18.19

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Tanzler! Selbstverständlich kann ich Ihrer Philippika gegen die Deutschförderklassen nicht ganz zustimmen. In Wirklichkeit haben die Deutschförderklassen schon einen guten und wesentlichen Anteil dazu geliefert, dass Deutsch in den Schulen besser un­terrichtet werden kann. Auch die Erklärung, dass es in der Evaluierung katastrophale Ergebnisse gegeben hätte, stimmt nicht. In Wirklichkeit ist es eine Art tatsächliche Berichtigung, die ich hier gebe.

Ich möchte aber auch auf den häuslichen Unterricht zu sprechen kommen. Sie, Frau Kollegin Tanzler, haben ganz zu Recht gesagt: Es könnte sein, dass dieser häusliche Unterricht auch deshalb zustande kommt, weil ein gewisses Misstrauen gegenüber den Schulen besteht.

Häuslicher Unterricht ist in unserem Grundgesetz ja vorgesehen und möglich. Es gab auch Erfolgsfälle für häuslichen Unterricht. Ich erinnere nur an Ludwig Wittgenstein. Eines der Ausschusslokale ist ja nach Wittgenstein be­nannt, der nebenbei gesagt dann später sogar Lehrer in einer Schule geworden ist, in einer Volksschule in den hintersten Gebieten Niederösterreichs. Die­ser Ludwig Wittgenstein hatte ja bis ungefähr zu seinem 15. Lebensjahr häusli­chen Unterricht. (Abg. Michael Hammer – erheitert –: Darum haben wir ihm einen Raum gewidmet in dem Haus! – Heiterkeit des Abg. Strasser.)

Ludwig Wittgenstein ist also als Philosoph mit diesem häuslichen Unterricht recht gut ausgebildet worden. Auf der anderen Seite hat ihm der häusli­che Unterricht vielleicht auch geschadet, was das Gesellschaftliche und die soziale Entwicklung betrifft. Als er dann endlich als 15-Jähriger in die Schule nach Linz gekommen ist, hat er seine Mitschüler mit Sie angesprochen und war ein Einzelgänger. Noch dazu ist er, der größte Sprachphilosoph des 20. Jahrhunderts, in der Schule in Deutsch durchgefallen.

Trotz alldem gibt es aber häuslichen Unterricht. Er kann erfolgreich sein, aber wir haben natürlich – da haben Sie ganz recht, Frau Kollegin Tanzler – die Ver­pflichtung, darauf zu achten, dass das Wohl der Kinder wirklich gewahrt bleibt und dem Wohl der Kinder alle Aufmerksamkeit geschenkt wird. Deshalb haben wir auch diese Verschärfungen durchgeführt, die wir jetzt hier be­schließen.

Das sollte aber nicht darin bestehen, dass wir sagen, wir wollen den häuslichen Unterricht unnötig erschweren, weil wir damit die Kinder in die Schule bringen, sondern wir sollten es so machen, dass wir sagen, die Schulen sollen so attraktiv werden, dass die Eltern gar nicht auf die Idee kommen, dass es einen häuslichen Unterricht gäbe. Wir sollten die Schule auf jeden Fall in der Weise attraktiv machen, dass man sagt: Ja, wir schicken die Kinder in die Schule! – Wir müssen – der Herr Bundesminister hat es einmal gesagt – bei der Schule gleichsam eine Erzählung machen, warum Schule so gut ist.

Es gibt eine Erzählung von der linken Reichshälfte, dass Schule viel besser wer­den könnte. Das ist seit Jahrzehnten, von Glöckel beginnend, die Idee der gemeinsamen Schule bis zum 14. Lebensjahr. Das ist also eine ewige, im­mer wiederkehrende Idee und eine Idee, die sich auf die Struktur von Schule richtet.

Ich darf Ihnen sagen, Sie können das bei Hopmann nachlesen – nebenbei gesagt, ein Experte, ein Wissenschaftler, weil Sie so auf Wissenschaft Wert legen (Abg. Kucharowits: Sie nicht, Herr Kollege?) –, der festgestellt hat: Ja, Gesamt­schule kann funktionieren. Ja, auch ein differenziertes Schulsystem kann funktionieren. Beides kann funktionieren.

Die Strukturfrage ist eigentlich nicht die Hauptfrage. Wenn wir uns auf die Strukturfrage konzentrieren, dann konzentrieren wir uns in Wirklichkeit auf ein Nebenthema. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das Hauptthema in der Schule ist vielmehr, dass gute Lehrkräfte in diesen Schulen unterrichten, ausgebildet nach einer neuen Idee, wie die Lehramtsausbildung sein soll, die wir jetzt entwi­ckeln werden. (Abg. Tanzler: Ja, dann müssen Sie etwas machen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auf die Lehrkräfte allein kommt es an und dass man diesen Lehrkräften – das wäre jetzt mein Vorschlag dafür, dass man den Schulen eine Erzählung gibt – die Möglichkeit und die Freiheit gibt, nach ihren Ausbildungen, so wie sie ausgebil­det sind, und nach ihrer Bildung, so wie sie als Persönlichkeit dastehen, zu unterrichten. (Abg. Künsberg Sarre: Ja, Autonomie, genau! Bravo! – Abg. Loacker: Ich glaube, die ÖVP sollte dringend einmal in die Regierung!)

Die Schule besteht im Wesentlichen aus zwei Punkten: aus dem Skelett, das dasteht und das wir brauchen, um eine gewisse Basis zu haben. Das muss geprüft werden, das muss da sein. Das wird also getestet, wenn Sie so wollen. Das ist aber wirklich nur der eine Teil und vielleicht sogar der geringere Teil. Er ist von diesem Baum, den die Schule darstellt, die Wurzel, die eigentlich gar nicht so interessiert.

Was bei diesem Baum noch interessant ist, ist dann das, was oben herauskommt und was dann über den Unterricht hinausgeht. Darum sollten die Lehrpläne schlank sein, damit die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen dann all das, was sie an den Hochschulen und an den Universitäten mit Begeisterung ge­lernt haben, den Kindern fachgerecht, altersgerecht und natürlich auch so, wie Sie glauben, dass es die Persönlichkeit wirklich bildet, beibringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kommt auf die Lehrkräfte an, und es kommt darauf an, dass man den Lehrkräften die Freiheit gibt, das zu machen. Ich will also die autonome Schule als Gegenentwurf zu anderen Schulstrukturen hinstellen, die einfach nur irgendwie festgelegt sind. Die freie Schule, die autonome Schule: Das wäre un­sere Erzählung. Für diese Erzählung sollten wir uns, glaube ich, einsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.25

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.