16.59

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir diskutieren heute über ein Thema, das uns, glaube ich, alle sehr betrifft, gerade in solchen Zeiten, näm­lich die Sicherheit Österreichs und die Sicherheit Europas. (Unruhe in den Reihen der FPÖ.) – Geht’s? – Danke sehr. (Abg. Hafenecker: Frau Lehrerin, wir sind schon still!)

Die Frage ist: Was bedeutet Sicherheit für uns? Man könnte ja zu dem Schluss kommen, dass Sicherheit die Abwesenheit von Krieg oder die Abwesenheit von Konflikten bedeutet. Wenn wir uns aber jetzt, in der heutigen Situation, die Bedrohungslagen anschauen – ich glaube, das geht allen Menschen in Öster­reich so, wenn sie den Fernseher aufdrehen und die Nachrichten anschauen –, dann bekommen wir gelinde gesagt ein mulmiges Gefühl angesichts der Krisenherde und Kriege in der Welt. Sicherheit bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch einen Zustand, in dem wir sicher sind (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), dass wir uns frei entfalten können, dass wir so leben können, wie wir wollen, und dass sich jeder Mensch ohne Angst vor äußerer Bedrohung völlig frei entfalten kann. Das ist das Wesen der Demo­kratie und auch das Versprechen, das wir in einer offenen Gesellschaft und in ei­ner liberalen Demokratie geben: dass jeder und jede sein oder ihr Leben gestalten kann, so wie er oder sie möchte. (Abg. Wurm: Das wäre schön, ja, wenn es so wäre!)

Wir haben enorme Herausforderungen vor uns. Tatsächlich sind in dieser Schrei­erei des Herrn Kickl von 20 Minuten ja auch viele Probleme richtig angesprochen worden: Klimawandel, Migration und Schutz der europäischen Außengrenzen, natürlich auch die Sicherung der Energieversorgung. In all diesen Fragen wissen wir alle doch eines: Wir sind gemeinsam stärker als allein.

Warum also, frage ich hier, sollte gerade beim Thema Sicherheitspolitik die Sachlage anders sein? Warum sollte es ausgerechnet, wenn es um die Frage der Sicherheit der Menschen in Österreich, der Sicherheit Österreichs und der Sicherheit Europas geht, so sein, dass man auf einmal sagt: Alleine sind wir stärker als gemeinsam? Das Gegenteil ist doch der Fall! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Schauen Sie sich doch einmal ... Entwicklungen im Verlauf des letzten Jahrhunderts an!)

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg, der Terrorüberfall der Hamas auf Israel: Was ist Ihre Antwort darauf? Bes­ser allein als gemeinsam? Besser isoliert als zusammen in Europa? Es will mir ein­fach nicht in den Kopf!

Wissen Sie, die FPÖ hat auch einmal eine andere Position dazu gehabt. Es ist manchmal schon ganz interessant, in die Archive zu schauen. Quasi einer Ihrer Chefideologen, Herr Mölzer, hat das früher ja ganz anders gesehen. (Abg. Martin Graf: Lernfähigkeit nennt man das! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Wir haben keinen Chefideologen!) Da finden sich ganz in­teressante Aussagen zur EU und zur Frage der Neutralität. Er hat gesagt, ich glaube, es war im Jahre 19- - (Ruf bei der FPÖ: 1853! – Abg. Wurm: 24?!) – ich muss jetzt nachschauen –, in den Neunzigerjahren, dass (Abg. Amesbauer: Na was jetzt?!) mit dem EU-Beitritt der „biedere Angehörige der ‚österreichischen Nation‘ [...] zur Kenntnis nehmen“ muss, „dass das angeblich primäre Krite­rium seiner Identität,“ eben diese „Neutralität, auf dem Misthaufen der Geschichte landen dürfte“. – Das haben Sie gesagt, das kommt aus Ihren Reihen. (Abg. Wurm: Wir haben das nie gesagt!)

„Das Gegenteil der neutralen ‚Kleinstaaterei‘ ist der Reichsgedanke [...] Das neue Europa [...] kann nur an den alten Reichsgedanken anknüpfen.“ (Abg. Kickl: Wann war das?! Wann war das?! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) „Neutralität, Neutralismus“ – das ist das, was Sie betreiben, Neutralismus (Abg. Kickl: Ah, das war, wo der Haselsteiner noch beim Haider ein- und ausgegangen ist! Das war damals!), nicht einmal mehr politisch Position zu beziehen, so feig zu sein – „oder schlechthin der Typus des Neutralen werden für dieses Europa uninteressant, ja unverträglich sein.“ (Abg. Kickl: Ein Intimfreund war er damals! In den Neunzigerjahren war ein gewisser Hans Peter Haselsteiner ein Intimfreund des Jörg Haider! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Wö­ginger: Wie intim?!)

Schreien Sie nicht so herum! Es gibt auch aus der Mitte der 2000er-Jahre ein interessantes Zitat. Herr Mölzer sagt: „Die Sicherheits- und Verteidigungs­politik der EU muss völlig unabhängig von den USA erfolgen“, wir brauchen eine europäische „Armee mit internationalen Eingreiftruppen“.

Wissen Sie, es ist schon ganz spannend, dass Sie diese Sondersitzung einberufen haben (Abg. Kickl: Aus den Neunzigerjahren!) und eigentlich wider besseres Wissen sagen, die Neutralität schütze, denn niemand wird nicht angegriffen, bloß weil er neutral ist. (Abg. Kickl: Woher wissen Sie das?)

Die Frage ist also: Sind Sie ein verlässlicher Partner beim Thema Sicherheit für Österreich und Europa? Da werfen natürlich die Beziehungen Ihrer Partei zu Russland und speziell zum Kreml doch sehr ernsthafte Fragen auf: Wie kann denn eine Partei, die so eng mit dem Kreml, mit Putins Partei verbunden ist, mit dem Aggressor, der gerade die europäische Sicherheitsordnung unter­gräbt und wahrscheinlich die größte Bedrohung für den Frieden und die Freiheit auf unserem Kontinent ist, ernsthaft von sich behaupten, die Sicherheit Österreichs vertreten zu können? (Abg. Martin Graf: Frag den Haselsteiner! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Ein Blick auf die Fakten: Laut dem jährlichen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hat Russland seine Aktivitäten zur Beeinflussung der österreichischen Innenpolitik in den letzten Jahren deutlich verstärkt, der Kreml versucht also auch, hier in Österreich innenpolitisch Einfluss zu gewinnen. (Abg. Hafenecker: Fragen Sie den Haselsteiner!) Und wer steht im Mittelpunkt dieser Aktivitäten? – Die FPÖ.

Es ist überhaupt kein Geheimnis – es ist angesprochen worden –, dass Sie eine Kooperationsvereinbarung mit dem Kreml haben, mit Putins Partei Einiges Russland, einer Partei, die die Annexion der Krim durch Russland durchgeführt hat. Ihre Partei hat das in zahllosen Statements unterstützt, sie hat einen Akt unterstützt, der das Völkerrecht verletzt hat und letztlich die europäische Sicherheitsordnung ernsthaft bedroht.

Es ist also völlig klar, dass die FPÖ überhaupt nicht auf der Seite der Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher (Abg. Kickl: Ich sehe das ganz anders!) und schon gar nicht der Sicherheit Europas steht, sondern dass sie im Gegenteil diese Sicherheit massiv aufs Spiel setzt, indem sie die Interessen Russlands über die Interessen unseres Landes stellt. (Abg. Kickl: Was das für ein Blödsinn ist!)

Ich bin davon überzeugt, dass die Stärkung der Sicherheit Österreichs – und das wissen die Österreicher mittlerweile sehr gut – nur mit einer Stärkung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der Stärkung der Wehr­haftigkeit Europas möglich ist. Wir sind nämlich gemeinsam stärker als alleine. (Beifall bei den NEOS.)

Wir brauchen eine stärkere Integration in der Sicherheitspolitik. Wir brauchen tatsächlich als Vision eine echte europäische Armee, aber keine Aufgabe der nationalen Armeen. (Abg. Schnedlitz: Hat die Rede die CIA vorgeschrieben?!) Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Werte, unsere europäischen Werte, unsere Freiheit und auch der Frieden auf unserem Kontinent für unsere Kinder gesichert sind und nachhaltig bewahrt werden können.

Wehrhaft zu sein bedeutet aber auch, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken müssen – in militärischer Hinsicht, in ziviler Hinsicht, in geistiger Hinsicht und auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie kennen unsere Haltung, was die Abhängigkeit von Russlands Gas angeht: Das müsste dringend beendet werden.

Dem Heer gehören selbstverständlich die nötigen Mittel bereitgestellt, und es gehört dabei europäisch gedacht. Wir brauchen auch eine klare neue Sicherheitsstrategie als Leitplanke für die Zukunft der Sicherheit in Österreich. Da habe ich – es ist gut, dass Sie hier sind, Frau Ministerin – eine Bitte: Auch da sind wir gemeinsam stärker als allein. So eine neue Sicherheitsstrategie darf nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Ich weiß, wir sind da einbezogen, aber nicht in dem Ausmaß, wie das notwendig wäre. Es ist eine Angelegenheit des Hohen Hauses, eine Angelegenheit des Parla­ments, eine Angelegenheit der Volksvertretung. Übrigens besteht meines Er­achtens auch die Notwendigkeit, die Zivilgesellschaft bei dieser für Österreich so wichtigen Frage der neuen Sicherheitsstrategie, die notwendige Leitplanken für die Zukunft bringt, einzubinden. Daher mein Appell – morgen ist der Nationalfeiertag, das wäre ein starkes Zeichen –: Geben Sie die Sicherheits­strategie zur Verhandlung in die Hände dieses Hohen Hauses! (Beifall bei den NEOS.)

Meine Damen und Herren! Es ist hoch an der Zeit, dass wir uns jetzt einmal der Realität stellen. Ich habe da auch ganz viel Realitätsverweigerung gehört. Wir können die Sicherheit Europas und Österreichs nicht – ganz offensichtlich nicht – länger diesen nationalistischen und populistischen Kräften überlas­sen, und schon gar nicht dürfen wir uns diesen Kräften unterwerfen, und das sa­ge ich in aller Klarheit.

Wir müssen uns jetzt gemeinsam für eine stärkere Sicherheitspolitik und Vertei­digungspolitik in Europa einsetzen und wir müssen alle gemeinsam die FPÖ daran erinnern, dass ihre Verantwortung nicht in Moskau liegt, sondern hier in Wien und auch in Brüssel. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Martin Graf: Wenn alle gegen uns sind, liegen wir richtig!)

17.07

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Tanner. – Bitte sehr, Frau Bundesminister, bei Ihnen steht das Wort.