11.49

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier, aber auch vor den vie­len Geräten, wo man das heute sehen kann! Vor allem aber: liebe Schülerin­nen und Schüler! Herzlich willkommen zu dieser Debatte, die eine ganz, ganz wesentliche ist!

Ich habe mich bewusst relativ spät gemeldet, weil ich auf einiges, was hier ge­sagt worden ist, reagieren wollte. Ich widerstehe aber dem Versuch, auf die vielen polemischen und populistischen Aussagen zu reagieren, denn die werden sich von selbst richten. Diese Debatte ist mir dafür zu ernst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Steger: Dazu braucht es auch Argumente, nicht?!)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger, bei einigem, was Sie gesagt ha­ben, muss ich zustimmen. Wir können, glaube ich, festhalten, dass die glo­bale Weltordnung in Bewegung ist und dass Europa zwischen den USA, China, Russland, aber auch einem aufstrebenden Indien steht und die letzten drei Jahre schlicht und ergreifend mit einem Wort zu beschreiben sind: Ausnahmezu­stand. Ich muss nicht wiederholen, wo die Herausforderungen liegen, die nicht nur in Österreich, sondern europa- und teilweise weltweit zu finden sind.

Zu Beginn möchte ich eines auch ganz klar festhalten: Ich sehe die Lösung all dieser Herausforderungen ganz und gar nicht in einem von Ihnen als Vereinigte Staaten von Europa bezeichneten Konstrukt. Ganz im Gegenteil: Die Stärke der Europäischen Union liegt in der Vielfalt. Und wir haben in der Vergangenheit bewiesen – die Geschichte hat es über Jahrzehnte und auch in der jüngeren Vergangenheit gezeigt –, dass genau diese Vielfalt und auch die Einigkeit, die wir jetzt in der Europäischen Union erleben, das Erfolgs­modell Europäische Union ausmachen und auch zukünftig ausmachen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schwarz.)

Wir haben eine ganz klare Antwort auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gegeben und diese Antwort sehen Sie in zehn einstimmig beschlossenen Sanktionspaketen, das elfte ist in Verhandlung. Was jetzt zu tun ist, haben einige von Ihnen schon angesprochen. Ich möchte auch festhalten, dass diese Diskussion sehr, sehr weiblich ist. Bisher haben acht Frauen und nur vier Männer gesprochen, während der Anteil an weiblichen Abgeordneten hier im Hohen Haus ja unter 40 Prozent liegt.

Was jetzt zu tun ist, ist, konstruktiv zu sein und man kann es mit drei Worten beschreiben. Ich möchte diese drei Worte und die damit einhergehenden Handlungen wie folgt umschreiben: Es gilt, die europäischen Werte zu verteidi­gen, unseren Wohlstand abzusichern und den Wandel, der eingetreten ist, für die Europäische Union und für unsere Zukunft positiv weiterzuentwi­ckeln. Die Kraft der Europäischen Union liegt darin, die großen Proble­me grenzüberschreitend zu lösen. Das ist vielfach gelungen. Denken Sie an den Binnenmarkt, denken Sie an die Eurozone, an die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft: Stichwort Horizon Europe, das weltweit größte Forschungs­programm! Denken Sie an die grenzüberschreitende Kooperation der Sicherheits- und Justizbehörden! (Abg. Meinl-Reisinger: ... Mehrstimmigkeit, nicht Einstimmigkeit! Das ist eben der Unterschied!) Und ja, die gehört ausgebaut, auch da stimme ich Ihnen zu. In Zeiten wie diesen, in denen wir – womit wir im 21. Jahrhundert niemals gerechnet haben – nur wenige hundert Kilometer von der östlichen Grenze Österreichs einen Krieg toben sehen, ist das einfach notwendig.

Es ist also noch einiges zu tun und genau jetzt ist die Zeit dafür, diese Dinge auch tatsächlich anzugehen: zum Beispiel auch im Kampf gegen die ille­gale Migration, wo wir die Ziele noch nicht erreicht haben, oder bei der Vervoll­ständigung des Binnenmarktes oder auch bei so banalen Dingen wie einem einheitlichen Schienensystem, damit nicht in jedem Land die Lok ge­wechselt werden muss. Diese Herausforderungen sind aber keine einfachen und sie sind nicht so einfach zu lösen, wie eine Partei, die auch im Hohen Haus vertreten ist, uns weismachen will. Es gibt keine einfachen Lösungen.

Und wenn wir große gemeinsame Lösungen haben wollen, dann müssen wir uns auch hinsetzen und versuchen, einander zu verstehen, um dem Motto der Europäischen Union – In Vielfalt geeint – auch zu entsprechen. Die Stärke Europas liegt genau darin und nicht in einem Einheitsbrei, der sich vielleicht in dem, was Sie hier vorschlagen – Vereinigte Staaten von Europa –, widerspiegeln könnte.

Wir dürfen nicht naiv sein. Es ist nicht leicht, diese Antworten zu geben und man könnte auch sagen, dass wir in der Vergangenheit mehr Probleme gesammelt als gelöst haben. Aber wenn ich eine Chance sehe, voranzukommen, dann ist es im jetzigen Moment, da Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit keine Schlagworte mehr sind, sondern Dinge, für die wir jeden Tag eintreten müssen, um sie tatsächlich zu erreichen.

Eines möchte ich auch noch sagen: Die neuen Bedrohungen, die Sie ange­sprochen haben, zeigen sich vor allem in hybriden Bedrohungen, auch im Netz, und sie betreffen auch demokratische Prozesse. Einer dieser wichtigen demokratischen Prozesse wird nächstes Jahr im Juni stattfinden: die Wahlen zum Europäischen Parlament. Daher ist es essenziell, die Aufrechterhal­tung und Verteidigung der kritischen Infrastruktur vom Krankenhaus bis zur Telekommunikation, aber auch die Terrorprävention hochzuhalten (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) und die Menschen – von der Energie bis zu den Lebensmitteln – gut zu versorgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: Die Europäische Union ist zweifellos ein Erfolgsmodell; sie wird aber nicht an der Geschichte gemessen, sondern an der Fähigkeit - -

Präsidentin Doris Bures: Frau Ministerin, Sie müssen bitte den Schlusssatz for­mulieren.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler (fortsetzend): Ich bin beim Schlusssatz. Sie wird nicht an der Geschichte gemessen, sondern an der Fähigkeit, Antworten auf die Fragen der Gegenwart zu geben und Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden. Da sind wir alle gefordert und ich bin davon überzeugt, dass uns das gemeinsam gelingen kann: für eine gute Zukunft mit einem starken Öster­reich in einer starken Europäischen Union. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP so­wie des MEP Mandl.)

11.55

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Europaparlamentarier Lukas Mandl zu Wort. – Bitte.