19.28

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wertgeschätzte Kolleg:innen! Sehr geehrte Zuseher:innen hier, aber auch zu Hause! ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Multisystem­erkrankung, die bereits 1969 – bitte merken Sie sich diese Zahl! – von der WHO als neurologische Erkrankung klassifiziert wurde.

Der Schweregrad dieser Erkrankung ist sehr unterschiedlich. Betroffene erklären die Erkrankung oft mit dem Bild des kaputten Akkus. Was meinen sie denn damit? – Bei vielen von uns ist es hoffentlich so: Nach ausreichend Schlaf fühlen wir uns am nächsten Tag meistens fit und erholt. Bei Betroffenen mit ME/CFS ist das anders. Egal wie viel sie schlafen, versuchen, sich zu erholen: Sie können ihre Akkus nicht mehr aufladen. Der kaputte Akku wird in der Fachsprache PEM – „Post-Exertional Malaise“ – genannt und ist für ME/CFS das charakteris­tische Leitsymptom. Es bezeichnet die typische Belastungsintoleranz und ist in allen etablierten klinischen Kriterien die Voraussetzung für eine ME/CFS-Diagnose.

Bis Betroffene in Österreich ihre Diagnose erhalten, braucht es aber im Durchschnitt fünf bis acht Jahre und 13 Ärzt:innen – das müssen Sie sich einmal vorstellen! Das hat damit zu tun, dass diese Erkrankung in der medizinischen Gesellschaft nach wie vor recht unbekannt ist oder auch als psychosomatische Erkrankung abgetan wird. Und ich muss den Hinweis geben – oder bei mir drängt sich der Verdacht auf –, dass auch da, weil es mehrheitlich Frauen betrifft, der Genderbias in der Medizin wieder einmal zugeschlagen hat. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich musste in den letzten Jahren miterleben, dass innerhalb der Fachgruppe der Neurolog:innen ein Dogmenstreit die Erforschung und Behandlung der Erkrankten aus neurologischer Sicht erschwert, wenn nicht sogar verhindert.

Wenn ich höre, dass Ärzt:innen, die innerhalb der ÖGK tätig sind, für ME/CFS-, aber auch Long-Covid-Patient:innen zu wenig Zeit für die Befundung haben, weil dahinter wenige Minuten für die Verrechnung – das ist eine Sache der ÖGK, intern – zur Verfügung stehen, dann ist das ein Problem!

Wenn ich lesen muss, dass die Gutachter:innen der BVAEB – und ich danke an dieser Stelle für die Zusendungen, für das Vertrauen der Betroffenen in mich, dass sie mir das weitergeleitet haben – aufgrund von Nichtkenntnis der Erkrankung Menschen falsch diagnostizieren, ihnen nicht glauben, obwohl eine Diagnose vorliegt – ja, dann ist das ein Problem!

Aus all diesen und noch vielen anderen Gründen – so viel Redezeit habe ich gar nicht, um Ihnen das zu erklären; bitte schauen Sie sich die Stellungnahmen dazu an, sie sind online! – haben wir diese Petition hier entgegengenommen, wir haben im Petitionsausschuss Stellungnahmen eingeholt, wir haben ein Expert:innen­hearing mit einer Betroffenen abgehalten und zuletzt im Gesundheitsausschuss diskutiert.

Es ist Fakt, dass es derzeit noch keinen Biomarker gibt, aber dennoch sehen wir Verbesserungspotenzial in der Versorgung – Sie haben vorhin schon drei Punkte gehört, die ich Ihnen aufgezählt habe –, und sicherlich ist auch in der Forschung noch Luft nach oben.

Ich freue mich, wenn man das in diesem Zusammenhang so sagen kann, dass dieser Entschließungsantrag von allen Fraktionen mitgetragen wurde und Zustimmung erhalten hat. Vielen Dank an dieser Stelle an meinen Kollegen Abgeordneten Dr. Smolle von der ÖVP!

Der Antrag fordert einerseits den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsument:innenschutz auf, „sich weiterhin und verstärkt für verbesserte Zusammenarbeit der Akteure“ – und Akteurinnen – „im Gesund­heitswesen und damit für eine bessere diagnostische und bedarfsorien­tierte therapeutische Versorgung von ME/CFS-Betroffenen in Österreich einzusetzen. Sinnvoll wäre unter anderem die Schaffung eines Beratungsgremiums zusammengesetzt aus einschlägigen Expertinnen und Experten, die sich mit postviralen/postinfektiösen Syndromen auseinandersetzen. Weiters soll sich der Bundesminister für die stärkere Berücksichtigung von postviralen/postinfek­tiösen Syndrome in medizinischen Leitlinien, unter Einbeziehung der betroffenen Selbsthilfegruppen, einsetzen.“ Aber auch der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird „aufgefordert, sich in Zusammenarbeit mit den für Aus- und Fortbildung zuständigen Einrichtungen“ – wie zum Beispiel auch die Med-Unis in ihrem Curriculum – „für die Förderung des interdiszipli­nären Austausches der fachärztlichen Disziplinen [...] und im speziellen ME/CFS einzusetzen sowie die wissenschaftliche Forschung zu unterstützen.“

Meinen Dank möchte ich hier aussprechen, er gilt den Initiator:innen der Petition, Astrid Hainzl und Kevin Thonhofer von der Österreichischen Gesell­schaft für ME/CFS, Mila Hermisson für ihre Stellungnahme stellvertretend für alle ME/CFS-Betroffenen mit schweren und schwersten Verläufen. Ich habe sie ausgedruckt und mitgenommen. Es hat sie sehr viel Kraft gekostet, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie die geschrieben hat. Bitte lesen Sie sie durch, ich habe sie mit!

Ich möchte Dr. Stingl als einem der wenigen Neurologen, die dazu praktizieren, danken, Dr.in Untersmayr-Elsenhuber von der Meduni Wien sowie Herrn Dr. Westermeier von der FH Joanneum Graz, die dazu forschen. Ohne den Einsatz der Genannten – und das sind tatsächlich eine Handvoll – wäre vieles nicht passiert, was in den letzten Jahren passiert ist. Ich bin voller Zuversicht – ich sage ganz ehrlich, ich möchte voller Zuversicht sein –, dass wir gemeinsam die Erkrankung bekannter machen – und (um Fassung ringend) somit die Versor­gung der Betroffenen deutlich verbessern. (Allgemeiner Beifall.)

19.34

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.