17.02
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Und besonders begrüße ich die jungen Frauen, die heute zum Girls’ Day da sind, die extra in unser Haus gekommen sind: Herzlich willkommen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Ja, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt leider immer noch eine enorme Herausforderung für alle Frauen im Beruf mit Kindern dar. 2002 wurden die sogenannten EU-Barcelonaziele verabschiedet, bei denen es darum geht, die Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen auf 33 Prozent zu erhöhen. Heute, 21 Jahre später, haben wir dieses Ziel immer noch nicht erreicht (Zwischenruf bei der SPÖ), und das ist natürlich schlichtweg nicht zu akzeptieren.
Dieser Zustand ist aber nicht einfach so passiert. Dieser Zustand ist passiert, weil Regierungen vor uns, auch in den Bundesländern, es einfach verschlafen haben, für eine flächendeckende und ganzjährige Kinderbetreuung zu sorgen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Gerade in diesem Zusammenhang ärgert es mich schon, wenn dann immer wieder das Märchen von der Wahlfreiheit daherkommt: Ohne Angebot habe ich bekanntermaßen keine Wahl. Ohne Angebot kann ich nicht wählen. Das heißt: Hören wir bitte auf, von der Wahlfreiheit zu sprechen, wenn es keine Wahl gibt! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Ich glaube, gerade im Kontext von Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenmangel können wir uns keine Kinderbetreuung oder zu wenig Kinderbetreuung nicht mehr leisten, und das adressiere ich vorrangig an die Bundesländer, die dafür zuständig sind.
Wir wissen, dass jetzt beispielsweise auch im Tourismus das größte Potenzial bei den Frauen liegt. Die Realität ist aber so, dass Frauen nicht in die Erwerbstätigkeit zu bekommen sind, wenn keine oder nur eine unzureichende Kinderbetreuung angeboten wird. Das heißt: Ja, die Bundesländer müssen dringend in die Gänge kommen und die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen den Arbeitsrealitäten entsprechend anpassen. (Abg. Kollross: ... der Bund! ... Finanzausgleich ...!) Um aber auch im Tourismusbereich weiterzukommen, haben wir mit unserem Koalitionspartner Förderungen aufgestellt, um überbetriebliche Kinderbetreuung zu ermöglichen.
Neben den Frauen liegt das größte Potenzial, das wurde heute mehrfach angesprochen, bei den Arbeitskräften aus dem Ausland. Für die 85 000 Schutzsuchenden aus der Ukraine haben wir in der letzten Sitzung einen effektiven und unbürokratischen Zugang zum Arbeitsmarkt beschlossen. Genauso haben wir angefangen, die Rot-Weiß-Rot-Karte zu reformieren. Es wurde von der Kollegin schon aufgezählt, dass mehrere Sprachen angerechnet werden, dass das Sprachniveau an die Arbeitsrealität angepasst wird und es eine Reform für Stammsaisonniers gibt.
Was ich aber überhaupt nicht verstehe: Wir suchen händeringend nach Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, und wir haben Menschen hier, Schutzsuchende, die arbeiten wollen – und wir lassen sie nicht! Wir haben bestens integrierte Lehrlinge, die in Mangelberufen arbeiten – und wir wollen sie abschieben! Wir haben eine indische Familie, die Mutter arbeitet als Köchin, die Tochter in der Altenpflege, beides absolute Mangelberufe – und wir schieben sie ab! Das macht keinen Sinn! Genau deshalb brauchen wir eine Umstiegsmöglichkeit von der Asylschiene auf die Rot-Weiß-Rot-Karte.
Dieser ausländerfeindliche Kurs, den einige Parteien hier in diesem Haus verfolgen, ist sowohl aus humanitärer als auch aus ökonomischer Sicht absolut kontraproduktiv. So arbeiten wir nur gegen die Menschen und gegen unsere eigene Wirtschaft. Wir können den Menschen eine echte Chance geben (Abg. Loacker: Wenn ihr in der Regierung wärt endlich einmal!), wir können der Wirtschaft helfen, insbesondere dem Tourismus, und ich bedauere es sehr (Abg. Krisper: Ist das eine Selbstkritik?), dass es einige hier herinnen noch nicht verstanden haben.
Was von der FPÖ zu diesem Thema kommt, das war jetzt, ganz ehrlich, wenig überraschend, aber eines muss ich schon sagen: Auch die Abgeordneten der FPÖ sind froh, wenn ihre Angehörigen betreut werden, auch von Arbeitskräften aus Rumänien und so weiter. Auch die Abgeordneten der FPÖ sind froh, wenn ihnen Eiernockerln oder ein Bier serviert werden, auch von Personen, die vielleicht nicht perfekt Standarddeutsch sprechen – ich bezweifle auch, dass Sie das alle können. Nur weil diese Leute nicht Herbert oder Hannes oder Dagmar heißen, werden sie immer wieder von Ihnen abgewertet und zu Sündenböcken degradiert. Das ist die grausige Politik, die Sie dringend unterlassen sollen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
17.07
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. – Bitte.