10.10

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Also, liebe FPÖ, dass euch das nicht peinlich ist  Wahnsinn! (Abg. Wurm: ... Barbara! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) So ein Wahnsinn! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Zum Thema: Die alte Leier mit dem Versprechen zum Ausbau der Kinderbe­treuung ist wirklich alt. Ich glaube, da war ich selber noch in der Kinderbetreuung, als wir die schon alle gehört haben. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) 2002 wurde der Euro eingeführt und die EU-weiten Ziele der Kinderbetreuung – und wissen Sie was? – Wir haben diese Ziele nach 20 Jahren immer noch nicht erreicht. Die EU hat mittlerweile die Betreuungsziele nach oben geschraubt, und wir haben noch nicht einmal die alten erreicht, und genau das ist der Punkt.

Seit Jahrzehnten höre ich, dass die Kinderbetreuung ausgebaut werden soll. Seit Jahrzehnten sind wir kaum vom Fleck gekommen. Es gibt Dörfer, in denen es Betreuungszeiten gibt, von denen ich mich wirklich frage: Wem sollen die etwas bringen? Dort gibt es zum Beispiel Öffnungszeiten von 4 Stunden am Vormittag, also fernab jeder Lebens- und Arbeitsrealität. Ja, so wurde in Jahr­zehnten viel verschlafen, und Eltern, vorrangig Frauen, wurden so im Stich gelassen.

Mir hat beispielsweise gestern eine Ärztin aus Niederösterreich geschrieben, die gerade ihr Kind erwartet: Ich möchte gern ein Jahr zu Hause bleiben und dann arbeiten gehen. Bei den gegebenen Betreuungsmöglichkeiten sehe ich hierfür keine Chance. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Sie führt dann ihre Situation im Detail aus und kommt zum Schluss: Dies führt dazu, dass ich wohl länger als ein Jahr zu Hause bleiben muss. Das schadet nicht nur mir und unserer familiären Geldbörse, sondern in Zeiten des Ärztemangels auch unserer Gesellschaft. – Zitatende.

Sie hat absolut recht. Man hat sich viel zu lange auf dieses alte Denken: Die Mama bleibt eh daheim, die Mama wird es schon richten!, verlassen, und das ärgert mich extrem. Frauen werden in Österreich noch immer viel zu selbstverständlich für die Kindererziehung und für die unbezahlte Hausarbeit als zuständig erklärt, und wir tun so, als wäre das völlig normal. Das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Zeiten, in denen Frauen ganz selbstverständlich zu Hause bleiben, sind vorbei. Das geht sich nicht mehr aus, auch wenn eine Partei hier herinnen sich das ganz besonders wünschen würde – wie Kollege Zanger gerade skizziert hat ‑, nämlich alte Rollenbilder aufrechterhalten, Menschen vor­schreiben, wie sie zu leben haben. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum die FPÖ eine Herdprämie eingeführt hat: damit Sie Frauen abhängig von ihrem Partner machen.

Wir wollen aber nicht zurück in die Fünfziger. Wir wollen, dass Frauen selbstbestimmt entscheiden können und ihnen nicht die Wahlmöglichkeit genommen wird.

Gerade in Anbetracht des Mitarbeiter:innenmangels können wir uns, glaube ich, ein Zuwenig an Kinderbetreuung gar nicht mehr leisten. Ja, wir begrüßen das sehr, dass die grüne Forderung endlich übernommen wurde, dass es einen kräftigen finanziellen Anschub beim Ausbau der Kinderbetreuung gibt. Das freut mich tatsächlich sehr, auch wenn wir wissen, dass wir nach wie vor vom guten Willen der Gemeinden abhängig sind, weil immer noch die Gemeinden, die Länder für den Ausbau der Kinderbetreuung zuständig sind.

Wir haben dafür plädiert, dass es eine Kompetenzverschiebung auf Bundes­ebene gibt, zumindest einen bundesweit einheitlichen Qualitätsrahmen – Kollegin Hamann hat es schon ausgeführt –, dass zum Beispiel Pädagoginnen und Pädagogen in ganz Österreich besser bezahlt werden können.

Das vorhin genannte Beispiel der Ärztin – und ich habe noch sehr viele Beispiele dieser Art die letzten Wochen zugesendet bekommen – zeigt, glaube ich, vor allem eines: Wir können uns dieses Schneckentempo beim Ausbau der Kinderbetreuung nicht mehr leisten, weder aus frauenpolitischer noch aus wirtschaftlicher Sicht. (Beifall bei den Grünen.)

Keine ausreichende Kinderbetreuung bedeutet nämlich Chancenraub an Frauen. Es bedeutet, dass wir Frauen in Altersarmut schicken, und es bedeutet einen massiven Schaden, und zwar einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schaden, in unserem Land, wenn wir nicht endlich in die Gänge kommen. Darum heißt es vor allem für die Länder: Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf und los geht’s, sonst haben wir in den nächsten 100 Jahren noch keine Gleichberech­tigung! Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Scherak und Shetty.)

10.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.