22.42

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Bundesminister! „Geht’s dir gut?“ – Das war der Titel unserer letzten Ausgabe von „Grünes Land“, der Zeitung der Grünen Bäuerinnen und Bauern. Dieser Artikel beschäftigte sich mit der psychosozialen Gesundheit auf Bauernhöfen. Wir hatten noch nie eine so große Resonanz von unseren Leserinnen und Lesern wie auf diesen Artikel. Es erreichten uns auch viele Anrufe, fast fühlten wir uns selbst als Sorgentelefon.

Die Landwirtschaft ist im Wandel und steht unter Druck, da hat Kollege Schmiedlechner recht, doch die psychosoziale Gesundheit mit Pestiziden oder Kunstdünger zu lösen, wird nicht funktionieren. (Beifall bei den Grünen.)

Druck entsteht hauptsächlich oder unter anderem gerade wegen des Klima­wandels. Wir als Bäuerinnen und Bauern kennen das gut genug, wenn es Wochen nicht regnet und dann so viel regnet, dass die Ernte weg ist. Druck entsteht in Landwirtschaften durch Mehrgenerationenhäuser. Oft leben bis zu vier Generationen unter einem Dach. Manche kommen nicht einmal mit sich selbst zurande. Druck entsteht, weil du 24/7 für deine Tiere da sein musst. Wenn die Melkmaschine, die Lüftung oder die Fütterung am Samstag ausfällt, kannst du nicht sagen: Am Dienstag kommt der Monteur oder der Techniker! Da braucht man gleich eine Lösung.

Es entsteht natürlich auch Druck finanzieller Natur, das wissen wir. Auch mein Hof war jahrelang hoch verschuldet, weil ich einen Hof übernommen habe, bei dem ein Investitionsstau aufgelaufen ist. Ich habe – frisch von der Land­wirtschaftsschule – Geld gebraucht, habe mir das Geld von der Bank geholt und dann 20 Jahre wirklich schlecht geschlafen.

Ich denke, das Sorgentelefon, das bisher nur am Vormittag erreichbar war, ist enorm wichtig. Wenn man, Kollege Strasser und ich haben das gemacht, sich intensiv mit den Leuten, die am anderen Ende des Telefons sitzen, unterhält, merkt man ganz schnell, dass auch die schon unter Druck sind. Das Sorgen­tele­fon läutet ununterbrochen und die Sorgen, die einem da mitgeteilt werden, steckt man nicht einfach so weg. Das war für uns, nämlich für Georg Strasser und mich, der Anlass, dieses Sorgentelefon auszubauen, es eventuell auch am Nachmittag anzubieten, die Kapazitäten zu verdoppeln, um ganz einfach Entlastung auf beiden Seiten zu schaffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein ganz wichtiger Punkt war für mich in diesem Zusammenhang, auch die Ausbildung beziehungsweise eine Fortbildung für Menschen, die auf Bauernhöfe kommen, wie Betreuungstierärzte, Kontrollassistenten, Biokontrollore und dergleichen, anzubieten. Ich selbst war 20 Jahre Biokontrollor. Ich war in dieser Zeit auf Tausenden Betrieben und habe immer wieder feststellen müssen: Du bist ratlos in diesen 2 Stunden, in denen du in diesem Betrieb bist, du weißt nicht, wie du mit der Situation umgehst. Du merkst ganz genau, dass da etwas nicht stimmt, du spürst das Leid, du weißt aber nicht, wie du damit umgehen sollst. Du weißt nicht, ob zum Beispiel die Visitenkarte des Sorgentelefons reicht. Sprichst du die Menschen direkt an? Unternimmst du etwas dagegen? Schreitest du massiv ein? Drückst du den Menschen dann noch tiefer runter? – Das ist eine schwierige Entscheidung. Du hast Fachkompetenz, aber nicht in diesem Bereich. In diesem Bereich aber müssen wir Fachkompetenz vermitteln. (Beifall bei den Grünen.)

Des Weiteren soll uns eine Studie helfen, die Nöte besser zu erkennen, mehr Sichtbarkeit in das Thema hineinzubekommen und es unter die Menschen – also aufs Land – zu bringen. Die resche Bäuerin und der gestandene Bauer sind in der Regel nicht ganz einfach so bereit, sich selbst etwas einzugestehen. Es ist noch schwieriger, vor jemand anderem seine Schwächen eizugestehen. Eine eingegipste Hand kann man erklären – das war ein Unfall – und man weiß, sie heilt wieder. Eine kaputte Seele ist schwerer zu erklären. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wissen, dass nur rund 26 Prozent der Bäuerinnen und Bauern regelmäßig auf Urlaub fahren. Das liegt ganz einfach daran, dass eine große Verantwortung auf diesen Menschen lastet, die oft unterschätzt wird. Es gibt keinen 8-Stunden-Tag, es gibt keine Wochenenden, es gibt keine fünf Wochen Urlaub – es gibt meistens nicht einmal das Personal, um überhaupt wegfahren zu können. Es gibt diese Arten der Entlastung nicht, auch das sollten wir uns in einem weiteren Schritt anschauen. Sollten uns noch Bäuerinnen und Bauern zusehen: Unter 0810/676810 ist jemand erreichbar, der dir die Frage stellt: „Geht’s dir gut?“, und das ist keine rhetorische Frage. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Werner. – Bitte sehr.