15.01

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich habe heute im Lauf des Tages sehr viel Polemik bezüglich der Auslandsreisen unserer Regierungs­mitglieder gehört; und ich finde, es ist nicht immer angebracht, weil ich glaube, es ist wichtig, auch einmal hinauszukommen, den geistigen Horizont zu erweitern (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) und Beziehungen zu pflegen. Ich gebe allerdings zu, als mich die Bilder ereilt haben, die unseren Bundeskanzler beim Besuch einer Hundestaffel zeigen, habe ich mich gefragt, ob er derzeit wirklich die richtigen Prioritäten setzt. Das sage ich Ihnen schon auch bewusst an einem Tag, an dem wir schon in der Früh sehr intensiv über die riesigen Baustellen im Gesundheitsbereich diskutiert haben – was, finde ich, sehr wichtig ist. Eine der größten davon ist natürlich die grassierende Personalnot.

Wir haben letztlich auch eine Umfrage gemacht, da Personalnot und Arbeits­kräftemangel bisher immer als eine Angelegenheit oder ein Problem der Betriebe diskutiert wurden: Betriebe kriegen keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, tun sich schwer, dadurch müssen sie vielleicht auch Geschäfte ablehnen. Als wir da vor ein paar Monaten hineingestochen haben, wurde aber ersichtlich: Das ist nicht mehr nur für Unternehmerinnen und Unternehmer ein Thema. Die grassie­rende Personalnot – ich rede nun ganz bewusst nicht mehr von Fach­kräfte­mangel, weil das ein Arbeitskräftemangel in allen Bereichen ist – gefährdet mitt­lerweile massiv unseren Wohlstand und auch unser Wohlergehen in Öster­reich. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)

Das sind Geschichten wie zum Beispiel, dass ein Steuerberater in Kärnten seit einem Jahr Verstärkung für sein Team sucht und niemanden findet. Er hat bis heute keine einzige Bewerbung bekommen. Es gibt die Geschichte einer Bäckerei – ebenfalls in Kärnten –, die seit Jahren keine Bäckerin und keinen Bäcker findet. Inzwischen hat das Geschäft nur mehr vier Tage die Woche geöffnet, weil sie es nicht mehr länger offen halten können. Es gibt zahllose Geschichten aus diver­sen Branchen: Im Baugewerbe oder auch in anderen gewerblichen Bereichen können Aufträge nicht mehr angenommen werden, weil einfach Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter fehlen und das mit dem verbliebenen Personal ohne massive Überstunden nicht mehr geleistet werden kann. À propos Überstunden: Jede Arbeitnehmerin, jeder Arbeitnehmer merkt, dass man teilweise sogar die doppelte Arbeit machen muss, weil so viele Kolleginnen und Kollegen fehlen.

Ein Kassenarzt will bis Mitte Mai seine Ordination zusperren, weil er aktuell kein Personal findet. Ganz besonders schlimm ist – und das zeigt eben, dass es wirklich alle Bereiche betrifft – die Geschichte einer Frau, die uns geschrieben hat, dass bei ihrem Lebensgefährten Hautkrebs diagnostiziert wurde, und zwar im Gesicht, und er wirklich monatelang auf einen OP-Termin hat warten müssen. Das grassierte natürlich auch in der Zeit von Covid – als uns ja eine Fraktion eingeredet hat, Impfen ist total schwachsinnig und das sollen wir nicht tun –, damals waren die Intensivstationen überlastet, aber es liegt einfach auch an diesem massiven Personalmangel, an dieser überall herrschenden Personal­not. Sie können sich natürlich vorstellen, was mit diesem Krebs in der Zwischen­zeit passiert ist, wenn man Monate auf seine OP wartet. (Abg. Martin Graf: ... Ewiggestrige!)

Dieses Thema ist in Österreich so relevant wie in kaum einem anderen europäischen Land. 5 Prozent aller Stellen in Österreich – und das ist natürlich immer nur der offizielle Teil, die Spitze des Eisbergs – sind unbesetzt. Das sind doppelt so viele wie im EU-Durchschnitt, da sind es nämlich 2,6 Prozent aller Stellen. In absoluten Zahlen sind das derzeit 200 000 Stellen in Österreich, die nicht besetzt werden können. Die Zahl nähert sich ja mittlerweile an jene der Arbeitslosen an, von der wir aber wissen, dass es immer mehr Langzeitarbeits­lose werden. Es gibt Berechnungen und Erhebungen, wonach sich dieses Problem bis 2040 noch massiv verschärfen wird und wir dann von einer Perso­nalnot in einem Ausmaß von ungefähr 360 000 Menschen, die uns in allen Bereichen fehlen werden, reden können.

Ich sage Ihnen das auch als Mutter. Ich merke das tagtäglich daran, dass im Unterricht einfach auch nicht mehr suppliert wird, weil mittlerweile der Direktor selbst im Sekretariat steht und das Telefon abhebt, weil die Menschen an allen Ecken und Enden fehlen. (Ruf bei der SPÖ: Passt!)

Ich glaube, wenn wir so weitermachen, können wir bald zusperren. Das ist vielleicht auch einer Fraktion – der FPÖ – sehr recht, weil die ja alles zusperren und einsperren und am liebsten Mauern und Zäune (Abg. Kaniak: Wer hat in den letzten Jahren alles zugesperrt und eingesperrt? Da waren wir nicht dabei!) und Schutzwälle rund um Österreich bauen will, die Festung Österreich, dass wirklich absolut niemand mehr hineinkommt. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Sehen Sie, das ist halt das Problem, wenn 360 000 Stellen offen sind und Arbeitskräfte fehlen: Sie ruinieren damit den Wohlstand, den Wirtschafts­stand­ort und auch unser Wohlergehen in Österreich. (Abg. Wurm: Das machts schon ihr mit Corona und Sanktionen und eurer komischen Klimapolitik!) Wenn es so weiter­geht, wenn Sie irgendwann einmal wieder etwas zu sagen haben werden, dann wird das Einzige, das uns wärmt, vielleicht die Flagge sein, in die sich dann jeder wickeln kann, und das ist wohl definitiv keine gute Zukunft. (Beifall bei den NEOS.)

Die Bundesregierung ist aber diesbezüglich nicht viel besser. Herr Bundesminister, Sie wissen, ich schätze Sie, aber der Wirtschaftsminister und der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, beide ÖVP – und die Wirtschaftskammer Österreich erweckt in letzter Zeit ein wenig den Eindruck, als würde sie nicht die Interessen der österreichischen Wirtschaft vertreten, sondern die Interessen der ÖVP –, stellen sich da hin - - (Ruf bei der ÖVP: Ist eh alles das Gleiche!) – Was heißt, das ist das Gleiche?! Entschuldigen Sie, was ist das für eine Überheblich­keit?! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Wurm.) Haben Sie das gehört? Die Interessen der österreichischen Wirtschaft und der Betriebe und die der ÖVP sind also das Gleiche?! (Abg. Wurm: ... sozial ...!) Sie sind mittlerweile so derartig abgehoben, das geht ja nicht mehr! Das erzählen Sie bitte den Betrie­ben, die Sie nicht mehr vertreten, von denen Sie aber Zwangsbeiträge einheben.

Nun jedenfalls zu dieser Pressekonferenz: Sie haben sich hingestellt und – ich finde das ja gut – Sie haben ein Memorandum of Understanding gemacht, also eine Absichtserklärung, und in diesem Memorandum of Understanding sind Sie gemeinsam mit dem Präsidenten der Wirtschaftskammer übereingekommen, dass wir mit der Personalnot in Österreich ein Problem haben. (Abg. Wurm: ... beharrt noch drauf!) Das finde ich hervorragend, aber ich finde, es ist ein bissel wenig. Es tut mir wirklich leid, das ist in so einer Zeit, in der es wirklich an allen Ecken und Enden brennt, definitiv zu wenig. Die Menschen haben es verdient, echte Lösungen zu bekommen und nicht nur leere Worte. (Beifall bei den NEOS.) Es ist nämlich Ihre Aufgabe, das Leben der Menschen zu verbessern, auf den Wirtschaftsstandort, die Wettbewerbsfähigkeit und unser aller Wohlstand – und damit auch die Sicherung der Sozialsysteme – zu schauen.

Wenn man aber als Angehöriger selbst pflegen muss, weil keine Pflegerin mehr kommt – vielleicht keine rumänische Pflegerin, weil Österreich beim Schengen­veto ja offensichtlich hart bleibt –, dann machen Sie einfach Ihren Job nicht. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Viel schlimmer noch, Sie verschlimmern die Situation. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) – Ich habe Schengen schon angesprochen und komme vielleicht noch einmal darauf zu sprechen.

Ein Beispiel vor Kurzem in Oberösterreich, in Haslach: Ich verstehe das schon, man muss ja beim Thema Migration und Asyl irgendwie Härte zeigen. Ich möchte polemisch anmerken, dass es schon ein bissel bemerkenswert ist, dass Sie straffällig gewordene syrische oder afghanische Asylwerber nicht abschieben, aber in Haslach hart durchgegriffen und eine indische Mutter mit zwei Kindern abgeschoben haben. Die Mutter ist Köchin, also in einem Mangelberuf tätig. (Abg. Amesbauer: Sie verwechseln den Arbeitsmarkt mit dem Asylsystem!) Das Wirtshaus muss nun wahrscheinlich zusperren. Die Tochter war in der Ausbil­dung zur Krankenpflegerin und der Sohn war auch in Ausbildung. Sie waren sehr gut integriert, und alle – auch die Gemeinde und die Betriebe – haben sich wirklich bemüht, dass sie dableiben können.

Ist das – abgesehen davon, dass es aus humanistischer Perspektive nicht in Ordnung ist – aus wirtschaftspolitischer Sicht wirklich der Weisheit letzter Schluss, dass man die, die wir erwischen, weil sie einen Job haben, dem sie nachgehen, und einen Beitrag, ihre Leistung für Österreich und unsere Gesell­schaft zeigen, abschiebt, während man sozusagen gleichzeitig zuschaut, wie dieses Wirtshaus zusperrt? – Das glaube ich nicht. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe es schon gesagt: Schengen. Unsere europäischen Nachbarn Rumänien, Bulgarien, auch Kroatien, sind Länder in unserer Europäischen Union, aus denen viele Tausende Menschen gerne nach Österreich kommen und arbeiten. Viele Tausende rumänische Pflegerinnen beispielsweise kommen nach Österreich, pflegen unsere Väter, pflegen unsere Mütter. Sie haben es sich schon gefallen lassen müssen, dass Sie die Familienbeihilfe indexiert haben, damit sie weniger Familienbeihilfe für ihre Kinder bekommen, was ohnehin verfassungs- und EU-rechtswidrig war, und jetzt stellen Sie sich hin, obwohl die alle Kriterien erfüllen, und anstatt dafür Sorge zu tragen, dass es einen ordentlichen Außen­grenz­schutz gibt, sagen Sie: Na, Schengen, da legen wir jetzt ein Veto ein!, und stoßen damit alle diese Tausenden Menschen, die nach Österreich kom­men und arbeiten, komplett vor den Kopf. Sie erklären auch den Menschen in Österreich nicht, woher denn in der Zukunft die Pflegerinnen kommen sollen, die unsere Mütter und Väter pflegen sollen. Wie passt das zusammen? (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt natürlich die Möglichkeit der qualifizierten Zuwanderung aus Drittstaaten mit der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte. Sie wissen, wir haben alle Reformen begrüßt, damit das endlich unbürokratischer wird, aber ich glaube, wir sind noch wirklich weit davon entfernt, dass man diese Rot-Weiß-Rot-Karte als unbüro­kra­tisch bezeichnen kann. (Abg. Belakowitsch: Traurig!)

Ich habe mir das angeschaut: Im letzten Jahr sind 2 900 Erstanträge bewilligt worden, davon waren 1 400 Anträge in Mangelberufen. Wenn wir gleichzeitig 200 000 Stellen offen haben, dann ist das, finde ich, ein bisschen ein Miss­verhäl­tnis. (Abg. Belakowitsch: Gut, dass Sie jetzt in Salzburg aus dem Landtag geflogen sind!) Dann haben Sie eine Schiene für Start-ups aufgemacht – Start-ups haben ja auch ein Thema, die brauchen Know-how und suchen im technischen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich weltweit auch wirklich die besten Köpfe, man versucht sich da ja auch zu positionieren –, und wissen Sie (sich zur Regierungs­bank wendend), wie viele Menschen letztes Jahr über die Start-up-Schiene dieses Bürokratiemonsters Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich gekommen sind? – Zwei! Zwei ganze Menschen! Das ist ein wirtschaftspolitisches Versagen auf ganzer Linie. (Beifall bei den NEOS.)

Ja, ich sehe es, die Anträge steigen, heuer sind es bis jetzt 1 856 Menschen gewesen, die mit der Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich gekommen sind. Das wird, ehrlich gesagt, dieses Kraut auch nicht fett machen, und das wissen Sie. Es ist maximal ein Tropfen auf den heißen Stein.

So – davon bin ich überzeugt – sandeln wir in der Wettbewerbsfähigkeit ab, was den Wirtschaftsstandort angeht, aber auch im Gesundheitssystem, im Bildungs­system, in den Kindergärten, wo die Kindergartenpädagoginnen fehlen. Daher wäre es hoch an der Zeit, diesem Thema die nötige Priorität einzuräumen, die es haben muss. Ich bringe Ihnen heute vier Punkte ganz konkret als Vorschläge, die umgesetzt werden müssten.

Erstens: Sie haben ja schon davon gesprochen, es ist ein Problem, dass zu viele Menschen in Österreich Teilzeit arbeiten. – Ja, stimmt, vor allem Frauen arbeiten Teilzeit. Bevor Sie sich aber die Frage stellen, wie man die bestrafen kann, stellen Sie sich doch einmal die Frage, warum in Österreich so viele Menschen Teilzeit arbeiten, bei einer Steuerbelastung – und es ist gerade wieder die Zahl von der OECD herausgekommen – auf Löhne und Einkommen von 47 Prozent! Also wo ist da der Anreiz, wenn ich von 100 Euro (einen grünen Geldschein in die Höhe haltend), die ich verdiene – keine Sorge, das ist kein echter! (den Schein in zwei Hälften reißend) –, fast die Hälfte dem Finanzminister übergeben muss und dann vielleicht auch noch privat dafür Sorge tragen muss, dass ich Kinderbetreuung organisiere? (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Also die Steuern auf Löhne und Einkommen müssen hinunter, damit sich Leistung und Mehrarbeit auch wirklich auszahlt. (Beifall bei den NEOS.)

Zweites Thema – und ich habe die Frauen schon angesprochen –: Jede und jeder, jede Familie soll bitte selbst entscheiden, wie sie das mit den Kindern macht, aber Sie können doch nicht ernsthaft in Österreich von Wahlfreiheit sprechen, wenn viele Frauen in Österreich gar nicht die Chance haben, arbeiten oder mehr arbeiten zu gehen, weil es simpel die Kinderbetreuungsplätze nicht gibt. Ich weiß, es wird etwas gemacht, aber nicht mit der nötigen Leidenschaft und nicht mit der nötigen Tatkraft.

Ich sage Ihnen etwas: Es liegt auch an einem sehr verzopften, konservativen Familienbild, das insbesondere die ÖVP hat. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Sieber.) Ich habe da eine Runde mit Müttern aus Salzburg und Oberösterreich gehabt, und da hat mir eine Mutter aus Oberösterreich, die in einem Betrieb arbeitet – ein bekannter Betrieb, ich nenne ihn jetzt nicht –, erzählt, sie hat zwei Kinder, sie würde gerne ihre Stunden aufstocken, braucht damit aber eine Kinderbetreuung, einen Kindergarten, der auch am Nachmittag offen hat. Sie ist zum Bürgermeister gegangen, weil der Kindergarten in der Gemeinde nicht länger offen hat, und hat gesagt: Ich brauche das, ich möchte gerne mehr arbeiten. – Wissen Sie, was sie vom – natürlich! – ÖVP-Bürger­meister gehört hat? – Bei uns in der Gemeinde brauchen wir das nicht, wir haben funktionierende Familien.

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, also wenn das Ihr Familienbild ist und damit letztlich auch die Wirtschaftspolitik, die Sie im Jahr 2023 verkörpern, dann sehe ich wirklich schwarz für die Zukunft unseres Landes und für die Freiheit gerade auch der Frauen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dritter Punkt – ich habe es schon angesprochen –: ein modernes Einwande­rungs­gesetz. Gerade für qualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer ist Österreich nicht mehr attraktiv. (Abg. Wurm: Aha, jetzt heißt es qualifiziert!) Es ist hoch bürokratisch, aber es sind nicht allein die Bürokratie und die Dauer der Verfahren, es ist auch zunehmend diese fremdenfeindliche Stimmung. Es gibt da auch eine Untersuchung – man kann ja auf Daten zurückgreifen, man muss ja nicht alles glauben, man kann ja auch in die Daten schauen – und da wird gefragt – wir reden da jetzt wirklich von den hoch qualifizierten Menschen, also Forscher, Wissenschaftler, Techniker, Akademikerinnen –, wie attraktiv ein Zielland für diese Menschen ist. Wissen Sie, wo wir da mittlerweile stehen? – (Abg. Matznetter: An vorletzter Stelle!) Hinter Ungarn, an quasi vorletzter Stelle hinter Ungarn. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das heißt, die Menschen gehen nach Schweden, nach Kanada, nach Norwegen, nach Australien, in die USA, denn wir reden da von Menschen, die es sich aussuchen können. Das sind genau die, die wir für eine gute Zukunft brauchen, und dann sagen wir: Wir wollen euch nicht, wir brauchen euch nicht. – Wir schaffen hier lieber eine Atmosphäre, dass niemand kommen will. Das ist doch bitte haarsträubend! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch dazu erzähle ich Ihnen eine Geschichte: Mich hat letztens, als ich am Flug­hafen war, ein Mann angesprochen, Qilong sein Name, chinesischer – wahr­scheinlich noch – Staatsbürger, der hier in Wien an der Uni studiert hat, Maschi­nen­bau – oder weiß ich nicht, irgendwas mit Kfz (Heiterkeit der Rednerin) –, und er hat hier an der Uni seine Frau kennengelernt, die Polin ist. Sie leben beide in Wien, sie leben an sich gerne in Wien, sie finden es schön hier, sie haben beide einen Job, sie allerdings nicht in Wien, sondern in Bratislava, weil es in Öster­reich tatsächlich selbst bei internationalen oder international tätigen Unterneh­men noch immer unüblich ist – sie ist in der Versicherungsbranche –, dass Englisch quasi die Sprache im Unternehmen ist, deshalb pendelt sie nach Bratis­lava. Er arbeitet aber in Österreich und er hat mir gesagt, er habe zwei Jahre gebraucht, bis er endlich alles durch hatte, dass er hier seine Aufenthaltsberech­tigung hat. Er kann nirgendwo mitreden, er zahlt jede Menge Steuern hier und er hat mir auch gesagt, wenn das mit der Politik in Österreich so weitergehe und die sich so weiterentwickle, dann seien er und seine Frau in fünf Jahren nicht mehr da, weil sie keine Lust auf das haben. Dann gehen sie woandershin. Das ist natürlich ein Ergebnis von fremdenfeindlicher Politik, mit der man sagt: Wir wollen euch nicht. – Das ist kurzsichtig und vor allem wirtschaftspolitisch ein­fach dumm. (Beifall bei den NEOS.)

Last, but not least das Thema Lehre: Selbstverständlich müssen wir schauen, dass wir gerade bei der Bildung insgesamt, aber auch bei der Ausbildung unserer eigenen jungen Menschen Meter machen und die Lehre wirklich aufwerten, wirklich unterstützen, denn zwei Drittel aller Mangelberufe waren im letzten Jahr Lehrberufe. Das heißt, da ist enorm viel zu tun, um dieses an sich Erfolgs­konzept mit Mut zur Veränderung und Mut zu Reformen in die Zukunft zu bringen.

Die Ausbildungsordnung ist aber gefühlt aus einem ganz fernen Jahrhundert, das – und übrigens auch die Kosten dafür – macht es Betrieben nämlich wirklich schwer, Lehrstellen überhaupt anzubieten. Es braucht natürlich neue Über­legungen, wie einen Lehrlingsbonus für KMUs, eine Förderung für alle Betriebe mit bis zu fünf Lehrlingen, und wir brauchen heutzutage natürlich auch die Flexibilität, gerade auch in der Ausbildung, dass man mit der Zusammenlegung von Polytechnischer Schule, Berufsschule und Berufsreifeprüfung letztlich eine duale Oberstufe schafft, um diese Flexibilität auch in der Bildung und Aus­bildung zu ermöglichen.

Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, das ist ein wirklich drängendes Problem, das schon lange nicht mehr ein Problem der Unternehmerinnen und Unter­nehmer ist. Die Personalnot gefährdet unseren Wohlstand und gefährdet dann letztlich auch unsere Zukunft und die Zukunft unseres Sozialstaats.

Ja, Hundestaffeln sind toll, und ein Memorandum of Understanding ist auch super. Sie müssen aber diesem Thema eine andere Priorität einräumen und auch bei dieser Politik der Fremdenfeindlichkeit und des Nichtlösens umkehren – im Sinne der Menschen und der Wirtschaft in Österreich. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

15.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. – Bitte.