10.18
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! „Grüne Energie und Technologie für einen modernen Industriestandort Europa“, das ist das Thema dieser Aktuellen Europastunde und es ist auch das Gebot der Stunde in Europa. Es geht dabei um weit mehr als um die wirtschaftliche Zukunft Europas, es geht auch um Fragen unserer Unabhängigkeit, unserer Sicherheit und unseres sozialen Zusammenhalts. In der grünen Transformation liegt der Schlüssel zu einer nachhaltigen und lebenswerten Zukunft für kommende Generationen.
Machen wir ein Experiment, blicken wir gemeinsam 20 Jahre voraus in eine mögliche Zukunft: Wir sind dann alle erheblich älter, es ist das Jahr 2043, Europas Wirtschaft ist gestärkt aus den Krisen der frühen 2020er-Jahre hervorgegangen, kann sich durch Innovation und umweltfreundliche Produktion international behaupten. Österreich hat dabei eine Vorreiterrolle eingenommen. Das große Ziel der Klimaneutralität bis 2040 wurde durch einen gemeinsamen Kraftakt vor drei Jahren erreicht, unseren Strom gewinnen wir bereits seit einem Jahrzehnt, seit über einem Jahrzehnt zu 100 Prozent aus Sonne, Wind und Wasser im eigenen Land. Das sichert unsere Versorgung mit sauberer und günstiger Energie.
Im Jahr 2043 ist die heimische Industrie hoch spezialisiert und bietet Zigtausenden Menschen sichere Jobs – auch da ist uns der Ausstieg aus fossilen Energieträgern gelungen –, heimisch produziertes Biogas und grüner Wasserstoff ersetzen klimaschädliches Erdgas und sorgen für eine saubere Luft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir alle können uns wohl darauf einigen, dass das eine Zukunft ist, die wir unseren Kindern und unseren Enkelkindern, die vielleicht bis dorthin geboren sind, wünschen. Die gute Nachricht lautet: Der Weg zu diesem Ziel liegt klar vor uns, wir haben ihn bereits eingeschlagen. Wir verfügen über die notwendigen Technologien für die grüne Transformation; unsere Aufgabe ist es, sie strategisch klug einzusetzen, weiterzuentwickeln und ihr großes Potenzial voll auszuschöpfen.
Kommen wir zurück ins Heute, ins Jahr 2023: An diesem Mittwoch ist deutlich, dass ein weiter und arbeitsreicher Weg vor uns liegt. Europa braucht nicht weniger als eine energiepolitische Kehrtwende: raus aus fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Energien. Damit das gelingt, muss uns allen klar sein: Die großen Herausforderungen von morgen sind ganz sicher nicht mehr mit den gescheiterten Lösungen von vorgestern zu meistern. (Beifall bei den Grünen.)
Wir müssen endgültig das alte Denken überwinden, dass Ökonomie und Ökologie sich nicht miteinander vertragen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Klimaschutz stärkt unsere Wirtschaft und macht sie krisenfest. Und nur mit der Umstellung der Industrie auf eine klimaneutrale Produktion stellen wir sicher, dass unsere Unternehmen auch in Zukunft eine Chance haben und konkurrenzfähig bleiben.
Spätestens seit Putins brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine und den massiven Auswirkungen auf die internationalen Energiemärkte ist der Traum vom billigen russischen Gas ein für alle Mal ausgeträumt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Viel mehr noch, auch wenn es manche hier herinnen nicht glauben wollen: Er hat sich als teurer Albtraum entpuppt, in wirtschaftlicher wie in sicherheitspolitischer Hinsicht. Auch auf lange Sicht führen fossile Energieträger uns immer weiter in die Sackgasse, egal, woher sie kommen.
Wir Grüne haben deshalb eine Transformationsoffensive für die heimische Industrie gestartet, mit der wir die Kehrtwende in Gang setzen. Rund 5,7 Milliarden Euro haben wir dafür langfristig im Budget verankert, an die 3 Milliarden Euro stehen beispielsweise bis 2030 für den Aufbau von klimafreundlichen Produktionsanlagen bereit; Öl und Gas werden dort endgültig abgelöst durch saubere Energieträger wie Ökostrom, grünen Wasserstoff und Biogas. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Hierfür hat die Bundesregierung bereits einen Fahrplan vorgelegt, mit dem Erneuerbare-Gase-Gesetz beispielsweise, das jetzt in Begutachtung ist. Bis 2030 wollen wir damit jedes Jahr 7,5 Terawattstunden sauberes Biogas erzeugen, das dann Schritt für Schritt klimaschädliches Erdgas ersetzt. Dieses Ziel ist durchaus sportlich, aber – die gute Nachricht – es ist durchaus realistisch. Es braucht nur den notwendigen Willen. Gemeinsam, mit einer Zweidrittelmehrheit, können wir diesen Schritt setzen.
Biogas ist ein wichtiger Baustein, den wir gezielt in der Industrie einsetzen können, wo es keine anderen Alternativen zu Gas gibt. Bei der Raumwärme gibt es mit Wärmepumpen oder Fernwärme effizientere Alternativen, auf sie müssen wir beim Ausstieg von Öl und Gas gezielt setzen. Mit Rekordförderungen konnten wir in den letzten Jahren das Tempo massiv erhöhen. Mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz können wir auch da den klaren Fahrplan zum endgültigen Ausstieg von Gasheizungen fixieren – mit dem notwendigen Willen und einer Zweidrittelmehrheit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Beim Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie haben wir die Trendwende eingeleitet. In drei Jahren mit grüner Regierungsbeteiligung ist mehr beim Ausbau der Sonnenenergie weitergegangen als unter allen anderen Regierungen in den Jahren davor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir haben im Rekordjahr 2022 neue Sonnenstromanlagen mit rund 1 300 Gigawatt an Leistung installiert, wir haben damit erstmals die wichtige Grenze von 1 000 Gigawatt überschritten. Aber auf diesem Erfolg können wir uns natürlich nicht ausruhen. Wir müssen jedes Jahr zum Rekordjahr machen, bis wir unser Ziel von 100 Prozent erneuerbarem Strom aus heimischer Produktion erreicht haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Deshalb haben wir die Rekordförderungen heuer noch einmal aufgestockt: Mindestens 600 Millionen Euro gibt es allein in diesem Jahr für neue Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Privathäusern und Firmengebäuden.
Wir müssen auch klar benennen, wo noch viel zu viel Potenzial verschenkt wird: beim Ausbau der Windkraft – und dafür braucht es selbstverständlich auch den Willen der Bundesländer. In zwei unserer Bundesländer findet demnächst eine Wahl statt, die in Kärnten schon nächstes Wochenende, und da ist klar: Auch Kärnten braucht die Windkraft, braucht den Wechsel zu erneuerbaren Energien. Wer ist Garant für Klimaschutz? (Abg. Hörl: Die ÖVP!) Wer ist Garant für keine Schwurbelei, die wir möglicherweise bei der gestrigen Spitzenkandidatenrunde gehört haben, bei der vom Landeshauptmann gemeint wurde: Na ja, wir brauchen keine fixe Zahl für Windräder, sondern wir machen halt irgendwas!? – Natürlich brauchen wir eine fixe Zahl! Olga Voglauer ist die Garantin dafür, dass der Klimaschutz in Kärnten in den Landtag einzieht, möglicherweise auch wieder in die Landesregierung, und auch dafür, dass Windräder auch in Kärnten gebaut werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger: Das wollt ihr von oben herab anordnen, das könnt ihr aber nicht!)
Heute bringen wir mit dem notwendigen gemeinsamen Willen im Rahmen dieses Plenums auch diese Projekte auf die Überholspur, nämlich mit einer Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, mit der unter anderem unnötige und langwierige Doppelprüfungen entfallen. Damit beschleunigen wir den Ausbau neuer Windkraftanlagen um bis zu drei Jahre und erarbeiten uns einen wertvollen Vorsprung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Denn: Jedes einzelne Windrad macht uns unabhängiger von teuren und schmutzigen Energieimporten, das ist uns allen klar.
Halten wir uns noch einmal kurz das Bild vom Jahr 2043 vor Augen, das ich vorhin versucht habe zu zeichnen: Wir sind alle alt, haben Kinder und Enkelkinder. Wir können dieses Ziel aus eigener Kraft erreichen, dafür müssen wir das alte Denken ablegen, das uns viel zu lange in die falsche Richtung geführt hat. Wer an einen vermeintlichen kurzfristigen Gewinn und nicht an die kommenden Generationen denkt, kann nur verlieren. Selbstverständlich kosten die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz viel Geld, aber noch viel, viel, viel, viel teurer ist es, wenn wir unser Klima nicht mit aller Kraft retten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wer jetzt nicht handelt, verursacht nicht wiedergutzumachende Schäden an unserer Umwelt auf Kosten der Lebensqualität unserer Kinder und Enkelkinder und letztlich auch auf Kosten der Wirtschaft in Europa. Wir Grüne wissen aus der Erfahrung der letzten Jahre: Der Weg in eine lebenswerte Zukunft ist nicht der Weg des geringsten Widerstandes, aber wir werden ihn beharrlich weitergehen und auch diese Widerstände überwinden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.27
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gewessler. Ich darf ihr das Wort erteilen; auch sie hat 10 Minuten Sollredezeit. – Bitte sehr.