17.25

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­hörer! Ja, ich glaube, wir sind uns einig, dass es keine Bevölkerungsgruppe gibt, die in den letzten drei Jahren so gelitten hat, nicht nur unter der Corona­krise, sondern auch unter den Maßnahmen der Bundesregierung, wie die Kinder und Jugendlichen in diesem Land. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wurde dieser durch das Volksbegehren Mental-Health-Jugendvolksbegeh­ren ausgiebig erbracht.

Das Projekt Gesund aus der Krise, das das Gesundheitsministerium aufgesetzt hat, ist ein kleiner erster Schritt, um die Schäden aufzuarbeiten und zu beseitigen, die in den letzten drei Jahren an der psychischen Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen entstanden sind. Wir Freiheitliche haben diesen ersten Schritt immer unterstützt, und ja – in diesem Punkt haben Bundesminister Rauch und auch eine meiner Vorrednerinnen recht –, dieses Projekt ist auch im europäischen Vergleich durchaus beispielhaft und absolut zu begrüßen. Es hat auch dazu geführt, dass Berufsgruppen wie die Psychologen und die Psychotherapeuten, die vorher in der Abstimmung der gemeinsamen Arbeit ihre Schwierigkeiten gehabt haben, nun besser zusammenarbeiten – und ja, es sind auch zusätzliche Mittel dafür geflossen. Man kann aber trotzdem nur eine Conclusio ziehen: Es ist zu wenig und es ist zu spät.

Herr Bundesminister, ich möchte das auch begründen: Wir haben bereits im Sommer 2021 die ersten Studien gehabt, die gezeigt haben, dass die An­zahl der psychischen Störungen und Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im ersten Jahr der Coronakrise bis zu 100 Prozent zugenommen hat – von der Donau-Universität Krems, aber auch von der Med-Uni Innsbruck hat es entsprechende Studien gegeben. Es hat von den psychologischen Einrich­tungen, vom Wagner-Jauregg in Linz, Warnrufe über eine massive Zunahme der Anzahl der Suizidversuche bei Kindern und Jugendlichen gegeben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als wir in die öffentliche Apotheke das offizielle Unterstützungsschreiben bekommen haben, wir mögen bei der Abgabe  von rezeptfreien Arzneimitteln aufpassen, weil im Internet Anleitungen kursieren, wie sich Jugendliche mit freiverkäuflich erhältlichen Arzneimit­teln umbringen können. – Das alles sind Warnrufe, die es schon im Sommer 2021 gegeben hat.

Ich habe in meinem Freundeskreis einen Familienvater, dessen Tochter durch die Schulschließungen, durch die soziale Isolation in die Magersucht abge­driftet ist. Monate hat es gedauert, bis er für seine Tochter einen Therapieplatz bekommen hat, weil alle maßlos überlastet waren. Das heißt, die Alarm­zeichen auch von den Fachgesellschaften waren schon längst da, und es hat bis Ende 2022 gedauert, bis es tatsächlich strukturierte, niederschwellige Hilfe für die Betroffenen gegeben hat.

Jetzt schreiben Sie in Ihrer Anfragebeantwortung, wie großartig das angenom­men worden ist – das war absehbar. Wir haben, als Sie das Programm auf­gesetzt haben, schon gesagt, dass Sie da die Mittel vermutlich um den Faktor zehn zu niedrig angesetzt haben. Sie waren über die sehr hohe Inanspruchnahme des Programms überrascht – man könnte sagen: ein großer Erfolg. Ich sage, es ist ein großer Hilferuf der Kinder und Jugendlichen, aber auch der betroffenen Eltern.

Sie haben das in Ihrer Anfragebeantwortung ja klar ausgeführt: Der vorgefun­dene Zustand bei den Kindern und Jugendlichen war viel schlimmer und ernster, als Sie das vermutet haben, die benötigte Therapieleistung viel umfang­reicher und intensiver als ursprünglich kalkuliert. Die erste Aufdoppelung des Budgets von 12 auf 20 Millionen Euro ist erneut nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie werden damit nicht einmal ansatzweise den notwen­digen Bedarf abdecken.

Sie haben erkannt und das auch in Ihrer Anfragebeantwortung geschrieben, dass auch die Eltern massiv von psychischen Problemen mitbetroffen sind – auch da fehlt die zusätzliche Hilfe. Und: Das Ziel war ja dann auch, besonders stark Betroffene in die sogenannte Regelversorgung, nämlich in die be­reits gesetzlich geregelte Kassenleistung, überzuführen. Da stellen Sie dann auch in Ihrer Anfragebeantwortung fest, dass diese Überführung in die Regelver­sorgung gar nicht möglich ist, dass dort keine freien Plätze sind.

Ja, Herr Bundesminister, auch das ist schon längst bekannt, und dass die Sozialversicherung die Anzahl der Versorgungsplätze in der Psychotherapie mit 1,23 Prozent der Versicherten deckelt, und das schon aus Zeiten vor der Coronapandemie, und diesen Deckel selbst in diesem katastrophalen Zustand, in dem wir uns jetzt befinden, noch immer aufrechterhält, das ist ja wohl eine Chuzpe sondergleichen. Warum Sie als Minister da nicht eingreifen und für eine Veränderung sorgen, ist mir unbegreiflich. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister Rauch, es gibt kaum ein Thema, bei dem Sie eine breitere politische Unterstützung haben als dabei, in der Vorsorge und Behandlung der Kinder und Jugendlichen dafür Sorge zu tragen, dass die psychi­sche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Österreich besser wird, dass wir da die Schäden der Vergangenheit gemeinsam korrigieren.

Nutzen Sie doch bitte dieses politische Mandat, diesen praktisch politischen Freibrief, den Sie von uns, vom gesamten Nationalrat, haben, und setzen Sie sich dafür ein, dass die eingesetzten Mittel einmal mindestens verdrei-, vervier­facht werden und dass da keine weiteren Ausreden vonseiten der Sozialversi­cherung akzeptiert werden und dass alle Menschen, die eine psychische Erkrankung haben, auch sofort eine Behandlung bekommen! An Therapeuten und Psychologen fehlt es sicherlich nicht, davon haben wir genug. (Präsi­dentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Es scheint offensichtlich an der politischen Willensbildung eher in der Bundesregierung als im Nationalrat zu scheitern. (Beifall bei der FPÖ.)

17.30

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.