12.24

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor allem aber liebe Österreicherinnen und Österreicher! In den letzten 24 Stunden haben in Frankreich über 1 000 Menschen ihr Leben aufgrund des Coronavirus verloren. In den USA sind mittlerweile über 250 000 Menschen infi­ziert, und in unserem Nachbarland, in Italien, sind mittlerweile über 14 000 Menschen in den letzten Wochen aufgrund des Coronavirus verstorben. Das Schlimme an all diesen Zahlen ist, dass das in vielen Ländern erst der Anfang ist.

Österreich ist bisher besser durch diese Krise gekommen als andere Länder. Der Grund dafür sind Sie, sehr geehrte Damen und Herren Österreicher. Wir haben schnel­ler und restriktiver reagiert als andere. Sie haben durch Ihr Verhalten Leben gerettet, und dafür möchte ich heute einmal ein ganz, ganz großes Danke sagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Die positive Nachricht ist – und ich gebe zu, ich bin darüber froh und erleichtert –: Die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, sind richtig. Die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, zeigen Wirkung, und die Ausbreitung der Krankheit verlangsamt sich in unse­rem Land. Sosehr ich erleichtert bin, dass die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, Wirkung zeigen, so sehr muss uns allen aber auch klar sein: Wir sind noch nicht über den Berg. Jetzt ist es wichtig durchzuhalten, es ist wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, und es ist wichtig, weiterhin alles zu tun, dass wir uns in Österreich eine Situ­ation ersparen, wie sie in vielen Ländern Europas und der Welt mittlerweile eingetreten ist.

Ich möchte heute, auch wenn es einige Unstimmigkeiten gibt, ausdrücklich allen Par­teien in Österreich danken. Quer über die Parteigrenzen hinweg haben wir in Öster­reich gemeinsam richtig reagiert. Ich möchte mich ganz herzlich beim Regierungsteam bedanken. Alle Regierungsmitglieder und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in einer irrsinnig schwierigen Situation fast rund um die Uhr und mit großer Anspan­nung – auch dafür ein ganz großes Danke.

Ich möchte mich ganz besonders bei allen Menschen bedanken, die in unserem Ge­sundheitssystem und im Pflegebereich tätig sind. Ich möchte allen Polizistinnen und Polizisten, den Mitgliedern des österreichischen Bundesheers und auch den Zivil­die­nern dafür danken, dass sie in dieser Ausnahmesituation für die öffentliche Sicherheit, aber auch für die Versorgungssicherheit da sind.

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die einen Beitrag leisten, dass die Versorgung in Österreich funktioniert: von der Landwirtschaft, die Lebensmittel pro­duziert, über alle, die für Logistik und Lieferketten zuständig sind, bis selbstverständlich zu denjenigen, die in den Supermärkten verkaufen und arbeiten, also direkt an der Front sind.

Ich möchte heute allen Menschen danken, die in unserem Land trotz der schwierigen Bedingungen arbeiten gehen und die Wirtschaft dort, wo es möglich ist, am Laufen halten, und ich möchte auch all jenen Danke sagen, die zu Hause bleiben können und das auch tun und somit die Ansteckungsgefahr in Summe reduzieren.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, ich bin mir vollkommen bewusst, dass die Situation eine schwierige ist. Ich verstehe, dass Menschen, die alleine sind, von der Außenwelt fast abgeschnitten sind, isoliert sind, eine unglaubliche Einsamkeit ver­spüren, und ich verstehe, dass es auf der anderen Seite für Familien, die zwar beisam­men sind, vielleicht aber auf engem Raum zusammenwohnen müssen, irrsinnig schwierig ist, alles unter einen Hut zu bringen: die Familie, das Ersetzen von dem, was in der Schule nicht stattfinden kann, und dann auch in vielen Fällen noch die Arbeit oder manchmal die Arbeit per Teleworking. All diese Lebenssituationen sind extrem herausfordernd. All die Maßnahmen kosten Kraft und zehren an unser aller Energie. Die Situation ist schwierig, all das ist aber notwendig.

Ich habe ein Stück weit Sorge, wenn ich auf die nächste Woche blicke: Die Oster­woche ist eine, die viele Menschen als eine Zeit schätzen, in der man auf Urlaub fährt, die Familie besucht, im Kreis der Familie oder sogar noch darüber hinaus feiert.

Ich bitte Sie inständig: Agieren Sie dieses Mal anders! Lassen wir all das, was wir schätzen, heuer zu Ostern aus, um uns und unsere Liebsten zu schützen! Verzichten wir auf Familienfeiern und Zusammenkünfte, da genau diese die größte Gefahr für die Menschen sind, die uns am Herzen liegen!

Ich bin mir vollkommen bewusst, dass all diese Einschränkungen schwerfallen, aber diese Einschränkungen sind notwendig, damit wir die Freiheit wiedererlangen, die wir gewohnt sind. All diese Einschränkungen sind notwendig, damit wir schon bald wieder das Leben führen können, das wir so lieben, und all diese Einschränkungen sind notwendig, damit wir das Leben auch mit den Menschen leben können, die wir so lieben, und nicht Menschen ihr Leben verlieren, die es nicht verlieren müssten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich verspreche Ihnen, dass wir als Bundesregierung alles Menschenmögliche tun werden, damit wir gut durch diese Krise kommen. Und ich verspreche Ihnen auch, dass wir alles Menschenmögliche tun werden, damit wir schnell wieder aus dieser Krise herauskommen. Daher bitte ich Sie alle: Beobachten wir gemeinsam in den nächsten Tagen die Zahlen! Ziehen wir keine voreiligen Schlüs­se aufgrund einiger positiver Signale; es braucht nicht nur einen Trend, es braucht eine nachhaltige positive Entwicklung.

Wir als Bundesregierung werden am Sonntag die Zahlen bewerten und dann gemein­sam mit Experten versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Klar ist, wir wol­len schnellstmöglich wieder aus dieser Krise herauskommen, aber sicherlich nicht so schnell und um den Preis, dass uns dann das passiert, was in anderen Ländern gerade passiert, nämlich Krankheit, Leid und Tod. Wir wollen schnellstmöglich aus dieser Krise herauskommen, aber nur so schnell, wie es auch verantwortungsvoll und machbar ist.

Und daher kann ich jetzt schon ankündigen, dass wir Sie am Montag umfassend über unsere Entscheidungen, die wir am Sonntag treffen, informieren werden. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ich kann Ihnen versprechen, dass, wenn die Zahlen es hergeben, wir alles tun werden, um schrittweise wieder zur Normalität zurückzukehren. Wir werden bei diesen Schritten mit dem Handel beginnen, aber ich bitte Sie um Verständnis, dass, auch wenn die Entwicklung eine gute ist (Abg. Belakowitsch: Ich habe gedacht am Montag ...!), diese Rückkehr schrittweise und behutsam erfolgen wird, um auch die Gesundheit der Menschen in unserem Land zu schützen.

Diese Rückkehr zur Normalität wird mit Begleitmaßnahmen verbunden sein: zum Ers­ten mit dem Schutz der Risikogruppen und der besonders gefährdeten Menschen, der älteren Bevölkerung, zum Zweiten durch einen Kulturwandel – Abstand halten und Masken tragen; ich weiß, das ist nicht angenehm, ich weiß, das ist fremd, aber es ist notwendig, um andere zu schützen, und ich finde es gut, dass die Politik hier mit gutem Beispiel vorangeht (Abg. Schnedlitz: Obwohl die … nicht geschützt sind, aber Sie sind geschützt!), denn Politiker stehen nicht über den Regeln, die für die Bevölkerung gelten (Abg. Belakowitsch: Schauts lieber, dass die ...!) –, und zum Dritten durch Contain­ment – Containment im Sinne von Tracking, einer möglichst breiten und schnellen Testung und der Isolation all jener, die sich potenziell angesteckt haben. Ich habe den Gesundheitsminister und die Bundesländer gebeten, alles zu tun, um dieses professionelle Containment so vorzubereiten, dass es funktioniert, sobald wir den Betrieb wieder hochfahren, damit nämlich dann, wenn es Glutnester gibt, diese Glut­nester schnell isoliert und gelöscht werden können und nicht auf jeden einzelnen Fall sofort wieder ein Flächenbrand folgt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Coronakrise, dieses Virus bringt Krankheit, Leid und Tod in Österreich und in anderen Ländern der ganzen Welt, und darüber hinaus bringt es eine weltweite Wirtschaftskrise, wie wir sie alle noch nicht erlebt haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Gesunde Unternehmen stehen vor dem Zusammenbruch, und Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, verlieren ihren Arbeitsplatz. Wir als Bundesregierung haben daher sofort entschieden, 38 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um Hilfsgelder für die Unternehmen und für die Menschen zur Verfügung zu stellen, um diese Situation zu entschärfen und sicherzustellen, dass wir durch diese Krise kommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Unser Zugang ist klar: Koste es, was es wolle! Wir werden alles tun, was notwendig ist, um Arbeitsplätze zu schützen und den Wirtschaftsstandort Österreich gut durch diese Krise zu führen. Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen und alles tun, um gemeinsam die österreichische Wirtschaft wieder so stark zu machen, wie sie vor der Krise war.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wünsche mir, dass ich gemeinsam mit Ihnen in einem Jahr zurückblicken kann und dass wir gemeinsam feststellen können: Wir haben die Krankheit besiegt, wir haben gemeinsam Leben gerettet und wir haben es ge­schafft, dass der Wirtschaftsstandort Österreich ein Comeback feiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, damit das gelingt, habe ich aber eine große Bitte an Sie, die die Voraussetzung dafür ist (Abg. Schnedlitz: Wie viel Redezeit gibt es denn noch? … 10 Minuten! – Abg. Belakowitsch: Es sind schon 11 Minuten!): Bitte halten Sie durch, damit all das möglich ist. Ich garantiere Ihnen, Österreich wird diese Krise überstehen, Österreich wird besser durch diese Krise kommen als andere Länder, Österreich wird schneller aus dieser Krise herauskommen als andere Länder, aber nur, wenn wir zusammenstehen und wenn wir vor allem eines tun, nämlich in den nächsten Wochen durchhalten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

12.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler, dem ich das Wort erteile. – Bitte, Herr Vizekanzler.