17.28

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf nun einleiten und zu unserem Fristsetzungsantrag hinsichtlich unseres Entschließungsantrages betreffend „Meldung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten“ sprechen.

Warum? – Weil tatsächlich geleistete Arbeitszeiten nicht immer bezahlt werden. Warum? – Weil gerade Teilzeitbeschäftigte oftmals für ihre Mehrarbeitsstunden auch nicht bezahlt werden. Wir als SPÖ haben daher am 1. März einen Ent­schließungsantrag eingebracht, und das Ziel dieses Entschließungsantrages war: Der Nationalrat wolle beschließen: „Der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungs­vorlage mit einer gesetzlichen Meldeverpflichtung der Dienstgerber*innen über die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten der Arbeitnehmer*innen zu übermitteln“.

Das wurde dann im Sozialausschuss am 23. März behandelt und – es war keine Überraschung – die Regierungsparteien ÖVP und Grüne haben unseren Antrag vertagt. Das versteht aber niemand, und ich muss hier die Frage an ÖVP und Grüne stellen: Warum sind Sie gegen die Meldung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten? Warum schützen Sie Unternehmen, welche Überstunden und Mehrarbeit der Teilzeitbeschäftigten nicht bezahlen? Sagen Sie uns heute, in dieser Debatte, warum Sie dagegen sind!

Vielleicht darf ich euch ein bisschen unterstützen, ÖVP und Grüne: Der Chef des AMS bringt es ganz klar zum Ausdruck – Originalzitat: „Ich versteh schon, dass Betriebe keine zusätzliche Bürokratie brauchen können, halte es aber trotzdem für sinnvoll, künftig auch das konkrete Arbeitszeitausmaß jedes/r Beschäftigten zu melden. Wir brauchen hier Daten.“ (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man es im 21. Jahrhundert in einem Land wie Österreich nicht ermöglicht, dass man tatsächliche Arbeitszeiten auch tatsächlich meldet (Zwischenruf des Abg. Obernosterer), dann versteht das niemand. Überall dort, wo das schon statt­findet – bei der Gleitzeit, bei der Schichtarbeit, bei den Teilzeitbeschäftigten auf den Baustellen –, haben wir tatsächliche Arbeitszeitverpflichtungen. Auf der Baustelle geht es – und sonst geht es nicht? (Abg. Obernosterer: ... geht es auch ...! Sagen Sie keine Unwahrheiten!) Das versteht niemand, das gehört endlich geändert.

Dazu ergänzend: Seit Kurzem liegt die Studie der Statistik Austria vor, die ganz klar aufzeigt: 47 Millionen geleistete Über- und Mehrarbeitsstunden sind im Jahr 2022 nicht bezahlt worden. 47 Millionen Überstunden und Mehrarbeits­stunden, das sind ein Viertel aller geleisteten Über- und Mehrarbeitsstunden, die nicht bezahlt werden. Wissen Sie, was besonders schlimm ist? – Das sind sieben Millionen Stunden mehr, die nicht bezahlt wurden, als im Jahr 2021, das heißt, das wird sogar noch mehr.

In Zeiten der Rekordteuerung, in denen wir in Österreich aufgrund des Versagens der schwarz-grünen Regierung leider Spitzenreiter in Europa sind und die Menschen jeden Cent und jeden Euro wegen der Teuerung brauchen, stimmen Sie nicht zu, dass tatsächlich geleistete Über- und Mehrarbeitsstunden bezahlt werden.

Dann kommen wir zum nächsten Punkt: Sie bejammern diesen Arbeits­kräfte­mangel. Danke an NEOS, dass es diese Dringliche gegeben hat, denn das hat zum Ausdruck gebracht, dass außer Überschriften gar kein Wille der Regie­rungsparteien da ist, da etwas zu tun. Einerseits wird hier der Arbeits­kräfte­mangel bejammert und gleichzeitig – und das ist das Schlimme – werden diejenigen, die in Beschäftigung stehen, dazu gezwungen, immer mehr Leistung zu erbringen, gerade in der Gesundheit, gerade in der Pflege. Wir haben das heute in der Aktuellen Stunde gehört. Also das heißt, dort muss mehr Leistung erbracht werden und gleichzeitig soll die Arbeitsleistung nicht bezahlt werden.

Wenn da die Beschäftigten für ihre Leistung Löhne und Gehälter in Höhe von 1,2 Milliarden Euro nicht bekommen haben, dann ist das ja nicht nur der Schaden der Betroffenen, das geht ja weiter. Was ist mit der Wirtschaft? Was ist mit den Unternehmen? Was ist mit Betroffenen, wenn Unternehmen einen unfairen und unlauteren Wettbewerb betreiben? – Das ist ein Verlust für den Sozialstaat: weniger Steuern, weniger Abgaben, weniger Geld für unser Gesundheitssystem.

Fakt ist, die am meisten betroffene Gruppe bei nicht bezahlter Arbeit ist die der Teilzeitbeschäftigten. Das ist jene Gruppe, bei der die ÖVP ja angedacht hat, die Sozialleistungen zu streichen, jene Gruppe, die überwiegend nicht freiwillig Teilzeit arbeiten muss, nämlich jene Gruppe, die Teilzeit arbeiten muss, weil sie gar nicht anders kann. Das sind überwiegend Teilzeitbeschäftigte, die zu Hause unsere 400 000 zu pflegenden Angehörigen pflegen und ihre Arbeitszeiten verringern müssen, weil es kein ausreichendes Angebot an Pflegebetreuung in diesem Land gibt. Das sind jene Teilzeitbeschäftigten, wieder überwiegend Frauen mit Kindern in einer Million Haushalten in Österreich, die halt ihre Kinder betreuen wollen und müssen, weil es zu wenig Angebot an Kinderbetreuungs­plätzen gibt. Das ist das Versagen dieser Regierungen seit 2017. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns dann anschauen, dass diese Teilzeitbeschäftigten, die tagtäglich neben den nicht bezahlten Stunden auch noch unbezahlte Stunden zu Hause machen und verrichten müssen, so sehen wir, dass sie zu den großen Verlierern unserer Gesellschaft zählen. Geben wir diesen Menschen daher zumindest die Sicherheit und die Wertschätzung, dass ihre geleisteten Stun­den am Arbeitsplatz auch tatsächlich bezahlt werden. Machen wir alle Arbeitszeiten in Österreich meldepflichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann haben wir noch die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten, die mehr arbeiten könnten, aber nicht dürfen, weil, wie wir ja heute schon von Kollegin Belakowitsch gehört haben, es Unternehmen gibt, die das Modell Teilzeitbeschäftigung bevorzugen.

Es gibt Bereiche, die lieber zwei Teilzeitbeschäftigte als einen Vollzeitarbeits­platz haben, nämlich in Form von Teildiensten, für die es weniger Aufschlag bei der Mehrarbeit gibt – bei den Teilzeitbeschäftigten haben wir nur 25 Prozent Aufschlag, bei der Vollzeitbeschäftigung haben wir 50 Prozent Überstunden­aufschlag – und weil mit den Teilzeitbeschäftigten in manchen Branchen eine Rufbereitschaft mitvereinbart wird.

Daher der Appell auch hier an alle Parteien: Machen wir alle Arbeitszeiten transparent, machen wir alle Arbeitszeiten verbindlich meldepflichtig! Schließen Sie sich unserem Entschließungsantrag an, schieben wir ihn nicht wieder auf die lange Bank, diskutieren wir nicht ewig! Wir wissen, das ist die einzige Möglich­keit, erstens den Menschen ihr Geld zu geben, das sie sich verdient haben, zweitens den Staat und unser Gesundheitssystem nicht zu schröpfen, sondern zu finanzieren und drittens einen fairen Wettbewerb unter den Unternehmen sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist das Recht jeder Arbeitnehmerin, es ist das Recht jedes Arbeitnehmers, es ist aber auch das Recht jedes Arbeitgebers, darauf zu vertrauen, dass tatsächlich geleistete Arbeit in Österreich auch tatsächlich bezahlt wird. Schaffen wir mehr Fairness und Gerech­tigkeit unter allen Beteiligten, stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

17.36

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. Ab jetzt beträgt die Redezeit 5 Minuten. – Bitte.