18.14

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vorab möchte ich festhal­ten, dass ich mich grundsätzlich dafür ausspreche, dass Kinder in Bildungsein­richtungen unterrichtet werden sollten. Es geht in dieser Gesetzesvorlage vor allem um die Regelung des häuslichen Unterrichts.

Natürlich sollten Kinder aus vielen Gründen in Bildungseinrichtungen sein: wegen des ausgebildeten Fachpersonals, wegen des Erlernens sozialer Kompetenzen, wegen des Spracherwerbs und so weiter. Häuslicher Unterricht sollte wie gesagt die Ausnahme sein und auch bleiben, mit der Coronapan­demie haben die Anträge dafür aber zugenommen, und daher ist eine Anpassung und Verschärfung notwendig. Das begrüßen wir auch.

Was uns diese Tendenz jedoch ganz klar zeigt, ist, dass vieles in unserem Bildungssystem nicht mehr passt: dass es veraltet ist, dass es massive Baustellen hat und den Bedürfnissen einfach nicht mehr gerecht wird. Wäre das anders, hätten Eltern das Vertrauen in dieses Bildungssystem und die Lehrer wür­den nicht Alarm schlagen, wie man es heute wieder den Medien entnehmen kann. Die angestrebten Maßnahmen taugen einfach nicht.

Dass dieses System noch nicht gekippt ist, verdanken wir allein den Hunderttau­senden Pädagoginnen und Pädagogen, Schulleiterinnen und Schulleitern, die meist weit über das erforderliche Maß hinaus ausgleichend wirken. Würden sie Dienst nach Vorschrift machen, sähe die Welt ein wenig anders aus.

Seit Jahren wird an Minischrauben gedreht, weil Geld für anderes verbraucht wird. Wir sind weder in der Gegenwart angekommen noch zukunftsfit, Herr Minister, und ich frage Sie: Was hält Sie zurück, etwas dagegen zu tun? Sehen Sie die Notwendigkeit nicht, oder wollen Sie einfach nicht? Im Moment sind wir beim Verwalten eines wirklich schlechten Zustands.

Wir stimmen zwar den Änderungen für den häuslichen Unterricht zu, werden aber dem Abänderungsantrag und somit auch in dritter Lesung nicht zu­stimmen. Inhaltlich lehnen wir den gesamten Abänderungsantrag ab, denn ei­nerseits sind wir nicht für den Lehrberuf der Pflegeassistenz, und zum an­deren wird wieder einmal an den Mika-D-Tests herumgedoktert, anstatt diese pädagogisch wertlosen Deutschförderklassen mitsamt den Mika-D-Tests endlich abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Kein einziger Experte befürwortet diese Absonderung der Kinder, und sogar Ex-Minister Faßmann sagte damals, es wäre eine politische Entscheidung und bei Weitem keine wissenschaftliche. Auch die letzte Studie im Auftrag Ihres Mi­nisteriums, Herr Minister, stellt den Deutschförderklassen ein katastro­phales Zeugnis aus. Diese Studie wurde vor Veröffentlichung durch das Ministe­rium bereits geschönt, man kann sich also vorstellen, wie die Echtfassung aussieht. Niemand im ganzen Land ist der Meinung, weder in der Lehrer:innen­schaft noch in der Wissenschaft, dass eine Deutschförderklasse mitsamt den Mika-D-Tests eine gute Sache ist – bis auf die ÖVP und die FPÖ.

In diesem Zusammenhang haben beide Parteien in Niederösterreich gerade mit der Forderung den Bogen überspannt, Deutsch als Pausensprache in den Haus- und Schulordnungen festzulegen. Man muss schon sagen, dass die Ver­schlechterung der Deutschkenntnisse eins zu eins auch mit den Deutsch­förderklassen seit 2018 zusammenhängt. Das kann man nicht getrennt sehen. Das sture Festhalten an diesem schlechten System hat uns erst in diese Lage gebracht. Es gibt genug andere Möglichkeiten als Deutschförderklassen und Mika-D-Tests, doch aus politischen Gründen werden sie einfach nicht umgesetzt, und das geht auf Kosten der Kinder und auf Kosten der Leh­rerinnen und Lehrer.

Deutsch als verpflichtende Pausensprache ist diskriminierend, pädagogisch bedenklich und nutzlos. Unterrichtssprache ist Deutsch, keine Frage, es kann aber nicht sein, dass Kindern in der Pause ihre Sprache, ihre Mutter­sprache, verboten wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Küns­berg Sarre und Disoski. – Abg. Lindner: Kollegin Disoski, das war ein richtiges Mit­klatschen!) Das möchte ich mir ansehen, wie die FPÖ in einem anderen Land, wenn sie selber und ihre Kinder betroffen wären, dann agieren würde.

Dazu ist die Umsetzung unrealistisch. Sollen Lehrer als Sprachpolizisten fungieren? Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass es auf Gesetzesebene Mehrheiten dafür geben wird, deshalb bleibt Ihnen ja nur mehr die Ver­ankerung in den Schul- und Hausordnungen, und da ist auch eine große Frage, ob die Gremien in den Schulen diese rein politische Forderung wirklich unterstützen. Wenn die Bildungsdirektion Niederösterreich tatsächlich eine Empfehlung an die Schulen ausschickt, dann stellt auch sie sich ins rechte Eck, und das ist schwer bedenklich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.) Noch dazu ist es eine alte Forderung von Ihnen, zu der der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes vor Jahren schon einmal gemeint hat, dass diese Forderung gesetzlich gar nicht umsetzbar ist.

Johanna Mikl-Leitner hat in einer öffentlichen Ansprache gemeint, sie wolle Gräben schließen. Meine Damen und Herren, sie hat da wieder einmal mitgeholfen, einen neuen auszuheben.

Wir wollen in Österreich ein Bildungssystem, das qualitativ hochwertig ist, ausgebaut für alle Schülerinnen und Schüler, das ein Angebot für alle bereithält, egal wo ein Kind herkommt, wie viel Geld die Eltern haben, welche Sprache es spricht oder aus welchem Land es kommt. Solange Sie in der Regierung sind, werte Damen und Herren, geht es mit Österreich in diesem Bereich leider nur bergab. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

18.19

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.