13.53

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde das Thema ehrlich gesagt zu dramatisch, um Scherze darüber zu machen. Wäre der Herr Bundeskanzler noch da (Abg. Belakowitsch: Wo ist er denn eigentlich?), dann würde ich ihn ganz konkret fragen, ob er den Begriff Working Poor kennt. Working Poor ist man, wenn man arbeitet und trotzdem arm ist, wenn man hackelt, hackelt, hackelt, aber das Einkommen trotzdem nicht zum Auskommen reicht. Hätte er den Begriff schon einmal gehört, würde er wissen, was Working Poor heißt. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Dann würde er nicht sagen: Arbeit schützt vor Armut! – Das ist vergleichbar mit: Sollen sie doch Kuchen essen! Dann hätte er mehr Gespür für 1,2 Millionen Menschen in Österreich, die ein Einkommen unter der Armuts­grenze haben. (Beifall bei der SPÖ.) Dann hätte er ein Gespür für Frauen, für Alleinerzieherinnen, die es sich oftmals nicht aussuchen können, ob sie mehr arbeiten, weil die Kinderbetreuung fehlt, weil eine Stelle nicht für Vollzeit ausgeschrieben ist, weil einfach hinten und vorne die ÖVP ihren Auftrag als Familienpartei nicht wahrgenommen hat.

Eine Partei der Frauen ist die ÖVP ja schon lange nicht mehr, aber die eigens auferlegte Expertise im Bereich der Familien zu entwickeln hat man wohl auch komplett versäumt.

Eine himmelschreiende Inflation, ausgelöst durch missglückte Unterstützungs­politik dieser Bundesregierung, führt nun dazu, dass die Menschen tagtäglich tiefer in die bereits leeren Taschen greifen müssen, bei jeder Butter, bei jedem Stück Brot, bei Nudeln, bei Obst, bei Gemüse, bei jeder Vorschreibung der Miete. Und ja, wir sind hier auf bundespolitischer Ebene natürlich für ein Mietengesetz, für einen Mietpreisdeckel, für eine Mietpreisbremse zuständig und nicht für regionale Gegebenheiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat es verabsäumt, da Deckel und Bremsen auf bundespolitischer Ebene einzusetzen. Man hat verabsäumt, die Preise für die Lebensmittel, für die Güter des täglichen Bedarfs, für das, was die Menschen zum Überleben brauchen, zu senken. Diese Dinge sind so teuer wie noch nie.

Wir müssen den Markt bändigen. Ja, das ist dringend notwendig. Wir müssen eingreifen, einen Deckel draufmachen. (Beifall bei der SPÖ.)

Neben den Lebensmitteln besteht auch auf Wohnen ein Grundrecht. Es ist unerträglich, wenn Familien, wenn ältere Personen umziehen müssen, den eigenen Lebensmittelpunkt verlassen müssen, weil sie in kleinere, vielleicht eigentlich nicht gut geeignete Wohnungen umziehen müssen, wenn junge Menschen keine Chance darauf haben, die eigenen vier Wände zu mieten, sich aus dem Hotel Mama zu befreien, weil das nicht möglich ist, weil die Mietpreise für junge Menschen zu hoch sind. Wohnen ist beinahe unleistbar. Es muss wieder leistbar gemacht werden, es braucht da eine Mietpreisbremse. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei all den Belastungen sprechen wir mittlerweile nicht nur von jenen, die bereits vorher in Armut abgerutscht und von Armut betroffen waren, sondern wir sprechen auch vom breiten Mittelstand, der sich sehr wohl überlegt, was beim Wocheneinkauf im Wagerl landet, was nicht im Wagerl Platz hat, weil es zu teuer ist. Dieser Mittelstand darf aber nicht wegbrechen. Es ist auch ein wesent­licher Teil unseres Wohlfahrtstaates, der dadurch gesichert wird.

Es mutet aber fast an, als würde die Bundesregierung, insbesondere die ÖVP, das sukzessive fordern: einen Abbau des Wohlfahrtsstaates, ein Kaputtschlagen des Wohlfahrtsstaates, eine mutwillige Zerstörung und keine Aufteilung der Steuern auf breite Schultern, auf die Schultern jener, die mehr leisten können, keine gerechte Besteuerung von Millionären, von Milliardären. (Beifall bei der SPÖ.)

All das wäre nun dringend notwendig. Es wäre hoch an der Zeit, den Ausgleich zwischen jenen, die besonders breite Schultern haben, die einen großen Beitrag leisten können, und jenen, die jetzt schon unter der Armut leiden oder kurz davor sind, abzurutschen, zu schaffen.

Wenn jetzt Maßnahmen gegen die Kinderarmut angekündigt werden, dann kann man nur eines sagen: Werte Bundesregierung, streuen Sie den Menschen nicht weiter Sand in die Augen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es liegen viele Beispiele hier im Hohen Haus. Sichern Sie Kinder mit grund­legenden Ansprüchen ab: auf ein warmes Mittagessen, auf einen guten Unterhalt, auf eine gute Bildung. Keine weitere sinnlose Erhöhung des Familien­bonus, der in Österreich noch kein einziges Kind aus der Armut geholt hat! (Beifall bei der SPÖ.) Rechtsansprüche und Absicherung, anstatt Menschen weiterhin zu stigmatisieren, ein Umbau des Systems, weil die Valorisierung der Sozialleistungen allein bisher nicht geholfen hat!

Ich darf nun einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekämpfung von Kinderarmut“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Medien und Integration im Bundeskanzleramt sowie der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut vorzulegen, welches eine Kindergrundsicherung, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz sowie ein gesundes, warmes Essen am Tag für jedes Kind in allen Bildungseinrichtungen vorsieht.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

13.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Christian Oxonitsch,

Genossinnen und Genossen,

betreffend Bekämpfung von Kinderarmut

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner, Genossinnen und Genossen betreffend „Totalversagen der Bundesregierung im Kampf gegen die Teuerung!“ in der 211. Sitzung des Nationalrates

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit von Armut betroffen als der Rest der Bevölkerung. 17,5 Prozent Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machten im Jahr 2022 rund ein Viertel (23 Prozent) aller Armutsgefährdeten aus. Mehr als jede 5. armutsgefährdete Person ist unter 18 Jahre alt. Laut EU-SILC-Zahlen waren 2022 353.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, das entspricht einem Ausgrenzungs- oder Armutsgefährdungs­risiko von 22 Prozent. 316.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bzw. 19 Prozent waren 2022 armutsgefährdet.

Eine aktuelle Studie der Gesundheit Österreich GmbH Wien kommt zu erschreckenden Ergebnissen: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, aufgrund eines Mangels an finanziellen Mitteln ihre Kinder nur eingeschränkt vor Kälte in der Wohnung schützen zu können. 58 Prozent der im Februar und März 2023 interviewten Eltern schildern, dass sie aufgrund der steigenden Heizkosten andere Bedürfnisse ihrer Kinder - wie Freizeitakti­vi­täten, Kleidung und auch Essen - einschränken. Drei von vier Kindern mussten sogar Straßen-Winterkleidung im privaten Haushalt anziehen, um vor Kälte im Wohnraum bewahrt zu werden.

Trotz dieser Entwicklungen bleibt die Bundesregierung untätig. Bereits vor einem Jahr (März 2022) hätte Österreich der EU-Kommission einen Nationalen Aktionsplan gegen Kinderarmut vorlegen müssen, doch bislang ist nichts geschehen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder daheim frieren und am Abend Toastbrot essen müssen. Arm zu sein, heißt für Kinder in Österreich: Öfter krank zu werden, kein Zimmer für sich zu haben, zu wenig Gewand, zu wenig gutes Essen, kein Geld für Sport, Musik, einen Nachmittag mit Freunden zu bekommen. Arme und armutsgefährdete Kinder sind öfter alleine, werden ausgegrenzt und lernen früh Angst und Scham kennen: Können sich meine Eltern die Wohnung noch leisten? Muss ich mit löchrigen Schuhen zum ersten Schultag? Werden meine Freunde lachen, weil ich nicht mit ins Kino kann? Armut macht krank, sie raubt Kindern die Chance auf eine gute Ausbildung, auf ein langes Leben, auf Stolz und Zufriedenheit. Schlechte Gesundheit und mangelnde Bildungschancen verursachen zudem nicht nur persönliches Leid, sondern auch gesellschaftliche Kosten. Jedes Kind hat ein Recht auf ein gutes Leben. Und dieses Recht ist nicht von der Geldbörse der Eltern abhängig.

Daher schlagen wir drei Schritte zur Bekämpfung von Kinderarmut vor.

Schritt eins: Eine Kindergrundsicherung.

Expert:innen haben Modelle für eine Kindergrundsicherung einwickelt, wonach jedes Kind einen Grundbetrag, den es zum Leben braucht, erhält. Kinder, die in Haushalten mit geringem Einkommen leben, erhalten zusätzlich einen Betrag. Durch treffsichere Staffe­lung sorgen wir dafür, dass jedes Kind genug zum Leben hat.

Schritt zwei: Ein Kind – ein Bildungsplatz.

Rechtsanspruch auf einen Bildungsplatz bedeutet: Auf jedes Kind wartet in jedem Alter ein Platz, an dem es die Förderung bekommt, die es braucht, um später die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben verwirklichen zu können. Das reicht von altersgerechter Betreuung im Kleinkindalter bis zum Schulabschluss.

Schritt drei: Ein gesundes, warmes Essen am Tag für jedes Kind.

Die gesundheitlichen Folgen von Mangelernährung im Kindesalter lassen sich nie wieder gut machen. Deshalb muss jedes Kind in Österreich ein gutes, ausgewogenes Essen bekommen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Medien und Integration im Bundeskanzleramt sowie der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut vorzulegen, welches eine Kindergrundsicherung, einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz sowie ein gesundes, warmes Essen am Tag für jedes Kind in allen Bildungseinrichtungen vorsieht.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht somit auch in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundesminister Mag. Norbert Totschnig zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.