16.10

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Werte Zuseherinnen und Zuseher, ich finde es sehr spannend, dass wir eine Debatte erleben, in der wir NEOS ganz konkrete Vorschläge vorlegen – wir erkennen an, dass es diesen Arbeitskräftemangel gibt, wir beschreiben, dass dieser weit über den privat­wirtschaftlichen Sektor hinausgegangen ist, dass er in den Gesundheitsbereich hineingeht, dass er in den Bildungsbereich hineingeht, wir beschreiben auch, welche Herausforderungen es gibt –, und die ÖVP kommt heraus und sagt: Die ÖVP ist Wirtschaft!, und mehr hat Mike Hammer, glaube ich, nicht gesagt. Die FPÖ hat gleich nicht einmal den Wirtschaftssprecher herausgeschickt, und die Grünen arbeiten sich an dem ab, dass wir steuerliche Vergünstigungen wollen.

Was wir aber durch diese Debatte erreichen wollten, war eine inhaltliche Debatte, wie wir ein Problem lösen können, das die Menschen in diesem Land wirklich belastet, und dazu haben Sie in der Debatte keinen Beitrag geleistet – gar keinen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte aber schon inhaltlich auf die Punkte eingehen, weil sie wichtig sind. Das eine ist: Kollege Schwarz von den Grünen hat gesagt, dass wir uns um die Besserverdiener kümmern. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass generell Einkommen weniger stark besteuert werden soll, aber die Vorschläge, die wir machen, zielen einer­seits auf eine flächendeckende Kinderbetreuung ab, die kostengünstig oder kostenlos ist, die attraktiv ist, damit Menschen in die Vollzeittätigkeit kommen (Zwischenruf des Abg. Schwarz), und andererseits darauf, dass gleichzeitig ein Vollzeitbonus dazu führt, dass Männer und Frauen mehr von ihrer Vollzeittätig­keit haben.

Gerade wenn man ein geringes Einkommen hat, sind 100 Euro im Monat wesentlich mehr als für einen Bezieher eines höheren Einkommens. Gerade wenn man ein geringeres Einkommen hat, tatsächlich Überstunden leistet und die dann steuerfrei ausbezahlt bekommt, ist es wesentlich mehr, als wenn jemand in einer Managementtätigkeit ist und ohnehin eine All-in-Position hat, bei der das überhaupt kein Thema ist. (Beifall bei den NEOS.)

Unsere Vorschläge zielen genau darauf ab, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Es ist für die Unternehmerinnen und Unternehmer nicht das oberste Ziel, dass sie weniger zahlen, sondern dass mehr Geld tatsächlich bei den Mitar­bei­terinnen und Mitarbeitern ankommt. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Das passiert nicht, weil sich – das hat Kollege Loacker sehr schön ausgeführt – die Verwaltung aufbläht und weiter dafür sorgt, dass die Lohnnebenkosten, aber nicht die Nettogehälter bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steigen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte Ihnen auch noch etwas sagen, weil es um die Praxis geht, weil wir anscheinend die letzte Fraktion sind, mit der noch Unternehmerinnen und Unternehmer ins Gespräch kommen: Alleine in dieser Woche hatte ich knapp 15 Gespräche mit Betroffenen, die sich mit dem Thema Arbeitskräftemangel auseinandergesetzt haben. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Nur drei konkrete, damit man es sich vielleicht auch ein bisschen vorstellen kann: In der Gastronomie haben wir einen Unternehmer getroffen, der tatsächlich durch die Pandemie und die Lockdowns viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abbauen musste. Die sind später aus Ost- und Südosteuropa nicht zurück­gekommen. Warum sind sie nicht zurückgekommen? – Nicht, weil sie nicht wieder ins Ausland gegangen sind, sondern weil sie nicht zurück nach Österreich gekommen sind! Das ist ganz wesentlich. Die schauen sich an: Was verdiene ich im Monat netto? – Die zahlen jetzt nicht auf Jahrzehnte in ein Sozialsystem ein, weil die auch nicht vorhaben, bei uns in Pension zu gehen. Die wollen jetzt Geld verdienen. Mit hohen Lohnnebenkosten kommen niedrige Nettoeinkommen heraus, und da gibt es keinen Anreiz, vom Ausland nach Österreich zu kommen. Das ist einer der Gründe, warum wir Lohnnebenkosten auch senken wollen. (Beifall bei den NEOS.)

Ein anderer hat ein IT-Start-up mit Menschen aus Drittstaaten, also Menschen, die nicht aus der Europäischen Union kommen, die bei uns ein Studierenden­visum haben, die bis zu 20 Wochenstunden arbeiten dürfen; mehr dürfen sie nicht. Wenn die einmal Überstunden machen und diese einfach in den nächsten Monat übertragen wollen, wird es schon wahnsinnig kompliziert. Das Thema ist, dass man tatsächlich Programmiererinnen und Programmierer aus der ganzen Welt, die auch in Österreich zum Teil studieren, nicht so im Arbeitsmarkt einsetzen kann, wie man will. Obwohl sie hier sind, obwohl sie arbeiten wollen, obwohl sie Steuern zahlen würden, dürfen sie nicht, weil wir selbst die Regeln so einschränkend gestalten und weil wir der Meinung sind, dass, wenn Studierende sagen: Studium und Arbeit gehen sich für mich gut aus!, es der Staat trotzdem verbieten soll. Das schadet einer Volkswirtschaft nachhaltig. (Beifall bei den NEOS.)

Der dritte Punkt: Vorgestern hat man bei einem Industrieunternehmen – gar nicht klein, weltweit 35 000 Mitarbeiter, Milliardenumsatz – gefragt: Was ist eines der größten Probleme? – Da gab es ein paar. Eines der Top-drei-Themen: Kinderbetreuung. Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 15 Ländern, die sprechen auch – Achtung, FPÖ! – mehr als nur deutsch. Das ist aber auch kein Problem, weil im Übrigen auch in der Gastronomie und im IT-Bereich die Arbeitsmigranten nicht deutsch sprechen. Es gibt ganz, ganz viele Unternehmen in Österreich, in denen auch in anderen Sprachen gesprochen und gearbeitet wird, und das ist auch gut so. Bei dem Industrieunternehmen ist es jedenfalls so, die sagen: Die kommen aus den Vereinigten Staaten, aus Indien, aus Südafrika mit der Familie in die Obersteiermark. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Die Kinder kommen dann auch bis 13 Uhr in den Kindergarten, es gibt einen Betriebskin­der­garten. Wenn du weiter weg wohnst, geht sich das sonst mit dem Pendeln nicht aus. Die Kindergärten, die weiter weg sind, haben bis 13 Uhr offen. Das Problem: Von denen, die jetzt nach Österreich kommen, die gut ausgebildet sind – Mann und Frau, beide gut ausgebildet –, erwartet der österreichische Staat, dass die Frau, die aus den Vereinigten Staaten kommt, aus Indien, von wo auch immer kommt, zu Hause bleibt, weil es ja das Familienbild der ÖVP ist, dass man ab 13 Uhr auf seine Kinder aufpasst.

All das sind ganz konkrete Probleme, die zum Arbeitskräftemangel führen. Es sind Dinge, die wir angesprochen haben, und alles, was Ihnen jetzt in der letzten Stunde eingefallen ist, war reine Polemik – kein einziger konkreter Lösungs­vor­schlag. Das ist viel zu wenig dafür, dass man dieser Bundesregierung eine Kompetenz zuschreiben kann. (Beifall bei den NEOS.)

16.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte sehr.