasselbe ist es beim Gas. Auch wenn Sie jetzt versucht haben, Herr Vizekanzler, das hier mit ir­gendwelchen Statistiken geradezurichten: Wir sehen, dass wir nach wie vor nicht unabhängig vom russischen Gas sind und diese Regierung auch da nichts weitergebracht hat. Das ist insbesondere dann peinlich, wenn wir sagen, dass die Grünen in der Regierung sind, und das Thema erneuerbare Ener­gie noch immer nicht angekommen ist.

Aber kommen wir zum Thema Österreichische Sicherheitsstrategie. Ein Jahr lang hat die Bundesregierung gebraucht, darüber zu reden, da etwas zu ändern – ein Jahr lang, in dem nichts passiert ist. Da fragt man sich: Hat irgendjemand in dieser Bundesregierung oder im österreichischen Parlament von den Re­gierungsparteien die Sicherheitsstrategie gelesen? (Abg. Stögmüller: Ja! Ja!) Kollege Stögmüller schreit brav wie ein Schüler raus: Ja, ja, ja! – Ganz ehrlich, David: Warum habt ihr es im Ausschuss nie behandelt? Warum habt ihr es immer vertagt und gesagt, es ist nicht notwendig? (Abg. Stögmüller: Ich habe nie gesagt, es ist nicht notwendig!)

In dieser Sicherheitsanalyse steht drinnen: „die zielgerichtete Kooperation mit den USA und Russland, als strategischen Partnern der EU“. Dem haben wir ein Jahr zugeschaut. Wir haben ein Jahr zugeschaut, dass hier im selben Atemzug die USA und Russland als unsere strategischen Partner ge­nannt werden! Das ist doch lächerlich!

Schauen wir uns an, was weiter drinnen steht, und das ist eigentlich der Höhepunkt: „Fortentwicklung der Zusammenarbeit Österreichs und der EU – unter Bedachtnahme auf die europäischen Werte“ – „Bedachtnahme auf die europäischen Werte“, das, was Putin die ganze Zeit mit Füßen tritt – „[...] mit wesentlichen Partnern wie den USA, Russland und“ weiteren „Mächten“.

Das ist das Papier, auf dem die Arbeit der Bundesregierung im letzten Jahr weiter basiert hat und wo ewige Debatten geführt wurden, dass wir eigentlich keine Diskussion darüber brauchen, weil eh alles gut ist. Und das hat der Bundeskanzler heute auch wiederholt: Wir geben ja mehr Geld aus. – Das ist ja klassisch österreichische Bundesregierung: Wir lösen Probleme, indem wir Geld, mehr Geld ausgeben und das ohne Ziel und ohne Richtung verteilen. Das ist genau das Problem, das wir auch im österreichischen Bundesheer sehen: dass hier nicht nachhaltig investiert wird, nämlich nicht auf Basis einer Sicher­heitsstrategie, die die europäische Zusammenarbeit, die europäische Frei­heit schützen soll, sondern einfach so, wie es einem gerade einfällt. Das ist so, wie wenn man ein Glas Wasser zum Löschen eines Brandes verwendet, zum Löschen eines ganzen Hauses, das brennt. Da kommt nicht sehr viel raus. (Beifall bei den NEOS.)

Deswegen stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eine Sicherheitsstrategie für die Zeit nach der Wende“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, und insbesondere die Bundesministerin für Landes­verteidigung, wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen sechs Monaten eine neue Österreichische Sicherheitsstrategie vorzulegen.“

*****

Vielleicht an dieser Stelle gesagt: Ich finde es auch etwas befremdlich, dass wir bei so einer wichtigen Debatte die Frau Landesverteidigungsministerin nicht hier haben. Es geht um die Sicherheit unseres Landes und es geht insbesondere um die militärische Sicherheit in dem Zusammenhang.

Aber kommen wir noch ein bisschen zurück zur Historie, denn eine Sache war in dieser Debatte auch sehr klar: Es wurde immer davon geredet, vor einem Jahr ist der Aggressor – das haben manche nicht einmal klargemacht, das Thema Aggressor – einmarschiert und hat versucht, die Ukraine in einem Blitzkrieg zu zermürben, was ihm Gott sei Dank nicht gelungen ist. Aber was hier beiseite­geschoben wird, ist das, was davor schon war. Wir haben eine Sicherheits­strategie aus dem Jahr 2013. 2014 hat der Einmarsch auf die Krim, die Annexion der Krim stattgefunden. Seitdem tobt dieser Krieg de facto, seitdem schauen wir hier weg.

Was haben die österreichischen Regierungen beziehungsweise die Parla­mentarier gemacht? – Wir haben auf der einen Seite eine FPÖ, die mutig danach, 2016, glaube ich, war es, mit Einiges Russland – vielleicht ist das diese Einheitspartei, die ihr meint, nämlich FPÖ und Einiges Russland (Abg. Michael Hammer: Ja genau!), über die ihr ja heute schon den ganzen Tag redet –, mit einem Kriegstreiber, der er schon damals gewesen ist, weil Putin spätestens seit 2014 ein Kriegstreiber gewesen ist, einen Freundschaftsvertrag gemacht hat. Ihr habt euch mit Putin ins Bett gelegt (Abg. Hafenecker: Und der Haselsteiner ... gebaut!) – diese FPÖ, die überall in ganz Österreich groß plakatiert: Wir wollen eine Festung Österreich haben. Aber spätestens mit eu­rem Freundschaftsvertrag 2016 habt ihr den Schlüssel für diese Festung an Wladimir Putin verkauft und damit euch selber aufgegeben. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Die FPÖ hat auch groß darüber gesprochen, na ja, die ÖVP ist das Trojanische Pferd der Neutralität; das war, glaube ich, gestern oder vorgestern in den Medien. Die Neutralitätsdebatte möchte ich jetzt hier einmal ausklammern, aber man muss schon eines sagen: Putins Trojanisches Pferd sitzt in Österreich im Parlament, sitzt im österreichischen Parlament! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Herpferd!) Das ist die FPÖ! Das ist eine Schande für dieses Haus, wenn man sich mit Putin, einem Kriegstreiber, zusammen ins Bett legt, und das ist nicht zu akzeptieren.

Aber es ist nicht nur die FPÖ, die sich über die letzten Jahre seit 2014, seitdem Kriegsverbrechen unter Wladimir Putin stattfinden, mit ihm ins Bett gelegt hat, es ist auch die ÖVP, insbesondere der ehemalige Bundeskanzler Kurz, ganz vorne mit dabei.

Einen Vertrag mit einem Kriegstreiber abzuschließen, der im Krieg mit der Ukraine ist, der die Werte der Europäer, die Freiheit, die europäische Sicherheit mit Füßen tritt, einen Vertrag über Gas bis 2040 auszumachen, mit dem wir heute noch den Krieg von Putin finanzieren, ist schlichtweg inakzeptabel und ge­fährdet nachhaltig die europäische und die österreichische Sicherheit.

Über die SPÖ verliere ich jetzt keine weiteren Worte. Es wurde schon ange­sprochen: Auch dort wird nach wie vor der Boden in Russland geküsst, und auch dort gibt es leider keine klare Differenzierung. (Beifall bei den NEOS. – Zwi­schenruf des Abg. Lausch. – Abg. Hafenecker: Irgendwie kommts ihr nicht vom Fleck! – Abg. Lausch: Na, so einen Unsinn ...!)

15.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Eine Sicherheitsstrategie für die Zeit nach der Wende

eingebracht im Zuge der Debatte in der 200. Sitzung des Nationalrats über die Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein Jahr russischer Angriffskrieg in der Ukraine – Wie sichern Sie Österreichs Freiheit und Sicherheit von Putins Russland, Herr Bundes­kanzler?

Die Österreichische Sicherheitsstrategie: Sicherheit in einer neuen Dekade – Sicherheit gestalten wurde 2011 erarbeitet und 2013 beschlossen. Die Strategie basiert auf der Welt vor der ersten Zeitenwende, die Europa verschlafen hat: dem völkerrechtwidrigen Anschluss der Krim durch die Russische Föderation. Doch zumindest seit dem 24. Februar 2022 ist die Dekade endgültig vorbei, die Zeitenwende offiziell. Auch die österreichische Bundesregierung spricht regelmäßig davon, dass die Welt nicht mehr ist, wie sie vor dem russischen Angriff war.

Die Welt hat sich nachhaltig verändert, die Grundannahmen der ÖSS existieren nicht mehr. Russland ist kein verlässlicher Partner mehr, Konflikte in der Peripherie der EU haben immer deutlichere Auswirkungen innerhalb der Union, Chinas fried­licher Aufstieg wird immer aggressiver, und was als wirtschaftliche Verknüp­fungen gelobt wurde gilt heute als hochgefährliche Abhängigkeit. 

Von Brüssel bis Washington ist das Verständnis durchgedrungen, dass es eine völlig neue Sicherheitsarchitektur für Europa braucht. Österreich hat ein Rekordbudget für das Bundesheer geschnürt, um die Versäumnisse aus vergangenen Jahren auszugleichen und aufzuholen. Allein, es fehlt eine klare Vision, wofür dieses Geld am sinnvollsten ausgegeben werden soll.

Welche Armee brauchen wir im nächsten Jahrzehnt, in der Dekade nach der Zeitenwende? Das Ministerium spricht von Nachrüsten, dem Aufholen dessen, was in den Jahren von Sparbudgets ausgedünnt wurde. Aber macht es Sinn, Waffen­systeme nachzurüsten, die für eine andere Ära beschafft wurden? Welche Systeme helfen uns am besten in der Ära nach der Zeitenwende? Beteiligen wir uns an einer europäischen Verteidigung? Die Bedürfnisse dafür sind ohne Zweifel nicht die gleichen wie für eine eigenständige Verteidigung. Und macht eine eigenstän­dige Verteidigung in einer Zeit, in der wir von Freunden umgeben sind, den gleichen Sinn wie zur Zeit des Kalten Krieges?

Ohne Antworten auf diese Fragen sind zusätzliche Mittel verschwendet, ein weiterer Versuch der Regierung, das Fehlen eines Plans mit viel Geld zu überdecken.

Das Verteidigungsministerium wird nicht müde zu betonen, dass Österreichs Sicherheit nur mehr in der gemeinsamen europäischen Verteidigung gesichert werden kann. Die Ministerin fügt dann aber hinzu, dass eine Vielzahl der Projekte und Strategien in dieser europäischen Verteidigung mit der Neutralität nicht vereinbar sein. Dazu erklärte die Schweizer (!) Botschafterin im Rahmen der Vorstel­lung des Risikobilds 2023, dass die Debatte über die Ausgestaltung der Neutralität in Zeiten wie diesen notwendig und gesund sei.

Die Debatte existiert in Österreich. Sicherheitsexpert:innen aller politischen Couleurs stellen fest, dass Österreich seine Sicherheit neu denken muss, ein breites Bünd­nis von Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Militär und Wirtschaft verlangen einen er­gebnisoffene Debatte. Bundeskanzler Karl Nehammer jedoch erklärte die Debatte für beendet – noch ehe sie beginnen konnte.

Um sich in der neuen Dekade schützen zu können und die zusätzlichen Finanzmittel sinnvoll zu verwenden, braucht Österreich nicht umfrageabhängige Partei­doktrin oder nationale Sinnstiftung, sondern eine neue Sicherheitsstrategie. Nur aus einer solchen kann das BMLV eine vernünftige, unserer nationalen Sicherheit dienliche Beschaffungsstrategie für die nächste Dekade ableiten und die Mittel aus dem Verteidigungsbudget wirksam einsetzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, und insbesondere die Bundesministerin für Landesverteidi­gung, wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen sechs Monaten eine neue Österreichische Sicherheitsstrategie vorzulegen."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.