10.47

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Abgeordnete des Ho­hen Hauses! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Plenarsaal und vor den Bildschirmen! Ja, ein geeintes, sicheres und starkes Europa ist von ganz zen­traler Bedeutung, und die Europäische Union ist eine der größten Errun­genschaften unserer Zeit, insbesondere wenn wir an die Gräueltaten des Zwei­ten Weltkrieges zurückdenken. Es ist fast unvorstellbar, dass wir heute in einem geeinten und friedlichen Europa, soweit es geht, leben können.

In meinem Heimatbezirk, im Mühlviertel, hat vor mehr als 30 Jahren Europa aufgehört. Europa war durch den Eisernen Vorhang getrennt. Für mei­ne Generation und die darauffolgenden ist die heutige Situation fast so selbst­verständlich wie das Smartphone in der Hosentasche. Wir müssen unsere Eltern fragen, um die Zeiten noch einmal in Erinnerung zu rufen – in Erinnerung zu rufen, wie es war, als Europa nicht geeint war, als der Eiserne Vorhang den Kontinent geteilt hat.

Für uns ist die Europäische Union heute aber viel mehr als das Versprechen, in Frieden und in einer Gemeinschaft aufzuwachsen, die Europäische Union bedeutet auch die Freiheit, über Grenzen hinweg zu arbeiten, für jun­ge Menschen auch, zu studieren, und, ja, auch so banale und selbstverständliche Dinge zu unternehmen, wie beispielsweise über die Grenzen zu telefonieren.

Wir sind genauso selbstverständlich Europäerinnen und Europäer, wie wir Österreicherinnen und Österreicher sind, und genauso selbstverständlich wollen wir mitbestimmen und mitreden, wenn es um die Zukunft unseres Euro­pas geht, wenn Entscheidungen in Brüssel oder Straßburg getroffen werden.

Die Europäische Union soll eine Staatengemeinschaft sein, die sich um die gro­ßen Fragen kümmert, statt in kleinen Details zu reglementieren, wie bei­spielsweise wenn es um die Verschlüsse von Milchpackerln geht. Wenn es um die großen Themen geht, sind wir auf diese starke Staatengemeinschaft angewiesen, wenn es um den wirtschaftlichen Wettbewerb mit den USA oder mit China geht, wenn es um Friedenssicherung auf unserem Kontinent geht, insbesondere in Zeiten wie diesen, oder auch um die Bekämpfung der ille­galen Migration. Genau dann hat die Europäische Union die Verantwor­tung, auch diese Probleme zu lösen. Die Europäische Union wurde im Vertrag von Maastricht auf der Basis des Subsidiaritätsprinzips gegründet und soll­te auf dieser Basis auch weiterarbeiten. Einem föderalen Superstaat – den Verei­nigten Staaten von Europa, wie Sie das darstellen – kann ich absolut nichts abgewinnen und erteile ich auch persönlich eine Absage.

Es braucht Kooperation, gemeinsame Ziele und vor allem eine gemeinsame Si­cherheits- und Außenpolitik; was es nicht braucht, sind europäische Regu­lierungen in den kleinsten Bereichen. (Abg. Steger: Aber Sie stimmen allem immer zu! – Abg. Loacker: Es muss ja keinen Sinn ergeben, was jemand da vorne sagt, nicht?) Ich bin sowohl überzeugte Bundespolitikerin als auch überzeugte Kom­munalpolitikerin, und deswegen bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass uns genau die Subsidiarität lebensnahe Entscheidungen ermöglicht und auch ein Garant gegen zentralistische Tendenzen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Motto der Europäischen Union ist: In Vielfalt geeint. Ein starkes Europa lebt davon, dass wir in unterschiedlichen Ländern, unterschiedlichen Kulturen, unterschiedlichen Sprachräumen miteinander leben. Die Stärke Europas ist ge­nau diese Vielfalt, und die gilt es auch zu schützen und zu respektieren.

Die Europäische Union bringt zweifelsohne unglaublich viele Vorteile mit sich. Die offenen Grenzen und der freie Handel haben zum Wohlstand in unse­rem Land und auf unserem Kontinent geführt. Unternehmen können ohne Handelshemmnisse in ganz Europa agieren und Verbraucher haben einen beinahe unbeschränkten Zugang zu einer breiten Palette von Waren und Dienstleistungen, und dies zu wettbewerbsfähigen Preisen. Das hat zu vielen Arbeitsplätzen, einer extrem hohen Beschäftigung geführt, zu einem guten Wirtschaftswachstum und dem Wohlstand und Wachstum beigetragen, in dem insbesondere meine Generation aufgewachsen ist.

Besonders für junge Menschen bietet die Europäische Union unglaublich viele Vorteile – ich habe es eingangs schon kurz erwähnt –: In einem anderen EU-Land zu studieren, zu arbeiten, ohne Visum zu reisen steht für uns auf der Tagesordnung, ist beinahe selbstverständlich. Gleichzeitig ist es eine unschätzbare Erfahrung, wenn man in anderen Ländern, anderen Kulturen Sprachen erlernen kann und natürlich auch Kontakte und Freund­schaften knüpft.

Erasmus plus ist das Erfolgsmodell insbesondere für junge Menschen, und ich bin stolz darauf, dass Erasmus plus nicht nur Studierende anspricht, sondern – das wissen die wenigsten – auch Schülerinnen und Schüler, und – ganz wichtig! – auch Lehrlingen ist es möglich, über Erasmus plus Auslandser­fahrungen zu sammeln. Ich bin der Meinung, wir müssen noch viel, viel mehr Marketing dafür betreiben und dafür deutlich stärker auch unter Lehrlin­gen die Werbetrommel rühren.

Das alles ist ohne die Vereinigten Staaten von Europa möglich. Das alles ist als stolze Österreicherinnen und Österreicher möglich, und es ist gerade die Aufgabe auch von jungen Menschen in unserem Land, dass wir einerseits unsere österreichische Identität, unsere Kultur, unser Brauchtum, unsere Tradi­tionen hochhalten und erhalten und gleichzeitig für ein starkes Europa, in dem wir in den wichtigen Fragen zusammenarbeiten, eintreten.

Wir sind ein stolzes Österreich in einem geeinten, friedlichen Europa. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

10.53

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte.