9.29

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Inflation ist aktuell wieder auf einen Rekordwert von 11,2 Prozent gestiegen. Was ma­chen Sie als Bundesregierung? – Sie streiten. (Ruf bei den Grünen: Oje!) Sie strei­ten wochenlang über eine längst überfällige Mietpreisbremse, die wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten seit mehr als einem Jahr für alle Mieterin­nen und Mieter fordern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Ein kritischer Diskurs ist nicht von vornherein ein Streit!)

Genau wegen dieser Uneinigkeit, wegen dieses Koalitionsstreites, ist die nächste Mieterhöhung mit 1. April für Hunderttausende Mieterinnen und Mieter fix (Abg. Hörl: Wer streitet? Die SPÖ! – Ruf bei der ÖVP: Was macht Wiener Wohnen? – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), mehr als 8 Prozent mehr Miete, zusätzlich zu all dem, was sonst in den letzten zwölf Monaten für die Menschen gestiegen ist. (Abg. Loacker: Es geht in der Aktuellen Stunde gerade nicht um die Miete!)

Sehr geehrte Bundesregierung (Abg. Leichtfried: Der Herr Oberlehrer ...!), Sie ver­wehren sich seit Monaten gegen jeden Vorschlag (Zwischenruf bei der FPÖ), gegen alle Vorschläge der Opposition, um die Preise, um die Inflation nachhaltig, nicht nur einmalig oder zweimalig, in den Griff zu bekommen. (Abg. Bela­kowitsch: Ich gehe davon aus, der Herr Bürgermeister wird das ...!)

Was Sie aber gemacht haben, ist, Milliarden an Steuergeld auszugeben – für Einmalzahlungen, Almosen, die allesamt die Preise in Österreich um keinen Cent gesenkt haben. (Abg. Steinacker: Milliarden sind keine Almosen! – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Wissen Sie, viele dieser Zahlungen in den letzten Monaten haben alle hier herin­nen bekommen – wir alle, alle 183 Abgeordneten, haben viele dieser Zahlun­gen und Boni selbst bekommen (Abg. Belakowitsch: Ja, ... ich hab’s auch ge­kriegt ...!), obwohl keiner und keine hier herinnen diese Unterstützung in Zeiten wie diesen so sehr braucht wie Tausende, Hunderttausende, Millionen von Menschen in Österreich. (Beifall der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Es sind Einmalzahlungen und Boni, die, wenn überhaupt, nur sehr kurz geholfen haben. Gerade jetzt – Klubobfrau Meinl-Reisinger hat es erwähnt –, wenn die Menschen ihre Strom- und Gasrechnungen bekommen, die sich verdreifacht, vervierfacht haben (Abg. Belakowitsch: ... Wien Energie ...!), wissen viele ein­fach nicht mehr, wie sie diese Rechnungen bezahlen sollen, wie sie die Miete be­zahlen sollen. Da helfen ihnen die Einmalzahlungen von vor ein paar Wochen und Monaten sicher auch nicht. All das ist das Ergebnis Ihrer verfehlten, gescheiterten Politik der Einmalzahlungen. All das ist das Ergebnis Ihres plan­losen Geldausgebens. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

So, und jetzt gibt es noch ein Problem, Herr Bundesminister: Nicht nur dass die Preise nicht sinken, nicht nur dass die Inflation in Österreich steigt, während sie in anderen Ländern gesunken ist – Sie haben damit auch einen enor­men Schuldenberg in Österreich aufgebaut. (Abg. Tanja Graf: Was hat das alles mit ...?) Schon jetzt wollen Sie das Geld und die Almosen, die Sie gerade falsch verteilt haben, den Menschen wieder wegnehmen. Just bei denen, die jetzt schon nicht wissen, wie sie sich das Leben leisten können, wollen Sie beginnen, Ihr Budget zu sanieren.

Sie sind offenbar der Erste, Herr Arbeitsminister, der vorgeschickt wurde, um Teilzeitkräften, vor allem Frauen, ernsthaft anzudrohen, ihnen Familien­leistungen zu streichen. (Abg. Haubner: So ein Schmarrn! Das stimmt ja nicht! – Abg. Ottenschläger: Wider besseres Wissen! – Abg. Wöginger: Das ist unse­riös! – Abg. Haubner: Wer hat Ihnen Ihre Rede geschrieben? – Abg. Wöginger: Was ist das für eine Rede? Ihr wärt die Ersten, die sagen würden, ...! – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist die bittere Wahrheit! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Gerade jene Gruppe, die ohnehin schon aufgrund der Teilzeitfalle durch nied­rigere Pensionen bestraft ist: Sie haben ernsthaft die Idee, dort mit Einsparungen anzufangen. Offenbar hat Sie nur eines abgehalten, Herr Bundesminister, nämlich die Wucht des Widerstandes – die hat Sie überrascht (Beifall bei der SPÖ) –, der Widerstand der Gewerkschaften in Österreich, der Widerstand der Opposition. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Ich sage Ihnen etwas, Herr Arbeitsminister, und das können Sie gerne dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und dem Rest der Bundesregierung ausrichten: Wenn Sie weiter ernsthaft die Idee haben, dass Sie für Ihre verfehlte Schul­denpolitik Frauen, Kinder und arbeitende Menschen in Österreich (Abg. Tanja Graf: An Peinlichkeit nicht zu überbieten!), von denen viele nicht wissen, wie sie sich das Leben jetzt leisten können, zur Kassa bitten (Zwischenruf des Abg. Hörl), dann sage ich Ihnen, dass das, was Sie jetzt an Widerstand erlebt ha­ben, ein kleines Lüfterl war gegen den Sturm, den Sie erleben werden, wenn Sie als Bundesregierung das wirklich machen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist poli­tisch falsch, das ist ohne Anstand, und es ist ohne jegliche Moral.

Was ich aber erwartet hätte, Herr Minister, ist, dass Sie brauchbare Vorschläge machen und den Frauen echte Chancen geben, von Teilzeit auf Vollzeit zu wechseln. Die meisten sind nämlich nicht freiwillig Teilzeitkräfte: Es fehlen die Möglichkeiten und Chancen. (Abg. Steinacker: Hinschauen, da gibt’s doch Zah­len!) Es braucht Zehntausende, Hunderttausende Kindergartenplätze, ganztägig, ganzjährig und kostenfrei ab dem ersten Lebensjahr. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht Ganztagsschulen in ganz Österreich. Das hilft den Kindern, das hilft den Frauen, das hilft der Gesellschaft, und das hilft der Wirtschaft gegen den Arbeitskräftemangel, Herr Wirtschaftsminister. Das hätte ich, hätten wir von Ihnen erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, überlegen Sie sich das nächste Mal gut, was Sie vorschla­gen! Wenn Sie schon den Menschen nicht helfen wollen, machen Sie ihnen das Leben nicht noch schwerer, als es schon ist! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Man merkt bei der ÖVP, wie wenig ...! – Abg. Wögin­ger: Das geht sich nicht mal fürs Parteipräsidium aus, die Rede!)

9.34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ange­rer. – Bitte.