15.23

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Zunächst, liebe Pamela, von Herzen vielen Dank für die Zusammenarbeit in den letzten Jahren! Ich möchte dir auch persönlich sagen, dass ich diese Zusammenarbeit und auch deine Expertise in so schwierigen Zeiten wie der Pandemie unendlich geschätzt habe. Ich habe dich oft angerufen und gefragt, wie du etwas siehst. Ich möchte im Namen meiner Fraktion auch sagen, dass wir deine Sachlichkeit und Integrität sehr geschätzt haben und der Meinung sind, dass die Politik davon durchaus eine höhere Dosis vertragen könnte. Von Herzen alles Gute für die Zukunft! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

„Heimat großer Töchter und Söhne“ – so besagt es unsere Bundeshymne und das ist ein großes Versprechen. Aber haben alle Kinder in Österreich die Chance, große Töchter und Söhne zu werden? Wenn 368 000 Kinder und Jugendliche in Österreich armutsgefährdet sind, können wir dann davon sprechen, dass wir wirklich das Versprechen der Chancengerechtigkeit geben?

Es ist das ein Umstand, der für eine angeblich christlich-soziale Volkspartei, die seit 1986 in der Regierung ist, eigentlich ein Armutszeugnis ist: 368 000 Kinder und Jugendliche sind von Armut betroffen, und sie haben nicht, wie andere Kinder, die Chance, sich zu entfalten, ein eigenständiges Leben zu leben und ihre Talente, Neigungen und Begabungen zur vollen Entfaltung zu bringen.

Jetzt gibt es die Inflation, und das ist natürlich ein Thema, das vor allem die Schwächsten ganz besonders trifft. Wir – wie übrigens auch alle Wirtschaftsforscher – haben in den vergangenen Monaten massiv kritisiert, dass Sie mit der Gießkanne durchs Land gegangen sind und eigentlich jedes Problem, das Sie gesehen haben, mit Geld beworfen haben. Sie haben damit die Inflation auch noch angefeuert, angefacht, sie ist bei uns höher als in anderen europäischen Ländern, das heißt, die Menschen in Österreich leiden noch mehr darunter. (Abg. Wöginger: Die geht zurück!)

Unser Vorschlag war immer, treffsicher zu helfen, und zwar gerade denen, die es brauchen, und das sind sicher armutsgefährdete Kinder und Jugendliche. Deshalb haben wir es sehr begrüßt, dass Sie die Ankündigung eines großen Pakets zur Bekämpfung der Kinderarmut gemacht haben. Und das ist das Problem: Sie machen eine Sondersitzung mit einer großen Ankündigung für ein Paket, betreiben eine Politik der Schlagzeilen und des Versprechens und kommen heute mit einem mageren Teil, mit einem Fünftel dessen, was Sie eigentlich angekündigt haben. (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und den Grünen, das ist eine Verhöhnung, das reicht nicht, also brauchen wir keine Sondersitzung. (Beifall bei den NEOS.)

Ich finde das eigentlich grotesk. Es erinnert mich ein bisschen an den ehemaligen Bundeskanzler Kurz, bei dem ich immer den Eindruck hatte, dass nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. – Legen Sie ein Paket auf den Tisch, das ordentlich durchdacht ist (Abg. Wöginger: Ist eingebracht, Frau Kollegin! – Abg. Ottenschläger: Aber die Wirklichkeit ist eben nicht überall zu Hause!), dann werden wir dem auch zustimmen! Aber nur Ankündigungen machen – das sollte man gerade auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft nicht tun. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt ein anderes Thema, das ich an dieser Stelle auch ansprechen möchte. Also, wir hätten das Paket schon mitgetragen, aber heute tragen wir es einmal nicht mit, wir warten auf das, was da noch kommt, denn ich finde, was Sie da vorlegen, ist einer Sondersitzung wirklich unwürdig. (Abg. Wöginger: Hallo! Es gibt ja die anderen zwei Punkte auch!)

Aber: Wir müssen das Thema Kinderarmut auch strukturell bekämpfen. Natürlich ist es richtig, in Zeiten der Teuerung den Schwächsten, den Kindern und Familien, die armutsgefährdet sind, mehr Geld zu geben, aber in Wirklichkeit haben wir in Österreich ein strukturelles Problem mit Chancenungerechtigkeit, mit Kinderarmut. Und ich vermisse eine tatkräftige, zukunftsorientierte Bundesregierung, die sagt: So, jetzt krempeln wir einmal die Ärmel hoch und schauen, dass wir das Problem strukturell an der Wurzel packen!

Wir leben in einer Zeit von enormen Umbrüchen, und gerade jetzt muss man doch Weichenstellungen vornehmen, damit man nicht in einem Jahr, in zwei Jahren, in drei Jahren auch wieder nur zu einer Fantasielösung kommt und weiter Geldgeschenke verteilt, und wirklich sagen: Wir schaffen eine gerechte, freie Chancengesellschaft in Österreich! (Beifall bei den NEOS.)

Es ist eigentlich ganz simpel, denn der Hebel dafür ist – und das wissen wir – die beste Bildung und Ausbildung für unsere Kinder. Das heißt, der Hebel setzt natürlich in der Frühpädagogik, in der allerbesten Kinderbetreuung an, und wir wissen, dass wir in Österreich da hinterherhinken. Das wäre doch eine strukturelle Maßnahme, und ich erwarte mir übrigens gerade auch von den Grünen in einer Bundesregierung, dass sie sagen: Jetzt kommt der große Masterplan, wie wir das Thema Chancengerechtigkeit und damit auch Kinderarmut an der Wurzel packen. Bauen wir die Kinderbetreuung wirklich aus, schaffen wir einen Rechtsanspruch und machen wir verdammt noch einmal jede Schule zu einer Ganztagesschule! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Höfinger: Du kannst mir nicht sagen, dass du einen einzigen Bürgermeister in deinen Reihen hast! – Abg. Michael Hammer: Eine Ampelrede! Linke Ampelrede!)

Was machen Sie? – Sie predigen ein reaktionäres Familien- und Frauenbild und zahlen Frauen, wenn sie ihre Kinder nicht in Betreuung geben, zukünftig Herdprämien aus. Das schafft keine Chancengerechtigkeit, das ist auch nicht das Bild einer modernen Familie, einer modernen Frau. Es ist ein Schaden für die Kinder, denen Sie die beste Bildung vorenthalten.

Wissen Sie, was richtig ist? – Es ist das, was unser Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr in Wien macht (Abg. Michael Hammer: Was tut der überhaupt? Was macht der von Beruf? – Abg. Höfinger: Der ist es wert, dass er hier zitiert wird! –Abg. Michael Hammer: Fragen Sie den einmal irgendwas in Wien! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), der das Problem ganz strukturell an der Wurzel packt. Er baut die Kinderbetreuung massiv aus, er baut die Ganztagesschulen massiv aus, er hat ein Paket gegen Kinderarmut auf den Tisch gelegt, durch das armutsgefährdete Familien zunächst einmal in allen Kindergärten und Schulen keinen Essensbeitrag, keinen Nachmittagsbeitrag mehr zahlen. Dieses Paket beinhaltet, dass Schulen gerade für die Kinder der Schwächsten zukünftig auch kostenlose Schulmaterialien zur Verfügung stellen; das ist übrigens Standard in Finnland, wo bei den Pisa-Tests im Bildungsbereich auch alle besser abschneiden. (Abg. Michael Hammer: Da werden 2 Milliarden verschoben und er wird nicht einmal informiert. – Abg. Höfinger: Das ist verwegen, den hier zu zitieren! Das ist wirklich verwegen! – Abg. Michael Hammer: Er hat den Strolz bezahlt für Beratung, das macht der Wiederkehr! 30 000 Euro für Strolz von Wiederkehr! Abg. Steinacker: Unter Freunden!)

Jetzt legt er noch eines drauf, und das ist eine wirkliche Sensation und eine strukturelle Maßnahme: Zukünftig ist in allen Wiener Pflichtschulen für alle Kinder – und das ist, auch wenn es so einfach klingt, wahrscheinlich der größte Hebel – ein gesundes warmes Mittagessen kostenlos. (Ruf bei der ÖVP: Na genau, das muss der Staat ...!) Nehmen Sie sich das zum Vorbild! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steinacker: Das Wort Subsidiarität kommt bei den NEOS nicht mehr vor! – Abg. Michael Hammer: Ein wiederkehrender Versager in Wien! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Das Ludwig-Schnitzel!)

15.29

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Philipp Schrangl. – Bitte. (Abg. Meinl-Reisinger – in Richtung ÖVP : Seids nicht neidig! Ihr könnt ja Geld verteilen, wie Sozialisten es halt so tun! – Abg. Wöginger: Der gute Vize hat gerade um 10 Prozent das Essen erhöht! –Abg. Michael Hammer: Rote Machtzementierer!)