Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich war vor Kurzem mit Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger in Bukarest, ein sehr interessanter Besuch. Wir waren sowohl im Parlament bei fast allen Parteien, bei vielen Abgeordneten, als auch in drei Ministerien, haben Regierungsvertreter getroffen. Wie Sie wissen, ist die Enttäuschung über Österreich sehr groß, aber es ist mehr als die Enttäuschung darüber, dass die Rumänen nicht in den Schengenraum kommen, es ist die Enttäuschung darüber, wie wir sie als europäische Partner behandelt haben. Man hat das sehr genau verfolgt. Es gab ja dieses sogenannte Salzburgtreffen, bei dem es offensichtlich die Zusage gegeben hat, dass Rumänien in den Schengenraum kommt, was auch von einer Beamtin des Innenministeriums klar signalisiert wurde, die dann genauso überrascht war wie die Regierungsvertreter in Rumänien, dass dies nicht erfolgte.

Was wir natürlich auch gehört haben – und das wissen Sie auch –, ist, dass das der österreichischen Wirtschaft schadet. Wir sind der zweitgrößte Investor in Rumänien, wir haben sehr darum gebeten, dass es eben keinen Boykott gegen österreichische Unternehmen geben darf, aber verhindern werden wir es auch nicht können. Es gibt da schon Bewegung von einer rechtsextremen Partei, die das sehr stark betreibt und die auch antieuropäische Propaganda betreibt.

Meine konkrete Frage aber an Sie ist – weil ich weiß, dass das eben nicht sehr lange in der Regierung vorbesprochen wurde –: Wann sind Sie eigentlich darüber informiert worden, dass es dieses Veto Österreichs geben würde?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 255/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann genau wurden Sie in die Entscheidungsfindung zum Schengenveto eingebunden, und was war Ihre Position zur plötzlichen Umkehr der österreichischen Position für alle drei Beitrittstaaten Kroatien, Bulgarien und Rumänien?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Ich kann Ihnen ganz klar sagen: von Anfang an. Das ist ja nicht etwas, das über Nacht entstanden ist. Wir müssen uns nur daran erinnern, was für eine Situation wir letztes Jahr hatten: dass wir als Staat, der von Schengenstaaten oder Staaten mit Schengenassoziierungsabkommen umgeben ist – wir sind tatsächlich im Herzen dieses Kontinents, umgeben von EU- und Schengenstaaten – und pro Kopf die größte Asylantragsbelastung europaweit hatten. Das ist schon unglaublich: 109 000 Asylanträge.

Es war also notwendig, dass wir die Notbremse ziehen, dass wir hier einen klaren Weckruf richten – und er hat auch einiges bewirkt. Denken wir nur an den Aktionsplan der Kommission zur Westbalkanroute, denken wir nur an die Son­der­tagung der Staats- und Regierungschefs im Februar, denken wir nur daran, das jetzt zum allerersten Mal in der Kommission ein Umdenken stattge­funden hat und jetzt plötzlich substanzielle Geldmittel für den Grenzschutz zur Verfügung gestellt werden! Es ist so, dass Bulgarien und auch Rumänien – aber vor allem Bulgarien – sich bereit erklären, bei Pilotprojekten für Asylverfahren an den Außengrenzen der Europäischen Union, was wir seit 2015 fordern, mitzu­machen.

Das heißt also, es kommt etwas in Bewegung, nur leider Gottes ist es ein Bereich, wo offenbar immer nur die Staaten, die betroffen sind – jetzt ist es zum Beispiel gerade Italien, das ein Problem hat –, etwas tun und die meisten anderen Staaten schauen mit verschränkten Armen zu.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sie sprechen von der „Notbremse“, aber es war nur eine Teilnotbremse, denn bei Kroatien hat man gesagt, die dürfen herein, obwohl jeder gewusst hat, dass, wenn wir schon von dieser Form von irregulärer Migration reden, viel mehr über Kroatien kommen als über Rumänien – dort nur 1 Prozent.

Deswegen: Warum diese Teilnotbremse? Führen Sie jetzt Gespräche? Wovon gehen Sie aus: Wann wird Rumänien in den Schengenraum gelassen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Nur zur Richtigstellung: Das war eine Unterscheidung, die ganz klar auf sachlichen Gründen beruhte. Es gab nun einmal – denken wir an die österreichisch-slowenische Grenze! – dort kein nennenswertes Aufkommen. Es gab aber sehr wohl eines an der österreichisch-ungarischen Grenze. Und nein: Zu sagen, wir als Rumänien sind nicht Teil der Balkanroute, nur weil man nicht Teil des Balkans ist, ist meiner Meinung geografisch korrekt, aber nicht sehr sinnvoll, denn wir wissen aufgrund der Handydaten von interviewten Asylantragstellern oder auch von Schleppern, die verhaftet wurden, dass auch rumänisches Staatsgebiet betroffen war; und nicht nur von 1 Prozent.

Nur zur Richtigstellung: 75 000 dieser über 100 000 Anträge von Asylsuchenden wurden ja nirgendwo registriert. Das heißt, die gibt es auch in keiner Statistik von Frontex und Company, weil sie eben nicht registriert durch halb Europa marschiert sind.

Schengen ist also wie ein Haus, in dem man beschließt: Wir hängen alle unsere Wohnungstüren aus!, aber das geht nur, wenn wir davon ausgehen, dass die Haustür funktioniert. Wenn die Haustür nicht funktioniert, dann beginnen wir wieder, die Wohnungstüren einzuhängen. Was macht Deutschland? – Deutsch­land hat Grenzkontrollen zu Österreich, Österreich zur Slowakei, zu Slowenien, Frankreich zu Italien. Das heißt, in Wirklichkeit haben wir momentan ein dysfunktionales System im Schengenraum.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 6. Anfrage ist jene des Abgeordneten Engelberg. – Bitte.