13.11

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Endgeräten, hoffentlich zu Hause! Vor nicht einmal zwei Wochen haben wir das erste Covid-19-Paket hier im Haus mit allen Fraktionen gemeinsam in einem Sitzungsmarathon, dessen Ablauf ich bis dahin für unmöglich gehalten hätte, beschlossen.

Ich bin auch beeindruckt davon, wie dieses Parlament in dieser Ausnahmesituation, in dieser Krise funktioniert, in der größten Krise, die wir in diesem Land in der Zweiten Republik gesehen haben. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei allen bedanken. Auch wenn es hier und dort Probleme gibt, ist die Funktionsweise des Parlaments, die parlamentarische Zusammenarbeit und die Beschlussfassung problemlos möglich. Wir haben unter Beweis gestellt, dass wir sehr professionell arbeiten können. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es sind seither nur zwölf Tage vergangen, es fühlt sich eher an wie zwei Monate – ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht. (Abg. Krainer: ... drei Wochen, nicht zwei!) Vor allem geht es vielleicht auch vielen Leuten zu Hause so, die zu Hause alleine sind, die mit den Kindern zu Hause sind, die in Homeoffice arbeiten und daneben auch noch Homeschooling betreiben müssen. Wir wissen, das ist nicht kombinierbar. Homeoffice heißt nämlich nicht, dass man locker entspannt auf der Couch liegt und daneben ein bisschen arbeitet. Homeoffice unterliegt denselben Anforderungen wie die Arbeit im Büro. Sich daneben noch darum kümmern zu müssen, dass die Kinder Hausübungen machen, dass sie auch wirklich lernen, das ist eine extrem große Herausforderung. Ich selber habe keine Kinder. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, ganz ehrlich. Mein großer Respekt gilt all jenen in diesem Land, die diese unfassbare Aufgabe jetzt die ganze Zeit über stemmen und stemmen müssen, insbesondere die Alleinerziehenden, die mit dieser Aufgabe auch noch alleine sind; sie sind ganz besonders betroffen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Es ist völlig okay, einmal zu sagen: Ich kann nicht mehr! Es ist völlig okay, zu sagen: So, ich brauche jetzt einmal Pause!, und die Kinder in die Schule zu geben. Die Schulen sind offen. Es findet dort kein Unterricht statt, aber sie sind offen und die Kinder können dort betreut werden. (Zwischenruf der Abg. Fürst.) Es ist völlig legitim, auch das zu tun. Es gibt auch Helplines. Rufen Sie bei den Helplines an! Sie sind auf der Internetseite des Sozialministeriums zu finden. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Auch für Kinder und Jugendliche ist diese Situation sicher herausfordernd. Es gibt sehr viele Kinder, die in Familien leben, die keine Terrasse, keinen Balkon, keinen Garten haben, die auf sehr beengtem Raum wohnen, die ihre Freundinnen und Freunde nicht sehen können. Für Jugendliche, die sich vielleicht aufgrund ihres Alters derzeit ganz grundsätzlich nicht so gut mit ihren Eltern verstehen, mit denen es viele Meinungs­ver­schiedenheiten gibt, und die jetzt zwangsläufig noch mehr Zeit mit den Eltern verbrin­gen müssen, kann das eine sehr schwierige Situation sein. Es gibt dafür Rat auf Draht. Die MitarbeiterInnen von Rat auf Draht, dieser sehr bewährten Hotline, stehen bereit. Man kann sich bei ihnen per Telefon oder im Internet Hilfe holen.

Die Zeit vergeht sicher auch für jene Menschen extrem langsam, die jetzt Angehörige pflegen müssen, die, weil sie sowieso zu Hause sind, diese Arbeit übernommen haben, weil die mobilen PflegerInnen woanders dringender gebraucht werden, und die jetzt, um ihre Angehörigen, ihre Eltern zu schützen, auch nicht mehr hinausgehen können. Auch das ist eine extrem belastende Situation, und auch da sage ich: Es gibt ent­sprechende Hotlines. Melden Sie sich dort!

Wir wissen auch, dass sich – wie beispielsweise zu Weihnachten – in Zeiten, in denen Menschen sehr viel Zeit zu Hause verbringen, die Zahl der Fälle von Gewalt in der Familie, Gewalt gegen Frauen erhöht. Auch da gibt es eine Helpline, nämlich die Frauenhelpline, an die Sie sich wenden können, bevor etwas passiert oder wenn etwas passiert. Sie sind nicht alleine, lassen Sie sich helfen!

Die Einschränkungen unserer Freiheit, die wir hier in den letzten zwei Wochen ge­meinsam beschlossen haben, sind enorm. Wir haben sie beschlossen und wir setzen sie um, um uns zu schützen, um unsere Gesundheit zu schützen, um unser Gesund­heits­system zu schützen, um das Leben unserer Mitmenschen zu schützen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen – und, Herr Kickl, ich kann Ihre Relativierungen wirklich nicht nachvollziehen –, warum wir das tun: Wir tun das, damit unsere Ärztinnen und Ärzte in den nächsten Wochen nicht darüber entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss. Das ist der Grund, warum wir all diese drastischen Maßnahmen setzen, und wir werden weiter durchhalten müssen. Wir werden jetzt noch einmal die Zähne zusammenbeißen müssen.

Es kommt jetzt Ostern. Ja, wir alle würden gerne mit der Familie feiern. – Das spielt es jetzt nicht! Wir werden uns zusammenreißen müssen und weiter daran arbeiten, dass die Infektionszahlen noch weiter runtergehen und dass wir auf mittlere Sicht wieder ein normaleres Leben führen können, auch wenn es noch für längere Zeit nicht so normal sein wird, wie es vor Beginn dieser Krise gewesen ist. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es gibt aber in dieser extrem schwierigen Situation auch vieles, das Kraft gibt, nämlich der Zusammenhalt, der spürbar ist. Ich finde ganz faszinierend, wie gut das Tragen der Masken von der Bevölkerung angenommen wird, wie viele Leute sich selber Masken nähen. Es ist extrem wichtig, dass auch hier noch einmal betont wird, dass der Mund-Nasen-Schutz die anderen Maßnahmen nicht aufhebt. Wir müssen weiterhin Abstand halten, wir müssen weiterhin die Regeln, die wir in den letzten Wochen formuliert haben, einhalten.

Wir werden heute mit dem Beschluss dieses großen Gesetzespakets, das wirklich riesig ist, weitere Maßnahmen setzen, damit die Folgen, die diese Schutzmaßnahmen zwangsläufig haben werden, gut abgefedert werden können. Da gibt es zum Beispiel 30 Millionen Euro für armutsgefährdete Familien; wir werden sie an diejenigen aus­schüt­ten, die es besonders hart trifft. Wir sorgen mit den vorgelegten Gesetzes­vor­schlägen beispielsweise dafür, dass Mietzahlungen ausgesetzt werden können, ge­stundet werden können, später bezahlt werden können und dass niemand aus seiner oder ihrer Wohnung geschmissen wird.

Das alles sind ganz wichtige Maßnahmen, weitere werden folgen. Wir haben genügend Geld in die Hand genommen, um die Folgen, die wirtschaftlichen Folgen zu dämpfen, um die Arbeitsplätze zu sichern und sicherzustellen, dass wir, wenn es dann bergauf geht, wenn wir diese extrem schwierige Phase überstanden haben werden, umso schneller wieder eine gute, florierende Wirtschaft haben und den Wiederaufbau starten können.

Halten wir zusammen, halten wir Abstand, bleiben wir gesund! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.