11.15

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Also, Herr Kollege Reimon, ich habe meiner Chefin zugehört, nicht nur weil sie meine Chefin ist, und sie hat ein bisschen etwas anderes gesagt, als Sie es jetzt hier darstellen.

Ich habe aber eigentlich gerade für heute auch zu anderen Themen etwas vor­bereitet, habe nämlich mit ein paar meiner Kolleg:innen im EU-Parlament gesprochen, wie diese denn auf Österreich und auf die österreichische EU-Poli­tik schauen und was deren Eindruck ist.

Die FPÖ dreht ja oft total durch, wenn man ausspricht, was man für die Europäi­sche Union eigentlich für eine Vision bräuchte. Aber das ist es ja auch, Poli­tik zu machen: zu sagen, in welche Richtung ein Weg gehen kann; auch zu sagen, zum Beispiel: Eine Alternative zur Nato im Sinne einer Abhängigkeit von an­deren ist es natürlich auch, eine selbstbestimmte europäische Verteidigungspoli­tik zu haben – eine selbstbestimmte europäische Verteidigungspolitik.

Das aber, was viele hier immer wieder betonen, dass wir es brauchen, ist ja: Wir sind Brückenbauer in Österreich!, und: Eine Brücke in den Osten, nach Russland zum Beispiel! – „The Economist“ hat das in einer der letzten Ausgaben als Brücke ins Nirgendwo bezeichnet und hat zum Beispiel auch gesagt, dass, während man in der Vergangenheit ja gerne gemeint hat, Österreich sehe sich selber als kleines Deutschland in den Alpen, besser geführt, wir statt­dessen einem anderen Land immer ähnlicher werden, nämlich Ungarn!

Und was wir uns in Ungarn anschauen können, die andere Vision, die da prä­sentiert wird, auch von der FPÖ, wo der Weg hingehen soll, ist eine Superinflation, die dort die Bevölkerung bedroht, ein wirtschaftliches Desaster, eine Kleptokratie autoritärer Eliten, die ihrer Bevölkerung die Freiheit verwehrt. – Das ist die politische Vision, die viele hier im Haus aufzeichnen, und in diese Richtung wollen wir nicht gehen! (Beifall bei den NEOS.)

Es ist eben diese egoistische, kurzsichtige, populistische Europapolitik, die viel­leicht immer wieder für gute innenpolitische Schlagzeilen sorgt, übermorgen aber ist ihre Konsequenz die totale Verwahrlosung der Politik und der Republik.

Erst diese Woche hat man sich ja auch in der Bundesregierung darüber empört, dass Frankreich aus nationalem Interesse eine Abstimmung über die Reform der Erneuerbare-Energien-Richtlinie verschiebt. Es ist absolut richtig, sich darüber zu empören, aber wer hat das denn erfunden? Wer hat das denn im letzten halben Jahr praktiziert (Beifall bei den NEOS): ein österreichisches Veto zum Schengenbeitritt Rumäniens und Bulgariens, ein deutsch-öster­reichisches Veto zum Verbrennerverbot? Wo kommen wir so in Europa hin? Je­der für sich, keiner für einen, alle für keinen – ist das wirklich das Europa, das wir wollen? Glauben wir, dass wir damit auch in der Welt erfolgreich sein können?

Man muss da schon auch der ÖVP den Spiegel vorhalten, was wir in Europa eben für ein Bild abgeben. Zum Thema Schengen zum Beispiel: Wir als Österreich, das überdurchschnittlich von der EU-Osterweiterung profitiert hat – wir sind der zweitgrößte Investor im Rumänien –, haben ohne sachliche Begründung den Schengenbeitritt - - (Abg. Höfinger: „Ohne sachliche Begrün­dung“? Das ist ja ein Quatsch!) – Ja, ohne sachliche Begründung haben wir den Schengenbeitritt verwehrt. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe eine rumänische Kollegin im EU-Parlament gefragt, wie sie das erlebt hat. (Abg. Schmuckenschlager: Man muss halt den Ausweis herzeigen an der Grenze ...!) Sie hat gesagt, es sei eine Demütigung – eine Demütigung für ihre Mitbürger:innen, auch für die vielen Rumän:innen, die in Österreich leben, die hier leben, Steuern zahlen, unsere Kinder unterrichten, unsere Eltern pflegen – eine Demütigung, so haben sie es empfunden. (Abg. Höfinger: ... Schengen ...!)

Ein anderer Kollege hat mir geschrieben: Die Konsequenz des Vetos ist die Stärkung der extremen Rechten in Rumänien, eine antieuropäische Stimmung und eine Feindseligkeit gegenüber Investoren aus dem Ausland! – Das sind übrigens wir, die Investoren aus dem Ausland, gegenüber denen man jetzt feindselig eingestellt ist. (Abg. Schmuckenschlager: Überhaupt nicht!) – Danke, ÖVP! Danke dafür! (Beifall bei den NEOS.)

Das ist Ihre Wirtschaftspolitik: dass die österreichischen Unternehmen dann aus einem Land rausgejagt werden. (Abg. Höfinger: ... mit anderen Themen zu ver­binden, das ist ja wirklich billigst!)

Zum Verbrenner muss man nur kurz sagen: Während sich viele in der Europäi­schen Union darum bemüht haben, eine Zukunft auch für die österreichi­sche Autozulieferindustrie zu finden, damit wir nicht von den Vereinigten Staa­ten und China abgehängt werden, sieht das die ÖVP nicht. (Abg. Höfin­ger: ... die Augen zumachen!) Man blockiert wieder ohne sachliche Begründung. Die Konsequenz davon ist, dass man vielleicht in ein paar Jahren eh noch mit Verbrennern an leeren Fabriken vorbeifahren kann, während alle anderen mit chinesischen E‑Autos unterwegs sein werden. Danke, ÖVP, für diese wirtschaftspolitische Europavision, die hier dargestellt wird! (Beifall bei den NEOS.)

Was wir NEOS vorschlagen, ist eben eine andere Zukunft (Abg. Höfinger: Was heißt das sicherheitspolitisch? Ein Freibrief?), eine Zukunft in einem star­ken Europa. Ein starkes Europa muss aber auch näher zusammenrücken, muss Gemeinsamkeiten finden und muss klar vorgeben, wohin die Reise geht: dass wir auch mit der europäischen Art zu leben in der Welt erfolgreich sind. Das ist Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Vielfalt, und das geht nur in einer Zukunft mit Vereinigten Staaten von Europa. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.21

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Rausch. – Bitte. (Abg. Höfinger – in Richtung MEP Gamon –: Claudia, das war heute nicht gut! – MEP Gamon: Das ist mir wurscht! – Abg. Höfinger: Ich wollte es dich nur wissen lassen!)