16.54

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ich verstehe nicht ganz, warum die FPÖ immer so unentspannt ist, wenn es um das Thema Sex geht. (Abg. Amesbauer: Sie verstehen viel nicht!) Sie haben ja auch eine Klage gegen die Safer-Sex-Kampagne des Ministeriums eingereicht und ich frage mich ganz ehrlich schon: warum? (Abg. Belakowitsch: Gut, dass Sie das noch erwähnen! Der nächste Skandal!) Was kann man gegen Verhütung haben? (Abg. Kassegger: Ich kann Sie beruhigen, Frau Kollegin! Wir sind da total entspannt! Aber bei den Kindern sind wir unentspannt, da haben Sie recht!) Was kann man gegen Konsens beim Sex haben?

Ich glaube, gerade bei diesem Thema gibt es noch viele Mythen, und ich glaube, je besser die Jugendlichen aufgeklärt sind (Abg. Wurm: Volksschüler auch, Barbara!), umso gescheiter. Gerade auch wenn es um das Thema Kindesmiss­brauch geht, ist es extrem wichtig (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), dass es sexuelle Aufklärung als Prävention gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kickl: Der Otto Muehl hat es auch gut gemeint!)

Ich bin aber froh, dass die FPÖ Qualitätssicherung bei sexueller Bildung so schlecht findet, denn dann wissen wir, wir haben vieles richtig gemacht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Wurm: Bei der ÖVP klatscht nur die Frau Pfurtscheller! – Abg. Amesbauer: Die ist ja auch ziemlich woke!) – Liebe Kollegen und Kolleginnen, Sie können sich wieder beruhigen, wir reden nicht mehr über Sex.

Zurück zum eigentlichen Thema: Da ich selbst schon unterrichtet habe, weiß ich natürlich, wie extrem umfassend der Lehrberuf ist: Unterrichtsmaterialien vorbereiten, Hausübungen und Schularbeiten kontrollieren, Elternabende organisieren, dann gibt es noch den einen oder anderen Konflikt in der Klasse. Die Kollegin von den NEOS hat es schon ausgeführt: Die Liste ist sehr lang.

Und so schön der Beruf auch ist – es ist ein schöner Beruf, wenn man sieht, wie sich Jugendliche weiterentwickeln, wie sich Talente herauskristallisieren, wenn man sieht, wie Kinder eine Leidenschaft für etwas entwickeln, das kann ein schönes Gefühl sein –, so riesig ist der Aufgabenbereich. Das kann natürlich fordernd und zum Teil auch überfordernd sein, gerade für junge Lehrpersonen.

Es geht aber nicht nur um die administrativen Aufgaben. Es geht auch darum, dass man als Lehrperson nicht als Psychotherapeut:in, nicht als Sozialarbeiter:in oder Psycholog:in ausgebildet ist. Dass man sich neben dem umfassenden Fulltimejob auch noch mit dem Lehrer:innenbashing herumschlagen muss, das hilft natürlich auch nicht – aber dazu würde es jetzt eine eigene Rede benötigen.

Um Lehrer und Lehrerinnen wirklich im Unterricht freispielen zu können, braucht es natürlich – meine Kollegin hat es schon angesprochen – multiprofessionelle Teams an Schulen: von administrativen Kräften angefangen bis hin zu psychoso­zi­alem Unterstützungspersonal, pädagogischer Assistenz und so weiter, damit sich die unterschiedlichen Berufsgruppen und Experten und Expertinnen gegenseitig unterstützen und ergänzen.

Darum ist es uns auch so wichtig, dass gerade im psychosozialen Bereich vieles weitergeht, denn wir wissen, dass es vielen jungen Menschen einfach im Moment nicht gut geht. Es ist alles andere als eine easy Zeit: Teuerung, Krieg in Europa, die Klimakrise, die unsere Lebensgrundlage gefährdet. Die psychosoziale Unterstützung kann natürlich nicht zusätzlich noch Aufgabe der Lehrperson sein, sondern da braucht es Ressourcen in, aber auch außerhalb der Schule.

Das psychosoziale Personal in der Schule wurde schon angesprochen. Wir haben erstmalig die Finanzierung durch Bundesmittel erreicht und somit die Schul­psychologen und -psychologinnen aufgestockt. Wir haben auch außerhalb der Schule die kassenfinanzierten Plätze aufgestockt, wir haben das Projekt Gesund aus der Krise ins Leben gerufen und immer wieder aufgestockt und erweitert, sodass wirklich alle Jugendlichen niederschwellig eine Gratispsycho­therapie bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist extrem wichtig. Warum? – Weil einfach in diesem Bereich politisch sehr viel lange verschlafen wurde, und wir sind dabei, das kränkelnde, unterfinan­zierte System auf sichere Beine zu stellen. Wir arbeiten natürlich im Großen und Ganzen auf Psychotherapie auf Krankenschein hin.

Was den gesellschaftlichen Handlungsbedarf anbelangt – gerade im Umgang mit psychischer Gesundheit oder Erkrankungen –, müssen wir noch viel lernen. Sätze wie zum Beispiel: Das ist alles halb so wild!, oder: Da muss man sich halt ein bisschen zusammenreißen!, sind zwar gut gemeint, aber helfen wirklich nicht weiter.

Ich glaube, wir müssen bei diesem Thema Schritt für Schritt viel enttabuisieren, damit wir irgendwann zur Normalität kommen, dass es in Ordnung ist, dass man, wenn man gefragt wird: Wie geht es dir?, sagt: Mir geht es im Moment nicht gut. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Zum Schluss noch zu den NEOS: Kollegin Blimlinger hat es angesprochen, wir sind nicht in einer Alleinregierung, natürlich kann man vieles kritisieren. Warum jetzt aber die Bildungspolitik in Wien so sehr gelobt wird, verstehe ich nicht ganz. (Abg. Meinl-Reisinger: Weil unfassbar viel weitergeht!) Wir haben Fördermiss­brauchsskandale, wir haben Lehrer:innenmangel, 250 Lehrer und Lehrerinnen konnten nicht rechtzeitig an Schulen vermittelt werden. Die Reform der Lehrer:in­nenzuteilung ist komplett in die Hose gegangen. Es gingen sogar Kinder und Eltern auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren. Das ist also insgesamt jetzt auch nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. (Abg. Meinl-Reisinger: Wohl, das war sogar sehr gescheit! Man muss ja doch Reformen machen!)

Grundsätzlich bin ich bei Ihnen, wenn es um Bürokratieabbau geht. Ich bin bei Ihnen, wenn es um verschränkte Ganztagsschulen geht. Eines muss man aber schon auch sagen, weil sich die NEOS immer als supercoole Bildungspartei inszenieren: Es ist nicht cool, wenn man Studiengebühren fordert. Es ist auch nicht cool, wenn man Zugangsbeschränkungen fordert. Studiengebühren führen lediglich dazu, dass Kinder aus finanziell schlechtergestellten Haushalten weniger Chancen haben. (Abg. Wurm: Da seid ihr schuld, Barbara! Da seid ihr schuld!) Wenn Ihr Spruch „Flügel heben“ nur für Rich Kids gilt, dann kann ich das leider so nicht mittragen. (Zwischenruf der Abg. Künsberg Sarre.) Das ist so quasi die Aussage: Ja, die, die es sich leisten können, haben es schön und die anderen bleiben auf der Strecke. Das ist nicht unser Verständnis von Bildungspolitik. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Abschließend: Viele Schülerinnen und Schüler befinden sich schon in den Ferien. Von Vorarlberg sind Schüler:innen hier, habe ich gehört, dort beginnen die Ferien morgen. – Ich wünsche euch eine sehr erholsame Zeit. (Abg. Belakowitsch: Haben Sie auch schon Ferien morgen?!) Ich hoffe, ihr könnt euch erholen – mit oder ohne Nachprüfung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.01

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.