9.19

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vielen herzlichen Dank für die heutige Einladung ins Parlament, um zu einem für die Familien und für unser Land ganz wichtigen Thema zu sprechen, nämlich zur Kinderbe­treuung.

Für den Alltag der Familien sind zwei Dinge, wie ich finde, im Laufe des Lebens absolut entscheidend: zum einen, wie die Kinder betreut sind, wo sie betreut sind, wie gut sie betreut sind, und zum Zweiten natürlich irgendwann auch einmal die Frage, wie gut die Eltern und auch die Großeltern im Alter betreut sind. (Abg. Kickl: Von wem? Hoffentlich nicht von ehemaligen Schauspielern!) Für mich als Familienministerin ist es daher wichtig, dass wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als oberste Priorität setzen, denn die Familien leisten tagtäglich so viel im Alltag, nicht nur für die eigene Familie, sondern eben auch für unsere Gesellschaft. Deshalb haben sie es sich verdient, dass die Familien­politik im Zentrum unser aller politischen Bemühungen steht.

Wir haben, wie der Herr Klubobmann ausgeführt hat, daher in den letzten Jahren viel getan. Wir haben die Familienleistungen an die Inflation angepasst, wir haben den Familienbonus erhöht, wir haben den Kindermehrbetrag vor einigen Tagen auf 700 Euro erhöht, wir haben darüber hinaus auch die Abgeltung für den Papamonat verdoppelt; also für jene Zeit, die die Väter in Anspruch nehmen, bekommen sie nun die doppelte Abgeltung.

Wir haben auch im Bereich Kinderbetreuung schon viel getan: Wir haben die neue 15a-Bund-Länder-Vereinbarung vor einigen Monaten abgeschlossen. Wir werden 1 Milliarde Euro investieren, gemeinsam mit den Bundesländern, um den Ausbau der Infrastruktur zu bewerkstelligen.

Jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, wollen wir aber den vollen Turbo zünden. Wir wollen jetzt – und das ist auch sozusagen der Gamechanger in dieser gesamten Debatte (Abg. Kickl: Na bitte, das Wort ist verbrannt!) – nicht nur in die Infrastruktur investieren, also das Gebäude hinstellen, sondern wir wollen die Gemeinden auch im Erhalt und im alltäglichen Betrieb der Kinderbetreuungs­einrichtung finanziell unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Der Gamechanger werden die Wahlen!)

Dafür braucht es natürlich einen Schulterschluss, auch einen parteiübergrei­fenden; es braucht einen Schulterschluss zwischen dem Bund und den Bundesländern, denn wie Sie alle wissen, sind die Bundesländer für die Kinderbetreuung zuständig. Ich sehe, dass da in den letzten Jahren wahnsinnig viel passiert ist. Wir sehen neue Gesetze in Niederösterreich, in Tirol (Zwischenrufe bei der SPÖ); Kärnten hat seit dem Frühjahr ein neues Kinderbetreuungsgesetz. (Abg. Heinisch-Hosek: Was für neue Gesetze?! – Abg. Wöginger: Landesgesetze gibt es auch noch! – Abg. Heinisch-Hosek: In Niederösterreich?! – Abg. Wöginger: In Niederösterreich, ja! – Abg. Heinisch-Hosek: Das hätte ich gern schriftlich!) Da passiert ganz viel, denn der Bedarf und die Notwendigkeit bei den Familien haben sich in den letzten Jahren einfach verändert, und auf diesen Bedarf, auf diesen Wunsch gerade bei den jungen Familien müssen wir alle als Politik natürlich reagieren.

Es ist wichtig, dass sich die Familien einfach darauf verlassen können (Abg. Heinisch-Hosek: Ihr habt sie verlassen!), dass, wenn sie einen Kinderbetreuung­splatz brauchen, dieser auch zur Verfügung steht, denn es kann nicht sein, dass – und jetzt sage ich: eine Mutter, denn meistens sind es die Mütter, die den Hauptteil der Kinderbetreuung leisten (Abg. Scherak: Was ist da eigentlich passiert bei euch in den letzten drei Jahren?!) – eine Mutter nicht mehr arbeiten kann, weil sie keinen ausreichenden und qualitätsvollen Kinderbetreuungsplatz zur Verfügung hat. Das darf nicht sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das ist zentral, gerade wenn es um die Selbstbestimmung von uns Frauen geht. Es geht dabei auch um ein berufliches Vorankommen, es geht auch darum, dass wir Karriereschritte setzen können, es geht auch darum, dass wir finanziell unabhängig sein können, dass wir den Genderpaygap schließen und dass wir am Ende des Tages natürlich auch in der Pension ein ausreichendes Auskommen haben. Es geht mir auch um die hundertprozentige Selbstbestimmung der Mütter, also der Frauen in unserem Land. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Heinisch-Hosek: Das glaub’ ich Ihnen nicht! – Rufe bei der SPÖ: Vier Jahre geschlafen!)

Gleichzeitig ist es natürlich so, dass wir niemanden verpflichten wollen. Jede Familie weiß, was das Beste für ihr Kind ist (Abg. Kickl: Ah, war das beim Impfen auch so?), und jede Familie weiß am besten, wie sie sich ihren Alltag organisieren möchte, und da sind die Lebensmodelle ganz unterschiedlich. Wer sind wir, dass wir vorgeben wollen, wie sich eine Familie organisiert? (Abg. Kickl: Ah, wirklich?!) Wir brauchen hundertprozentige Optionen für die Familien, wir brauchen die Rahmenbedingungen, die es Familien ermöglichen, selbst zu entscheiden, wie sie sich ihren Familienalltag organisieren.

Als Mutter kann ich natürlich gut verstehen, dass man nicht unmittelbar nach der Geburt, so wie ich es gemacht habe, sofort wieder in den Beruf einsteigen will. Jede Familie soll selbst entscheiden, wie sie ihre Familienzeit verbringt oder ob man eben wieder rascher ins Erwerbsleben einsteigen möchte.

Freiheit und Eigenverantwortung sind die Basis für die Familienpolitik, wie wir sie wollen. Wir wollen echte, ehrliche Wahlfreiheit für die Familien in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Was heißt echt, ehrlich? Was ist unechte Wahlfreiheit?)

Gemeinsam mit den Ländern wollen wir daher einen Ausbau bewerkstelligen. 4,5 Milliarden Euro, hat das Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria berechnet, braucht es, um diese echte, garantierte Wahlfreiheit umsetzen zu können. Das sind durchaus ambitionierte Ziele, die wir uns setzen, denn Sie müssen wissen: Wir haben derzeit 76 000 Kinder unter drei Jahren in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir wollen bis 2030 mit einem Volumen von 4,5 Milliarden Euro weitere 50 000 Plätze schaffen.

Ja, da muss man sich natürlich auch genau ansehen: Wie sind die Lebensreali­täten der Familien in Österreich? Wir reden ja gemeinhin immer auch vom EU-Barcelona-Ziel. Ich würde Sie aber bitten, da einen etwas tieferen Blick mit mir in die Zahlen zu werfen, denn wir sehen, dass die Zahlen natürlich sehr unter­schied­lich sind: Während nur 2 Prozent der nulljährigen Kinder in Betreuung sind, sind es bei jenen, die ein Jahr alt sind, 27 Prozent; es sind bei jenen, die zwei Jahre alt sind, 60 Prozent; es sind bei jenen, die bereits drei Jahre alt sind, 90 Prozent.

Ich glaube, das spiegelt auch die Lebensrealität der Menschen wider. Natürlich besteht der Wunsch nach wertvoller Familienzeit, wenn das Kind gerade erst geboren ist und wenn die Kinder ganz kleine Zwerge sind, und das zeigt sich auch in den Zahlen.

Was sich aber auch zeigt, sehr geehrte Damen und Herren, ist, dass sich die Nachfrage sehr stark verändert hat und dass wir gemeinsam mit den Ländern durch die Bund-Länder-Vereinbarung in vielen Altersgruppen die Quoten der Kinder, die in den Betreuungseinrichtungen sind, in den letzten Jahren verdop­pelt haben. Da zeigt sich: Es ist notwendig, auf der einen Seite sozusagen in Vorlage zu gehen, um Plätze zu schaffen. Wenn wir das tun, dann nehmen die Familien dieses Angebot auch an, das hat sich bereits gezeigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Wir wollen insbesondere auch in Plätze investieren, die eine Vereinbarkeit mit einem Vollzeitjob möglich machen, denn nicht nur das Arbeiten generell muss möglich sein, sondern es muss für die Mütter, natürlich auch für die Väter, möglich sein, dass sie daneben Vollzeit arbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir jene Angebote, die eine Ganztagsbetreuung ermöglichen, ausbauen. (Abg. Zanger: Wirtschaftsbund, Industriellenvereinigung ist das wichtig!)

Was wir dabei nicht vergessen dürfen, sehr geehrte Damen und Herren, ist natürlich die Qualität der Plätze, denn es geht nicht einfach nur darum, Plätze zu schaffen, denn die werden nicht angenommen werden, wenn sie keine gute Qualität haben, wenn die Eltern kein gutes Gefühl dabei haben, das Kind in die Kinderbetreuungseinrichtung zu geben. Es ist so wichtig, dass wir das Kindeswohl in den Vordergrund stellen (Abg. Belakowitsch: Widerspruch in sich!) und dass wir in unserem Land Rahmenbedingungen für Einrichtungen schaffen, in denen die Kinder gut aufgehoben sind und auch eine gute erste Bildung mit auf den Weg bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Diese Rahmenbedingungen müssen wir natürlich gemeinsam mit den Bundes­ländern definieren, denn die Bundesländer sind jene, die die Rahmenbedin­gun­gen schaffen, deshalb gibt es bundesländerspezifisch auch Unterschiede. Mein Wunsch wäre aber natürlich, dass wir diese Möglichkeit und diesen Prozess nutzen, um uns gemeinsam über Rahmenbedingungen auszutauschen und zu schauen, dass wir gemeinsam für alle Bundesländer in Österreich Ziele definieren, was diese Rahmenbedingungen betrifft. Es braucht die Rahmenbe­din­gungen nicht nur, um die Kinder bestmöglich aufgehoben zu wissen, sondern es braucht die guten Rahmenbedingungen auch deshalb, weil sie die Voraussetzung dafür sind, dass wir die Pädagoginnen und Pädagogen für diesen Ausbau finden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ja, da geht es um das Gehalt, natürlich ist das ein Motivationsfaktor, aber es geht auch um Betreuungsschlüssel, es geht auch darum, dass die Pädagoginnen und Pädagogen ein Umfeld vorfinden, in dem der Beruf Spaß machen kann, in dem man die Herausforderung gerne annimmt und wo man auch jeden Tag gern in die Arbeit geht und so auch eine positive Stimmung im Alltag möglich ist. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Die Gespräche laufen derzeit im Rahmen des Finanzausgleichs. Wir wollen diesen Turbo jetzt setzen, weil wir auch ein Momentum verorten. Wir haben jetzt den Finanzausgleich sozusagen offen, und wir wollen diese Möglichkeit auch nutzen, um einen gemeinsamen Kraftakt zu bewerkstelligen, einen politischen Schulterschluss, um den ich Sie alle hier auch bitten möchte, denn ich weiß, dass auch viele von Ihnen über die Parteigrenzen hinweg genau dieses Ziel verfolgen und dass wir alle der Meinung sind, dass die Familien in unserem Land mehr Optionen und Möglichkeiten brauchen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte sehr.