16.15
Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und zu Hause! Wir erleben seit mittlerweile mehr als einem Jahr eine für viele Menschen nicht mehr vertretbare Situation, was die Lebensmittelpreise betrifft – viele Menschen stöhnen wirklich unter den enormen Kosten im Lebensmittelbereich –, und gleichzeitig finden wir eine Regierung und Regierungsparteien vor, die nicht bereit sind, wirkliche Maßnahmen zu setzen, damit die Preise im Lebensmittelbereich endlich wieder sinken, sodass das Leben für viele wieder ein Stück leistbarer wird.
Kürzlich, und da hatte man geglaubt: Okay, jetzt hat es auch die Regierung erkannt!, hat es dann so etwas wie einen Lebensmittelgipfel gegeben, der mit viel Tamtam inszeniert worden ist. Und wenn wir jetzt ehrlich sind – das wisst ihr auch –, müssen wir sagen, er hat keine Lösung gebracht. Es gibt keine Verbesserung in diesem Bereich, die Lebensmittel werden um keinen Cent billiger.
Jetzt kommt aber die Regierung – Entschuldigung, auf diese Idee muss man erst einmal kommen! – und meint, die Teuerung mit dem Abfallwirtschaftsgesetz bekämpfen zu können, glaubt ernsthaft, dass mit diesem Gesetz auch nur ein einziges Lebensmittel billiger wird. (Abg. Wurm: Nein! – Zwischenruf des Abg. Litschauer.) Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Was heißt „Nein!“? Irgendjemand schreit da „Nein!“ heraus. (Abg. Wurm: Ich sage Nein!) Ihr werdet doch zumindest euren eigenen Ministerratsvortrag kennen (Abg. Wurm: Ist ja nicht mein Antrag, darum sage ich ja Nein! Ist ja Schwachsinn!), das Maßnahmenpaket gegen die Teuerung, und ein Punkt ist genau dieses Gesetz, bei dem ich mich frage: Wodurch soll da auch nur ein Lebensmittel um einen Cent billiger werden? (Abg. Wurm: Ganz genau! Gut erkannt!)
Was hier jetzt gerade passiert, ist nichts anderes als eine Umetikettierung der Lebensmittelverschwendung zu einem Antiteuerungspaket. Und nur, damit ich nicht falsch verstanden werde: Natürlich ist es wichtig und natürlich ist es richtig, gegen Lebensmittelverschwendung Maßnahmen zu setzen. Wir haben circa 800 000 bis 1 Million Tonnen Lebensmittelverschwendung im Jahr. Ja, natürlich ist es richtig, Maßnahmen dagegen zu setzen, aber selbst das Gesetz, das ihr jetzt hier vorlegt, ist gerade einmal ein Stückwerk. Es ist halbherzig und es kommt irgendwann zum Tragen.
In dem Gesetzestext steht drinnen, die Unternehmen sollen da erstmals im vierten Quartal einmelden, ob und wie sie die Lebensmittel, die ihnen verbleiben, hergeben, was sie mit diesen Lebensmitteln machen. Und im Frühjahr des kommenden Jahres wird das dann erstmals angeschaut. Na, das wird den Österreicherinnen und Österreichern, das wird den Menschen, die in diesem Land leben, momentan beim täglichen Einkauf helfen! Na, gratuliere, das ist ein Bombenantiteuerungspaket, das ihr da auf den Weg gebracht habt!
Aber selbst diese Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung, die ihr heute hier mit dieser Gesetzesvorlage auf den Tisch gelegt habt, ist wie schon gesagt halbherzig. Wenn man wirklich gegen die Lebensmittelverschwendung etwas machen möchte, dann müsste man sagen, die Lebensmittelkonzerne und all jene, die Lebensmittel verkaufen, müssen endlich damit aufhören, Lebensmittel zu vernichten. Wir bräuchten eine neue gesetzliche Grundlage für Lebensmittel, die optisch nicht in den Handel passen, dass diese nicht einfach auf dem Acker bleiben und dort zerstört werden, sondern ebenfalls verkauft werden. Und wir bräuchten endlich auch ein Modell für die verpflichtende Abgabe von Lebensmitteln, die eben in Supermärkten oder wo auch immer übrig bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)
Das macht ihr aber natürlich nicht, sondern der Inhalt dieses Gesetzes, das ihr hier auf den Tisch legt, ist ein frommer Wunsch, weil in Wirklichkeit gar nichts passiert. Ihr agiert nach dem Motto: Macht ein bisschen etwas! – Wenn ihr wollt, dass das passiert, dann muss man in diesem Bereich auch eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen.
Deshalb bringe ich abschließend folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Teuerungsexzessen und Verschwendung von Lebensmitteln im Handel!“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung und zur Linderung der Teuerung bei den Lebensmitteln dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der“
- ein Antidiskriminierungsgesetz bei Obst und Gemüse samt Abnahmepflicht des Handels vorsieht,
„- nach französischem Vorbild ein Konzept für die verpflichtende Abgabe von nicht mehr benötigten oder verkaufbaren Lebensmitteln an soziale Einrichtungen durch den Handel,
- sowie ein sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs beinhaltet.“
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Macht bitte endlich ein sinnvolles und wirksames Gesetz gegen die Lebensmittelpreisexplosion und von mir aus auch – und dafür wäre ich ja – gegen die Lebensmittelverschwendung. Dieses Gesetz ist Stückwerk, dieses Gesetz macht kein einziges Produkt billiger, dieses Gesetz ist wirkungslos. Es ist ein frommer und zahnloser Wunsch gegen die Teuerung, aber auch gegen die Lebensmittelverschwendung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Litschauer: Aber das Energieeffizienzgesetz hätte Energie billiger gemacht!)
16.21
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Kollross,
Genossinnen und Genossen
betreffend Schluss mit Teuerungsexzessen und Verschwendung von Lebensmitteln im Handel!
eingebracht 2023 im Zuge der Debatte zum Antrag der Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Dr. Astrid Rössler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (3374/A) – TOP 3
Jahr für Jahr fallen in Österreich 800.000 bis eine Million Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen an. Dabei handelt es sich nicht nur um Lebensmittelverschwendung, sondern auch um den Verlust großer Mengen an Ressourcen und Energie, die für die Produktion, Verarbeitung, den Transport sowie die Entsorgung der Lebensmittel aufgewendet wurden.
Neben Bewusstseinskampagnen, die bei der Lebensmittelverschwendung in Haushalten ansetzen, führt an ordnungspolitischen Maßnahmen für den Handel kein Weg vorbei. Denn viele Lebensmittel werden bereits vernichtet, bevor sie überhaupt von den Konsument:innen gekauft werden können.
Eine Maßnahme, mit der mehr günstiges Angebot in die Supermärkte gebracht werden könnte, wäre daher eine gesetzliche Regelung für die verpflichtende Abnahme von Gemüse und Obst, das nicht den übertriebenen optischen Kriterien entspricht. Viel aussortiertes Obst und Gemüse bleibt einfach auf den Feldern zurück oder wird anderweitig entsorgt. Hier greift ein solches Gesetz für Gemüse und Obst, das den Handel zur Abnahme aller Produkte in vertriebsfähiger Form, Größe und Farbe verpflichtet. Normen hinsichtlich Krümmung oder Optik sind nicht länger ein Ausschlussgrund Obst und Gemüse in den Verkauf zu bringen.
Viele Lebensmittel landen aber auch im Müll, weil sie in den Supermarktregalen zurückbleiben und das Mindesthaltbarkeitsdatum überschreiten. Lebensmittel sind aber keineswegs automatisch ungenießbar, bloß, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wurde. Nach französischem Vorbild sollen Supermärkte daher verpflichtet werden, Lebensmittel an Sozialeinrichtungen abzugeben, bevor sie im Müll landen. Mit dieser Pflicht geht natürlich der Aufbau entsprechender Infrastruktur für Lagerung und Verteilung einher.
Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass produzierte Lebensmittel auch wirklich in den Verkauf gelangen und nicht auf den Feldern zurückbleiben oder am Ende des Tages von den Handelsketten in den Müll geworfen werden. Indem wir die Menge an vermeidbaren Lebensmittelabfällen senken, sorgen wir nicht nur für einen geringeren Einsatz von Ressourcen und Energie und damit für mehr Klimaschutz – wir steuern durch eine Reduktion der Verschwendung auch den immer weiter steigenden Lebensmittelpreisen entgegen.
Als unmittelbar wirksame Maßnahme muss endlich, wie nun auch von WIFO-Chef Gabriel Felbermayr befürwortet, ein temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs erfolgen. Bei entsprechender Überwachung und Durchsetzung kann so schnell und mit geringem Aufwand geholfen werden.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung und zur Linderung der Teuerung bei den Lebensmitteln dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der
• eine Abnahmepflicht des Handels für Obst und Gemüse, das nicht den übertriebenen optischen Normen entspricht,
• nach französischem Vorbild ein Konzept für die verpflichtende Abgabe von nicht mehr benötigten oder verkaufbaren Lebensmitteln an soziale Einrichtungen durch den Handel,
• sowie ein sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs beinhaltet.“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.