13.48

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Kollegin Becher, es wäre schon wichtig, dass man, wenn man hier spricht, auch zur Sache spricht, denn am Anfang gab es zuerst einmal 2 Minuten lang einen Vortrag über Jugendkrimina­lität, über die wir hier gar nicht reden (Abg. Kugler: Ja, genau!), und dann haben Sie vollkommen ignoriert, was eigentlich im Antrag drinnen steht. (Abg. Michael Hammer: Die neue Linie: einfach faktenbefreit!) Das verstehe ich nicht, denn ich hatte eigentlich den Eindruck, dass Ihnen das Thema wichtig ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wovon reden wir denn hier? – Es geht darum, dass der Maßnahmenvollzug für psychisch kranke Menschen gedacht ist. Es kommen Menschen, die psychisch krank sind und die eine Straftat begehen, in den Maßnahmenvollzug, und für uns war es von Anfang an wichtig, dass der Maßnahmenvollzug keine Endstation ist, dass Maßnahmenvollzug nicht bedeutet, Menschen lebenslänglich irgendwo wegzusperren, nur weil die Gesellschaft nicht mit ihnen umgehen kann. Das ist es nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Was es aber sehr wohl ist, ist, dass Menschen, die eine Gefahr für die Gesell­schaft darstellen, dort untergebracht werden und dass sie dort auch eine Behandlung bekommen, dass es aber sein könnte, dass sie trotz Behandlung – jetzt sind wir beim eigentlichen Punkt – teilweise ihre Gefährlichkeit nicht verlieren. Dieser Gefahr sind wir uns bewusst und diesem Umstand trägt diese Änderung Rechnung.

Was wir machen, ist, dass wir beide Prinzipien vereinen, nämlich einerseits dürfen wir nicht zulassen, dass Menschen, die psychisch krank sind, lebensläng­lich irgendwo eingesperrt bleiben, insbesondere dann nicht, wenn sie diese Taten in einem Alter begehen, in dem sie noch Jugendliche sind, wenn sie ihr ganzes Leben noch vor sich haben. Andererseits dürfen wir aber auch nicht zulassen – und wir werden dann von Herrn Kollegen Lausch, bin ich ganz sicher, in allen wunderschönen Farbschattierungen hören, was da alles passieren könnte –, dass Menschen rauskommen, die weiterhin eine Gefahr für die Gesellschaft sind.

Deshalb haben wir da eine sehr ausgewogene Regelung getroffen. Für diejeni­gen, die bei der Tatbegehung jugendlich waren und jetzt schon in der Maßnahme sind, werden wir hier jetzt beschließen, dass sie dann einen Weg in die Freiheit finden können, wenn sie die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung erfüllen. Das ist wichtig, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, denn die bedingte Entlassung bedeutet zwei Dinge: einerseits, dass sie dafür auch geeignet sein müssen, das heißt, dass sie dafür von der Einschätzung ihrer Gefährlichkeit, aber auch von der Einschätzung ihres Gesundheits- und ihres Genesungszustandes her in der Lage sind, andererseits aber auch, dass sie einer weitergehenden Kontrolle unterliegen, nämlich der Bedingung – darum heißt es bedingte Entlas­sung –, dass sie sich an gewisse Auflagen halten. Wenn sie das nicht können oder nicht tun, dann kommen sie wieder in die Maßnahme zurück – und es gibt eine sehr engmaschige und sehr dichte Überwachung dieser Auflagen.

Deshalb ist das eine sehr gute Lösung, um die Menschen, die jetzt eigentlich nicht mehr in den Maßnahmenvollzug gehören würden, da aber drinnen sind – und das ist wirklich ein wesentlicher Punkt – und dort quasi verlernt haben, wie es ist, in Freiheit zu sein, wie es ist, für sich selbst verantwortlich zu sein, wie es ist, einem alltäglichen Leben zu folgen, das nicht von Zusperren und Aufsperren abhängig ist, sondern vielleicht von einem Spaziergang auf der Blumenwiese, von einem Gang zum Arzt, auch von normalen Interaktionen zwischen Menschen geprägt ist – die haben das verlernt, das ist richtig –, um die Menschen durch diese Auflagen langsam wieder an das Leben draußen ranzuführen.

Der zweite Punkt ist – und das ist fast noch der wesentlichere Punkt –: Die Menschen, die diese Höchstdauer erreichen, Jugendliche, sollen nicht ohne irgendeinen Anhaltspunkt, wie lange der Maßnahmenvollzug dauern wird, unbestimmte Zeit da drinnen sein, sondern sie sollen immer Ziele haben, auf die es sich hinzuarbeiten lohnt. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es muss immer ein Ziel geben, wofür es sich zu arbeiten lohnt. Wenn ich weiß, ich habe einen gewissen Zeitraum, und wenn ich hart an mir arbeite oder wenn ich das mache, was mir an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung gestellt wird, dann habe ich die Chance, auch wieder nach draußen zu kommen.

Das wird jetzt nach einem an und für sich schon sehr aus den Justizanstalten heraus gewachsenen System gemacht, es werden nämlich Fallkonferenzen eingesetzt. An diesen Fallkonferenzen sind alle Expertinnen und Experten beteiligt, die sich zuvor schon mit den Jugendlichen oder dann auch schon Erwachsenen während des Vollzugs beschäftigt haben, und auch diejenigen, die dann draußen in der Freiheit mit ihnen zu tun haben werden. Das sind Angehörige, das sind aber auch Einrichtungen, Wohneinrichtungen, und das ist auch die Psychiatrie in den Anstalten. All diese Menschen, die sich hier einen informierten und einen auf Erfahrung und auf Evidenz basierten Eindruck machen können, beraten dann gemeinsam, wie der Plan für diese Menschen weitergeht.

Ich denke, wir haben hier einen wirklich guten Weg gefunden, um beiden Umständen Rechnung zu tragen: einerseits dem Sicherheitsgedanken, anderer­seits aber auch den Rechten der Betroffenen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.53

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte, Herr Abgeordneter.