9.46
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ja, es ist für mich erschütternd zu sehen, dass Sie bei einem so wichtigen Thema, das neben der Teuerung sicherlich eines der größten spürbaren Probleme für die österreichische Bevölkerung ist, nämlich die Krise im Gesundheitssystem mit Arzneimittelmangel, mit ewig Warten auf Behandlungs- und Untersuchungstermine oder auf Operationstermine, mit geschlossenen Abteilungen in Spitälern, das einzige Mitglied der Bundesregierung sind, das hier sitzt. Da ist kein Bundeskanzler da, da ist kein Gesundheitsminister da, da ist niemand da, der sich auskennt. Sie müssen hier die Stellung halten und in Monologen etwas erzählen, das weit an der Realität vorbeigeht. Das finde ich erschütternd. Da sieht man, wie die Regierung mit diesem Problem umgeht. (Beifall bei der FPÖ.)
Ja, es ist wahr, wir haben im niedergelassenen Bereich auch schon vor Corona Probleme gehabt, Kassenstellen zu besetzen – unser Gesundheitssystem, das Kassensystem war im niedergelassenen Bereich nicht attraktiv –, aber zumindest im Spitalssystem hat es vor Corona, vor dieser schwarz-grünen Bundesregierung noch ganz gut funktioniert. Das, was sich aber in den letzten dreieinhalb Jahren während der Coronakrise hier an Maßnahmen seitens der Bundesregierung auf der einen Seite und an Untätigkeit auf der anderen Seite abgespielt hat, hat die Situation zum Eskalieren gebracht, und wenn man sich die Situation jetzt anschaut, dann haben wir auf allen Ebenen Defizite, nicht nur im niedergelassenen Kassenbereich.
Im Pflegebereich sind 10 bis 15 Prozent der Betten gesperrt, in den Spitälern sind bundesweit 10 bis 15 Prozent der Betten gesperrt, in den Spitälern gibt es Hunderte offene Stellen, die nicht nachbesetzt werden können, die fähigsten Kräfte werfen das Handtuch und verschwinden in Wahlarztordinationen in die Privatwirtschaft, und das alles, Herr Vizekanzler, haben Sie und Ihre Regierung zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn sich nun die SPÖ hier herstellt, dann muss ich aber schon auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit stellen. Haben Sie die Nachrichten über das Wiener Gesundheitssystemen in den letzten Tagen und Wochen nicht gelesen? (Abg. Leichtfried: Jemand, der die Frau Hartinger-Klein für gut gehalten hat, braucht nicht ...! – Abg. Rendi-Wagner: Die Patientenmilliarde, Herr Kaniak, wo ist denn die? Wo ist die Patientenmilliarde? Wo ist die Patientenmilliarde?) – Es gibt ja kaum ein Wiener Spital, in dem in den letzten Monaten von der Belegschaft nicht Gefährdungsanzeigen herausgegeben worden sind, weil die Leistung nicht aufrechterhalten werden könne.
Krankenhaus Nord: Der Betrieb in der Notaufnahme ist nicht aufrechtzuerhalten, in der Neonatologie ist der Primar gegangen, und es ist niemand da, der das Ganze übernehmen möchte. (Abg. Rendi-Wagner: Wo ist die Patientenmilliarde? – Abg. Leichtfried: Ja, wo ist denn die? – Abg. Rendi-Wagner: Die hat die Frau Hartinger-Klein nach Haus genommen, oder?) – Die Patientenmilliarde, Frau Kollegin Rendi-Wagner, ist von der Sozialversicherung, die hat mit dem Spitalsbereich gar nichts zu tun. (Abg. Rendi-Wagner: Sie dürfen nicht über Glaubwürdigkeit reden!) Da sind Sie komplett mit einer Themenverfehlung unterwegs. (Beifall bei der FPÖ.)
Klinik Ottakring: Gefährdungsanzeige in der Notaufnahme betreffend Schließung. AKH-Wien, Urologie, Kardiologie: Gefährdungsanzeigen. – Das ist das Wiener Gesundheitssystem, Kollegin Rendi-Wagner! 800 geschlossene Betten im Krankenanstaltenverbund (Abg. Leichtfried: Danke, Frau Hartinger-Klein! – Abg. Rendi-Wagner: Hartinger-Klein!), 700 offene Stellen im Wiener Gesundheitsverbund.
Da ist es ja in der Steiermark fast noch schlimmer, auch dort gibt es unter schwarzer Obmannschaft (Abg. Leichtfried: Landesrätin heißt das, nicht Obmann!) 200 fehlende Ärzte und mehr als 500 fehlende Pfleger, und 16 Prozent der Betten sind gesperrt. Da geht es ja in Oberösterreich mit 10 Prozent geschlossener Betten und gerade einmal 360 offenen Stellen noch richtig gut zur Sache.
Fakt ist, Sie haben genau gar nichts gemacht, um die Situation da zu verbessern. Die paar Punkte, die Sie aufgezählt haben, die Pflegereform, das hat die Beschäftigten im Pflegebereich noch mehr frustriert, als wenn Sie nichts gemacht hätten, denn die versprochenen Prämien sind erstens nicht bei allen angekommen, die es sich erwartet hätten, zweitens sind sie gerade im Spitalsbereich nicht vollständig angekommen, weil Sie das so gemacht haben, dass sie von den Prämien noch Steuern und Sozialversicherung zahlen müssen – das hat die Belegschaft frustriert! –, und dann bauen Sie über Test- und Impfstraßen noch Parallelstrukturen auf, in denen Sie doppelt und dreimal so viel bezahlen, und wundern sich, dass die Beschäftigten nicht im Spital bleiben.
Sie haben diese Misere selber und aktiv ganz massiv verschlimmert. Es gab von der Opposition, durchaus auch von den Sozialdemokraten und von den NEOS, aber vor allem von uns Freiheitlichen, seit 2020 ganz konkrete Vorschläge und Forderungen im Gesundheitsausschuss, wie wir diese Probleme entschärfen können. Sie haben alles in Bausch und Bogen vertagt. Sie haben einen Antrag zur Stärkung der Versorgung im niedergelassenen Bereich seit Sommer 2020 bereits acht Mal vertagt. Sie haben alle anderen Anträge – egal ob es um die Arzneimittelversorgung gegangen ist, ob es um die Gesundheitsbehörden gegangen ist, ob es um die Pflege gegangen ist – in Bausch und Bogen vertagt.
Wir haben die Konzepte. Ich habe gestern auf einer Pressekonferenz einen Sechspunkteplan zur Beseitigung des Personalmangels im Gesundheitswesen vorgestellt, wonach wir als ersten Punkt einmal eine ehrliche Evaluierung des Personalbedarfs durchführen müssen – mit einer neuen Festlegung der Stellen über die regionalen Strukturpläne Gesundheit und über eine fixe Regelung des Personalschlüssels in den Spitälern. Als zweiten Punkt haben wir genannt, dass wir die Entbürokratisierung der Arbeit – das ist das, was die Beschäftigten belastet: diese ganze Bürokratie, aufgrund derer sie nicht mehr am Patienten arbeiten können – und eine Kompetenzaufwertung festlegen müssen. Es braucht die finanzielle Fairness über neue Gehaltsschemata, über die tatsächliche Ausbezahlung der Prämien, über das Auszahlen der Überstunden. In einem neuen Gehaltsschema müssen zum Beispiel auch Vordienstzeiten angerechnet werden, sonst werden Sie niemanden mehr finden, der neu im Spital arbeiten will.
Es braucht eine Weiterbeschäftigung von älteren Ärzten, die noch im System sind, damit sich die Lücke nicht noch mehr vergrößert, und gleichzeitig eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten, auch im fachärztlichen Bereich, in dem wir diese Quoten aufheben müssen, was während Corona teilweise ja schon geschehen ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (fortsetzend): Ja, sofort!
Dann braucht es auch Stipendienmodelle, um Studienabsolventen ins System hineinzubekommen. Wir müssen die Wahlärzte endlich integrieren und dieses Doppelbeschäftigungsverbot von Wahlärzten und Kassenärzten aufheben.
Wenn Sie das alles machen würden, was auf dem Tisch liegt, dann können Sie die Krise im österreichischen Gesundheitssystem lösen. (Abg. Kassegger: ... besser beieinander!) Wenn Sie weiter dahinschwurbeln, werden Sie gar nichts zusammenbringen. (Beifall bei der FPÖ.)
9.52
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.