13.09

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Maurer, wenn man Ihnen so zuhört, ist das ein wenig weinerlich, möchte ich meinen, so unter dem Motto: Wir machen doch so viel, wir tun doch so viel! Wieso wollen die bösen Wählerinnen und Wähler das nicht goutieren? – Ich finde, das war ein bisschen unfair. (Abg. Schallmeiner: ...! Ihr wollt es nicht goutieren!)

Frau Kollegin Holzleitner, Sie haben gesagt, die Bundesregierung hat die letzten zwei Monate nicht genutzt, um zu arbeiten und zu denken. Ein bisschen ist wohl gedacht worden. Bei dem einen oder anderen hätte ich mir aber gewünscht, es wäre nicht gedacht worden. Das laute Denken darüber, Herr Kanzler, was Sie in Österreich für normal halten und was Sie für nicht normal halten (Abg. Wurm: Ah geh, war super! – Ruf bei der FPÖ: Na, das halte ich für sehr interessant!), hätten Sie sich wirklich sparen können, weil es in unserem Land wirklich schwerwiegendere Themen gibt als diese Frage. (Beifall bei den NEOS.)

Was für Themen gibt es denn aktuell eigentlich? Man hat ja schon ein bisschen den Eindruck, das ist alles eine große Farce. Der Wirtschaft geht es nicht gut. Sie haben gesagt: Na ja, in Deutschland ist es schlechter, Deutschland steckt in einer Rezession! Die Industrie, das wissen Sie ganz genau, befindet sich schon in einer Rezession. (Abg. Wöginger: Die Gesamtwirtschaft!) Reden Sie mit der Bauwirt­schaft, dort brechen schon die Aufträge weg. Man kann die Dinge zwar schönreden, man kann aber auch ehrlich sagen: Die Wirtschaft steht nicht gut da! Das drittniedrigste Wirtschaftswachstum bedeutet im besten Fall eine Stagnation, in Teilen eine Rezession. Wir stehen nicht gut da, wir sind nicht gut durch die Krisen gekommen. (Abg. Wöginger: Blödsinn, wir haben voriges Jahr 5 Prozent ... gehabt!)

Die Inflation – wir haben es schon gehört und wir wiederholen das immer wieder gerne – ist in Österreich deutlich höher als in anderen europäischen Ländern und am höchsten im westeuropäischen Vergleich.

Im Tourismus sehen wir es jeden Tag: Es ist gut, dass so viele Gäste nach Österreich kommen, aber es fehlt an allen Ecken und Enden an Personal. Das Personal fehlt im Pflegebereich, im Gesundheitsbereich. Wir werden es mit Schulbeginn merken, dass in den Schulen und in den Kindergärten Pädagoginnen und Pädagogen fehlen.

Das sind wirklich massive Themen, die einfach nicht mehr angegangen werden können mit einer, verzeihen Sie den Ausdruck, Bullshitpolitik, in der es darum geht, eine Diskussion darüber zu führen, was Sie für normal halten oder was Sie nicht für normal halten, während Sie so tun, als ob Sie regieren. (Abg. Steinacker: „Bullshitpolitik“ geht aber echt nicht! Ordnungsruf!) Sie sind ja allesamt nur noch Politikdarsteller. Mit so einer Politik, mit so einer Farce, wie Sie sie in den letzten Wochen geliefert haben, werden Sie die wirklich massiven Themen nicht in den Griff bekommen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Sie brauchen noch Erholung, glaube ich!)

In Wahrheit lassen Sie die Menschen, insbesondere die arbeitenden Menschen, die die Steuern zahlen, die von sich selber seit Jahren sagen: Ich stehe auf, ich bringe meine Leistung, ich will mir etwas aufbauen können für mich und meine Kinder!, schwerstens im Stich. Genauso lassen Sie auch die Jungen im Stich. Wo sind denn die Chancen? Wo ist denn der Zukunftsglaube? Wo ist denn der Optimismus? Wo ist das Ärmelhochkrempeln für Innovation, für Chancen und für Wachstum in Österreich, das sich die Jungen verdient haben?

Bei allem Dank an die Einsatzkräfte, aber angesichts der Situation mit Hoch­wasser, Vermurungen, oder den Hagelkörnern, die es in Deutschland gegeben hat – haben Sie die Videos mit den 10 Zentimeter großen Hagelkörnern gesehen?; da wünsche ich viel Spaß, wenn man in der Früh mit den Kindern in die Schule geht –: Wo ist denn Ihr Einsatz im Kampf gegen die Bodenversie­gelung? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Arbeitsverweigerung nenne ich das, was Sie in den letzten Wochen da gezeigt haben. Sie lassen die Menschen im Stich und geben dabei ein ganz beschämendes Bild ab. (Abg. Schmidhofer: Eure Mandatare sind nicht heute da! Das ist Arbeitsverweigerung! Die NEOS sind nicht da heute! Arbeitsverweigerung! Wo sind sie?) – Nix da, ich bin da! Hören Sie mir zu! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und weil ich gesagt habe, dass Sie ein beschämendes Bild abgeben: Herr Kickl, ich finde, es ist ein bisschen langweilig, was Sie von sich geben. (Beifall der Abg. Disoski.) Wir hören jetzt seit Jahren die gleichen Reden, das gleiche Geschrei, das ist wie eine hängen gebliebene Schallplatte. Dabei sehe ich tatsächlich keine konstruktiven Lösungen. Sie sind der Geist, der stets verneint. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das ist ja unglaublich!) Ich sage Ihnen noch etwas: Ihre Schallplatte ist hängen geblieben und, ganz ehrlich, ich würde sie nicht kaufen. Die hat viel zu viele Kratzer und das ist tatsächlich zu langweilig. (Abg. Wöginger: Wir haben ja schon CDs! – Abg. Steinacker: Wir sind auch schon auf digital und nicht mehr auf Schallplatte!)

Was mir sehr gut gefallen hat, Herr Kanzler, und ich möchte das wiederholen, was Sie gesagt haben, ist: Man muss Vertrauen in die Menschen haben! – Aber auch das habe ich in den letzten Jahren nicht gesehen. Vielmehr Sie sind hergegangen und haben eigentlich vor allem eines gezeigt: Sie misstrauen den Menschen – angefangen von der Coronapolitik bis hin zur Frage, wie Sie jetzt in Zeiten dieser Teuerung mit den Menschen umgehen. Sie ziehen den Menschen das Geld aus der einen Tasche und geben es ihnen dann wie so ein mildtätiger Gutsherr in Form von Gutscheinen, Boni und Förderungen – Öster­reich ist ja Förderweltmeister – gnädigst zurück. Die Abschaffung der kalten Progression ist richtig, aber das ist keine Entlastung, das ist ein Verzicht auf eine weitere schleichende Steuererhöhung. (Beifall bei den NEOS.)

Warum lassen Sie den Menschen nicht mehr in der Börse? Wir haben uns das angeschaut. Wissen Sie, wie die Steuerbelastung in Österreich mittlerweile im Vergleich zu vor 30, 40 Jahren ist? Sie besteuern in Österreich Durch­schnitts­verdiener wie Spitzenverdiener. Und dann wundern Sie sich, wenn die Menschen sagen: Ich kann mir mein Leben nicht mehr leisten!

Sie sagen seit vielen Jahren, Sie sind die Partei der Leistungsträger, Sie wollen ein Land der Eigentümer schaffen. Seit 20 Jahren stellt die ÖVP den Finanzminister, und ein Institut hat es ausgerechnet: Um eine Wohnung, die 400 000 Euro kostet, kaufen zu können, müssen Sie 1,2 Millionen Euro erarbeiten. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik der Belastung der vergangenen Jahrzehnte! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Da ist nix mit Daumen­drehen!)

Sie rühmen sich, was Sie da an Maßnahmen gesetzt haben. Sie haben selber gesagt, Sie werden im Kampf gegen die Teuerung 40 Milliarden Euro ausschüt­ten. – Ja, da ist die kalte Progression dabei, aber eben auch Zuschüsse, Boni, Förderungen. Gleichzeitig, Herr Finanzminister, stellen Sie sich hin und sagen Sie: Aber für die Herbstlohnrunde gibt es bitte hübsch Lohnzurückhal­tung, denn das würde die Inflation antreiben! – Wissen Sie, ich finde, das ist einfach nicht in Ordnung! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie sagen, dass Sie die Partei der Leistungsträger, der arbeitenden Menschen sind: Die Menschen haben es sich in so einer Zeit der Teuerung verdient, auch ordentliche Lohnabschlüsse zu bekommen. Gleichzeitig stehen die Unternehmen aber kostenmäßig mit dem Rücken zur Wand, bürokratiemäßig auch. Sie werden belastet, belastet, belastet. Sie haben es in der Hand. Sie wissen, dass bei uns die Lohnkosten vor allem durch die Lohnnebenkosten wesentlich teurer sind als in anderen Ländern. Warum gehen Sie nicht her und sagen – und das ist eine nachhaltige Maßnahme –: Wir entlasten jetzt die Arbeitgeber von Lohnnebenkosten?!

Wenn Sie sie nicht senken können – einen Teil könnte man sicher senken, dazu zählen auch die Kammerumlage 2 und so weiter, die Kammern haben wirklich genug Geld –, dann übernehmen Sie das von mir aus budgetär und schaffen damit den Spielraum.

Das wäre ein Anpacken für die arbeitenden Menschen. Schaffen Sie den Spiel­raum für 5 Prozent mehr Nettolöhne, ohne dass die Kosten bei der Wirt­schaft, bei den Arbeitgebern steigen, durch eine Senkung von 6,5 Prozentpunk­ten bei den Lohnnebenkosten! Das wäre eine Politik, die wirklich eine Lösung bringen würde. Aber Sie machen stattdessen lieber weiter diese Gutscheinpolitik nach dem Motto: „Koste es, was es wolle“! Und es ist gesagt worden, Sie sind ja tatsächlich ein Krisenprofiteur. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte noch auf die Sozialdemokratie eingehen. Ich bin dankbar dafür, dass es diese Sondersitzung gibt, denn diese Farce der letzten Woche war ja wie gesagt nicht auszuhalten. Es ist schon wichtig, dass wir uns jetzt endlich wieder um ernsthafte Themen kümmern, aber ich halte dieses „unsere Leute“ für sehr gefährlich. Wir sind in einer Situation, in der wir genug Spaltung haben. Wir können natürlich allesamt hergehen und das machen, was wir von SPÖ, ÖVP und auch FPÖ die letzten Jahre und Jahrzehnte erlebt haben, nämlich so einen Klientelismus: Man definiert, für wen man da ist, und für den macht man halt Politik.

Die FPÖ ist sehr gut darin, die Menschen zu spalten und zu sagen, das sind „unsere Leutʼ“ und das sind die. Ich wäre damit sehr vorsichtig. (Abg. Kickl: Was machen Sie denn jetzt gerade?) In einer Situation, in der es der Wirt­schaft nicht gut geht, in der die Teuerung so hoch ist, in der sich die Frage stellt, wo die Innovationskraft in unserem Land und die Chancen für die nächste Generation sind, in der so viele Probleme zu lösen sind und in der ich auch das Gefühl habe, es ist bisweilen eine Überforderung nicht nur bei der Regierung, sondern auch bei den Menschen – sozusagen auf­grund der Dramatik; denn die verstehen ganz genau, was jetzt gerade am Spiel steht, vom Klima bis zur Wettbewerbsfähigkeit – erkennbar, in dieser Situation herzugehen und zu sagen: Das sind unsere Leute und das sind die anderen!, halte ich nicht für den richtigen Weg. Das ist einfach nicht in Ordnung.

Am Ende des Tages sitzen wir alle in Österreich im selben Boot (Abg. Krainer: Die einen ..., die anderen in der Kajüte! – Abg. Heinisch-Hosek: In der Galeere!), und wir alle müssen darauf bauen, dass wir nicht nur Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben, sondern auch Vertrauen ineinander haben, dass wir die Ärmel hochkrempeln in so einer Situation und wieder anpacken und arbeiten, um unser Land voranzubringen, um Chancen zu schaffen, um Wachstum zu schaffen, um dann auch wieder die Möglichkeit zu schaffen, nachhaltig unseren hohen sozialen Standard abzusichern. Das ist eine Politik, die ich mir erwarten würde – nicht eine des Spaltens! (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben schon mehrfach unsere Pläne gegen die Teuerung auf den Tisch gelegt. Sie wissen, dass wir immer der Meinung waren, dass man die Schwächsten direkt unterstützen muss, aber den arbeitenden Menschen möglichst nicht so tief in die Taschen greifen sollte.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, den ich heute ansprechen möchte, und das ist die Ungleichverteilung von Vermögen. Manche wollen da eine Jagd auf Reiche veranstalten. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Steinacker: Die 10 Minuten sind aus!) Andere, wie wir, wollen dafür Sorge tragen, dass es wieder Vermögensaufbau gibt. Da rede ich schon von den kleinen Sparern in Österreich.

Wir haben über die Zinsen gesprochen, die eh so niedrig sind: Wie kann es sein, dass Milliarden an Sparvermögen der Menschen in Österreich durch die Inflation vernichtet werden (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen) – ja, ich komme schon zum Antrag! – und gleichzeitig aber der Finanz­minister wie ein moderner Raubritter auch noch eine KESt darauf verlangt? (Abg. Wöginger: Was, einen Antrag auch noch? Den muss der Nächste einbringen!)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Klubvorsitzende, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass sich das mit dem Antrag leider nicht mehr ausgeht, weil Ihre Redezeit von 10 Minuten bereits um ist. Vielleicht könnte jemand anderer diesen Antrag einbringen.

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Aber es ist nur ein Satz!

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nein, es sind nur 10 Minuten Redezeit, leider. (Abg. Martin Graf: Das sind schon 12 Minuten! – Abg. Kickl: Sie haben eh eine Uhr vorne!)

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Na gut, dann bitte ich meine Kollegen, den Antrag einzubringen. Es geht um die Senkung der KESt und die Senkung der Steuern. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.20

Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank für das Verständnis.

Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundesminister