11.47

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundeskanzler hat sich heute Vormittag hierhergestellt und hat wortreich erklärt, was für ein genialer Kanzler er ist, wie toll diese Bundesregierung Österreich durch die Teue­rungskrise gebracht hat.

Er ist dann leicht philosophisch geworden und hat gesagt, man soll nicht so pessimistisch sein, das Glas ist in Wahrheit nicht halb leer, sondern halb voll. Was wir jetzt definitiv wissen: dass die Regierungsbank weder halb leer noch halb voll ist, sondern dass sich die Bundesregierung in Wahrheit weiterhin verabschiedet hat. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Abg. Eßl.)

In einer zentralen Frage – Hunderttausende Menschen wissen tagtäglich nicht mehr, wie sie sich den Einkauf leisten sollen, machen sich Sorgen, wie sie das Heizen im Winter finanzieren sollen, machen sich tagtäglich vor dem Schlafen­gehen Sorgen, wie es vielleicht mit dem Haus, das sich die Jungfamilie gekauft hat, weitergeht, weil sie sich die Kreditzinsen nicht leisten können – ist die Bundesregierung in Wahrheit noch in der Sommerpause. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Ich möchte ganz deutlich sagen, warum wir heute einen Misstrauensantrag einbrin­gen werden: Wir haben vor der Sommerpause, nachdem zwei Jahre lang alle Warnungen negiert worden sind, gesagt, dass es nicht sein kann, dass sich die Regierung in die Sommerpause verabschiedet, nichts im Kampf gegen die Teuerung unternimmt, denn die Teuerung geht auch nicht auf Urlaub. Wir haben vor ein paar Wochen zu einer Sondersitzung eingeladen und ganz konkrete Maßnahmen vorgelegt: Mietpreisbremse, Zinsdeckelung, dass wir endlich die Lebensmittelpreise in Österreich in den Griff kriegen. – Nichts davon ist umgesetzt worden.

Heute werden Menschen zusehen, wenn wir uns zu einer Nationalratssitzung treffen, in der es keinen einzigen Gesetzesantrag gibt, durch den Preise in diesem Land nachhaltig gesenkt werden. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Keine einzige Initiative wird heute hier diskutiert und beschlossen, um das Leben der Menschen in Österreich ein bisschen besser zu machen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Taschner: Das stimmt nicht!)

Ich halte dieses Hickhack quer durch alle Parteien nicht mehr aus. Die Grünen reden eh nur nach, erzählen sozusagen weiterhin, wie toll die ÖVP ist. Karl Nehammer hat den Kontakt zu den Menschen völlig verloren. (Abg. Steinacker: ... bitte, ...!) Er ist wirklich davon überzeugt, dass das Land mit der höchsten Inflationsrate in ganz Westeuropa – mit der höchsten Inflationsrate in ganz Westeuropa! – toll durch die Krise gebracht worden ist.

Die Freiheitlichen interessiert in Wirklichkeit, wie so oft, das Thema gar nicht. Jetzt ist Herbert Kickl offenbar auf Mittagspause, vielleicht auch schon mit Karl Nehammer. Es wäre spannend, ob die beiden sozusagen schon in informellen Verhandlungen sind. (Abg. Wurm: Mit dem Babler!) Kein einziger Vorschlag, wie wir das Leben der Menschen besser machen können, ist heute von der FPÖ gekommen. (Beifall bei der SPÖ.) Wo sind denn die Vorschläge?

Leistbare Mieten, Kreditzinsen in Österreich - es wäre so viel zu tun. Es gibt Milliarden Euro Übergewinne bei den Banken, bei den Energiekonzernen (Abg. Hörl: Da stimmt ihr dagegen!), und in Wahrheit schauen alle hier zu (Abg. Obernosterer: Ihr stimmt dagegen!), obwohl ganz konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen. (Abg. Hörl: Der Krainer hat dagegengestimmt! Red nicht so viel!)

Ich möchte nur ein konkretes Beispiel bringen. Herr Kollege Hörl, weil Sie so groß reden, wie toll die ÖVP ist (Abg. Hörl: Der Krainer hat dagegengestimmt!): Ich sage Ihnen jetzt einmal etwas – hören Sie einmal zu! – (vorlesend): „Alle Wirtschaftsdaten weisen eindeutig in eine Richtung – leider in die falsche.“ (Abg. Schmuckenschlager: Das musst du vorlesen?) „Dennoch bleibt die Regierung im Superlativ und versichert treuherzig, dass Österreich am supertollsten von allen Staaten durch die Krisen gekommen sei. Wahr ist – leider – das Gegenteil: Österreich sandelt ab.“

Ist das ein Zitat von einem Oppositionspolitiker? Ist das ein selbstkritisches Zitat der Regierung? – Das glaube ich nicht. Das ist ein Zitat und eine Bestands­aufnahme einer der anerkanntesten Journalistinnen dieses Landes. (Abg. Schmuckenschlager: Von wem? – Abg. Taschner: Wer? – Abg. Steinacker: Wer hat das geschrieben?)

Österreich ist in einer dramatischen Situation. Es drohen Firmenpleiten, die Arbeitslosigkeit steigt, weil die Bundesregierung seit zwei Jahren nichts getan hat. (Abg. Steinacker: Geh bitte! Das stimmt ja nicht! Ich gebe dir unsere Broschüre! Da kannst du es nachlesen!)

Die Europastunde heute hat die Gelegenheit geboten: Wenn ihr schon der Sozialdemokratie zwei Jahre lang nicht glauben wolltet und Österreich in dieser schwierigen Situation ist, hättet ihr doch Anleihe bei Staaten nehmen können, die es besser gemacht haben. (Abg. Schmuckenschlager: Wer ist die Sozialdemo­kratie?) Das ist deswegen nicht schwer, weil alle westeuropäischen Staaten eine niedrigere Inflationsrate als Österreich haben, weil die anderen Staaten in den Markt eingegriffen haben, wenn es Marktversagen gegeben hat. (Abg. Hörl: Ihr wollt es - -!)

Heute hätten wir die Gelegenheit, konkret Maßnahmen zu setzen, und die Bundesregierung ist nicht einmal anwesend. Wenn dann Kollege Leichtfried heute Beispiele von Menschen bringt, die sich genieren, weil sie sich die Heizung nicht mehr leisten können, und verzweifelt sind, dann ist das in Wahrheit der ÖVP egal.

So weit sind wir gekommen: keine Maßnahmen setzen, die Menschen im Stich lassen und dann hier erklären, wie stark Österreich ist und wie toll Österreich durch die Krise gekommen ist, obwohl die Fakten genau das Gegenteil erzählen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Taschner: Sie haben die Diskussion nicht verfolgt!)

11.51

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.