Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung!“ (3367/A)(E)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 3367/A(E). Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Teuerung in Österreich ist so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr – und sie steigt weiter. Die Preise explodieren. Immer mehr Menschen arbeiten immer härter und können sich trotzdem das Leben kaum noch leisten. Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Teuerung völlig versagt. Es wäre die Aufgabe dieser Bundesregie­rung, den Wohlstand zu schützen und steigende Armut zu verhindern. Türkis-Grün hat es jedoch im gesamten letzten Jahr nicht verstanden, Maßnahmen zu setzen, um die Rekordteuerung in Österreich zu drücken. Dabei hätte es genügend positive Beispiele in Europa gegeben, wie man Bevölkerung und Wirtschaft in der Krise schützt und unterstützt. Länder wie Frankreich, Spanien, Deutschland oder die Schweiz haben etwa die exorbitanten Energiepreise nicht ungezügelt auf die Menschen losgelassen. Es gab entschlossene Eingriffe in den Markt. Dabei wurde in vielen Län­dern auf einen Maßnahmen-Mix gesetzt. Mehrwertsteuersenkungen – etwa im Bereich von Gas in Deutschland – wurden mit preisregulatorischen Maßnahmen – deutscher Gas- und Energiepreisdeckel – verbunden. Auch bei einem der Hauptpreis­treiber in Österreich, nämlich den Wohnkosten, hat man in anderen Ländern entschlossen gehandelt. Die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wurde in anderen Ländern Europas gesenkt. Nur in Österreich hat die Regierung zugeschaut und absolut nichts gegen den Inflationstsunami getan. Im Ergebnis ist Österreich heute das Land mit der höchsten Inflationsrate –9,6 % im April 2023 - in Westeu­ropa.

Regierung hat Warnung der SPÖ ignoriert und sich nicht an guten Beispielen orientiert

Die SPÖ hat vor dieser Inflationsentwicklung schon vor mehr als einem Jahr gewarnt und immer wieder inflationsdämpfende Maßnahmen vorgeschlagen. ÖVP und Grüne haben diese Warnungen ignoriert, die Anträge der SPÖ wurden vertagt oder abge­lehnt. Stattdessen hat die Bundesregierung auf eine kurzsichtige Politik der Einmal­zahlungen gesetzt. Diese Einmalzahlungen senken keinen einzigen Preis. In Spanien lag die Inflation im April bei 3,8 %, in Frankreich bei 6,9 % und in Deutschland bei 7,6 % - deutlich geringer als in Österreich. Ein wesentlicher Treiber der Inflationsrate – also des Verbraucherpreisindex – sind die Wohnkosten. Dass die gesetzlichen Mieten an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind, ist angesichts der

Ursachen der Teuerung und des Auseinanderklaffens von Zinsen und Inflationsrate eine absolute Fehlkonstruktion, die als Inflationsbeschleuniger wirkt. Aus Sicht der Vermieter*innen sind Mieten ein praktisch risikoloses Kapitaleinkommen und sollten daher auch nicht anders behandelt werden. Sparer bekommen auf der Bank kaum mehr Zinsen für ihre Einlagen, Zinshaus-Besitzer erhalten hingegen eine jährliche Rendite in der Höhe der Inflationsrate (dabei ist die Wertsteigerung der Immobilie noch gar nicht berücksichtigt) – und das auf Kosten von Millionen von Menschen. Andere Regierungen haben dieses Problem längst erkannt und die Mieten vom Ver­braucherpreisindex entkoppelt. In Spanien und Portugal wurden die Mieterhöhungen mit 2 % gedeckelt. In Frankreich gibt es einen eigenen Index für Mieterhöhungen, der allerdings mit 3,5 % gedeckelt ist. In der Schweiz dürfen die Mieten nur um höchstens 40 % der Steigerung des Verbraucherpreisindex valorisiert werden. In Schottland wurden die Mieten temporär eingefroren. Und in Österreich? Bei uns fließen 80 % der gesamten Mieteinnahmen an das oberste Einkommenszehntel. Es ist daher kein Wunder, dass die Teuerung die ohnehin hohe Vermögensungleichheit in unserem Land weiter dramatisch verschärft. Dass hier nicht gesetzlich gegengesteuert wurde, obwohl es ganz leicht möglich gewesen wäre, zeigt, dass die türkis-grüne Regierung am Ende des Tages auf der Seite der Immobilienspekulanten und nicht der Millionen Österreicherinnen und Österreicher steht. Auch auf die exorbitanten Steigerungen bei Lebensmittelpreisen wurde seitens der österreichischen Bundesregierung nicht reagiert, während Portugal, Spanien und Polen die Mehrwertsteuer auf Grundnah­rungs­mittel auf 0 % gesenkt haben. In Österreich steigen die Lebensmittelpreise im Vergleich zum Vorjahr um rund 15 % (Mikrowarenkorb), während sich die Bundes­regierung einen monatelangen Streit um die parteipolitische Besetzung der Bundes­wettbewerbsbehörde liefert – ein unwürdiges Schauspiel zu Lasten der Brieftaschen in Österreich.

Regierung mit Rekordausgaben, die keinen einzigen Preis senken

Wie schon zu Zeiten von Corona rühmt sich die Regierung damit, im internationalen Vergleich Rekordausgaben „gegen die Teuerung“ zu tätigen. Angesichts der Corona-Bilanz eine etwas kühne Herangehensweise. Denn tatsächlich gab es während der Corona-Pandemie Rekordausgaben, die zu Überförderungen von hunderten Millionen Euro geführt haben, wie sogar der Rechnungshof und die OeNB festgestellt haben. Die Regierung hat zwar das Geld der Menschen in Österreich mit beiden Händen ausgegeben, bei der Entwicklung des BIP in den Corona-Jahren 2020 und 2021 gab es jedoch nur 3 Länder in Europa, die schlechter abgeschnitten hatten als Österreich. Das heißt: die enormen finanziellen Hilfen haben den Zweck völlig verfehlt. Die Krisenkosten wurden falsch verteilt. Auch hier lügen die Zahlen nicht, auch wenn sie von ÖVP und Grünen gerne verschwiegen werden. Dass sich eine Regierung an Ankündigungen und nicht an tatsächlichen Verbesserungen messen lassen will, fällt den

Menschen in Österreich nun schon zum zweiten Mal auf den Kopf. Der IWF hat ausgerechnet, dass die österreichische Regierung zwar im europäischen Vergleich tatsächlich sehr viel Geld unter dem Titel „Anti-Teuerung“ ausgibt, aber 3/5 des Geldes nicht zielgerichtet ankommen. Gleichzeitig wurde dabei kaum ein Preis gesenkt. Viel Geld auszugeben, das weder zielgerichtet ankommt noch die Preise senkt, ist mit Sicherheit das Schlechteste aus beiden Welten. Das beste Beispiel für sinnlose Rekordausgaben ist der Energiekostenzuschuss II, der bereits scharf vom Fiskalrat kritisiert wurde. Für viele EPUs und KMUs kommen die Hilfen wieder zu spät oder sind zu klein, weil die Regierung die Energiepreise nicht regulieren wollte. Bei anderen großen Unternehmen wird dieser Zuschuss zu massiven Übergewinnen führen. Dort wo sich die Preissteigerungen ohne große Schwierigkeiten weitergeben lassen, ist es nämlich sehr wahrscheinlich, dass die Energiepreissteigerungen fast 1:1 auf die Preise aufgeschlagen werden. Gleichzeitig werden die verspäteten Hilfszah­lungen 1:1 in die Gewinne der betroffenen Unternehmen fließen. Eine Regierung, die sich auch nur ein bisschen ernst nimmt, dürfte niemals zulassen, dass einzelne Unternehmen die Energiehilfen dafür verwenden, ihre Gewinne zu steigern. Es kann eigentlich nicht sein, dass die Menschen doppelt zahlen, zuerst einen höheren Preis – etwa für Lebensmittel – und dann auch noch die Energiehilfen für Unternehmen über ihre Steuern und Abgaben. 5 bis 8 Milliarden Euro an wertvollen Steuergeldern werden beim Energiekostenzuschuss II größtenteils sinnlos und völlig ohne Wirkung auf die Inflation ausgegeben.

Die Bundesregierung schaut weg –Unzählige Gipfel ohne ein zählbares Ergebnis

Wer Politik für die Menschen macht, schaut genau hin, wo der Schuh drückt – also wo die Teuerung am stärksten zuschlägt. Die größten Treiber der Teuerung sind: Energie, Lebensmittel und Wohnen. Es wäre verantwortungsvolle Politik und ökonomisch schlüssig, sich im Sinne der Menschen zu überlegen, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, um bei den größten Treibern der Teuerung den Preis­aufschwung zu stoppen bzw. zumindest zu dämpfen. Der Fiskalrat hat schon im Frühjahr 2022 berechnet, dass rund 35 % der Menschen ihre täglichen Ausgaben nicht (mehr) mit ihrem Einkommen bestreiten können. Der Bundesregierung waren diese Warnungen schon vor dem Sommer 2022 bekannt. Hochrangige Ver­treter*innen aus Wirtschaft und Industrie wurden im letzten Jahr nicht müde zu betonen, dass die Teuerung bei den Energiepreisen die österreichische Wirtschaft und unseren Standort schwächt. Die ersten Vorboten der bevorstehenden Krise hat man bereits im Herbst 2022 gesehen. Ziegelwerke mussten ihre Produktion stilllegen, Bäckereien mussten schließen, Wirtshäuser kämpften ums Überleben. Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs leidet enorm. Aber nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem auch die Menschen sind stark von der Teuerung betroffen. Die Statistik Austria hat jüngst am 4. Mai 2023 dargelegt, welche Auswirkungen das Nicht-Handeln der Regierung auf den Wohlstand in Österreich hat. Im letzten Jahr haben mehr als 1/3 der Menschen in Österreich einen realen Einkommensverlust hinnehmen müssen. 27 % der Menschen in Österreich rechnen mit Zahlungs­schwierigkeiten bei Mieten und Wohnen. 1,1 Mio. Menschen können sich nicht einmal Kleinigkeiten gönnen, 760.000 Wohnungen im Winter nicht warmhalten, 550.000 haben Schwierigkeiten sich eine warme Mahlzeit zu leisten. Diese Situation ist für ein Land wie Österreich unwürdig und für viele Familien längst untragbar geworden. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hat sich unter anderem für einen Mietpreis-Stopp ausgesprochen und Eingriffe in den Markt von der Regierung eingemahnt. Die Regierung beobachtet aber nur weiter und lässt einen Gipfel nach dem anderen ohne konkretes Ergebnis verstreichen. Den Gipfel der Ergebnislosigkeit hat die Bundesregierung in einer denkwürdigen aber für die Bevölkerung sehr traurigen zweiten Maiwoche erreicht. Nachdem zu Beginn der Woche ein Lebensmittelgipfel ergebnislos scheiterte, hat die Regierung am 10. Mai 2023 unter großem öffentlichen Druck in einer Panikreaktion im Rahmen einer Show-Pressekonferenz ein Nicht-Maßnahmenpaket angekündigt, das keinen einzigen Preis senken wird. Weder wurden die Mieten reguliert und dadurch billiger, noch hat man in die Lebensmittelpreise eingegriffen. Eine Regierung, die Schulden und Inflation in die Höhe treibt, ist mit ihrer Politik gescheitert. Eine Regierung, die dabei zusieht, wie die Armut steigt und die Mittelschicht abrutscht, ist ein Problem für unser Land. Eine Regierung, die mit ihrer verfehlten Politik den Wohlstand des Landes gefährdet, hat völlig versagt.

Österreich braucht eine neue Regierung - eine, die Preise senkt!

Es wäre Aufgabe der österreichischen Bundesregierung, von den Besten zu lernen, verantwortungsvolle Krisenpolitik zu machen und nicht an einer fehlgeleiteten Politik festzuhalten – nur, weil man die eigenen Fehler nicht eingestehen will. Im Sinne der hart arbeitenden Menschen in unserem Land muss in den nächsten Wochen und Monaten ein Politikwechsel eingeleitet werden. Bevölkerung und Wirtschaft brauchen dringend Maßnahmen, die die Teuerung tatsächlich bremsen. Nicht immer ist das gleichbedeutend damit, (noch) mehr Steuergeld auszugeben. Es gibt Sofort-Maßnahmen, die einfach und schnell umzusetzen wären: von einer Deckelung der Mieten, über scharfe Preiskontrollen durch eine schlagkräftige Anti-Teuerungskom­mission, bis hin zu einer Übergewinnsteuer für jene Unternehmen, die etwa Energie­kostenzuschüsse nicht in Form von sinkenden Preisen an die Menschen weitergeben. Die SPÖ fordert daher zum wiederholten Male von der Bundesregierung die sofortige Vorlage eines umfassenden Inflationsdämpfungsgesetzes ein. Dieses Gesetz sollte das Ziel verfolgen, die Inflationsrate in Österreich mindestens um zwei bis drei Prozen­tpunkte zu drücken.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz vorzulegen, das zumindest folgende Sofortmaßnahmen umfasst:

1.         Rücknahme der April-Erhöhung der Richtwertmieten. Einfrieren aller Mieten bis Ende 2025. Danach Begrenzung des Mietanstiegs mit dem EZB-Leitzinssatz, maximal aber 2 % pro Jahr.

2.         Sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.

3.         Einsetzung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission, die u.a. sicherstellt, dass milliardenschwere Hilfszahlungen an Unternehmen in Form von sinkenden Preisen an die Menschen weitergegeben werden. Bei Nicht-Weitergabe von Hilfen bzw. von allen Mehrwertsteuersenkungen in Form von sinkenden Preisen soll es harte Sanktionen bis hin zur Rückzahlung der Energiehilfen geben.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erst­antragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile nun der Frau Klubvorsitzenden Rendi-Wagner als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit – das wissen Sie, Frau Klubobfrau – 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte schön.