18.24
Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Prävention von Extremismus und Radikalisierung ist ein Thema, das uns in der Koalition spätestens seit dem schrecklichen Terroranschlag vom 2. November 2020 begleitet.
Wir haben damals im Zuge des Antiterrorpakets nicht nur Gesetze verschärft, sondern wir haben auch Mittel für die Extremismusprävention in Höhe von 8 Millionen Euro jährlich für umfangreiche soziale Präventionsmaßnahmen und für das frühe Erkennen von Radikalisierungstendenzen beschlossen. Diese Mittel sind dafür gedacht, jedem Extremismus, egal ob politisch oder religiös begründet – das heißt: Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus, Rechtsextremismus –, den Nährboden zu entziehen.
Seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023, einem grausamen Massaker mit unvorstellbaren Gräueltaten, hat die Prävention von Extremismus und Radikalisierung eine neue und dringliche Aktualität bekommen. Schulen, die Jugendarbeit, die Online- und Offlinesozialarbeit, Initiativen gegen Hass und Hetze, bemühen sich darum, die soziale Polarisierung und Desintegration der Gesellschaft zu verhindern. Wir unterstützen ihre Arbeit und die Vermittlung der Ankerpunkte unserer Gesellschaft: Demokratie, Grundrechte, Geschlechtergerechtigkeit.
Mir den Mitteln für die Extremismusprävention werden heuer bis Jahresende etwa 4 000 Schulworkshops stattgefunden haben, kommendes Jahr gibt es noch einmal so viele. Alle Angebote sind kostenlos und über die Website des OeAD buchbar, nach Altersgruppen, Schultyp, Region, thematischem Schwerpunkt auffindbar. Gehalten werden die Workshops von darauf spezialisierten Vereinen. Die Qualitätskontrolle erfolgt durch das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie.
Den Schulen wurden und werden laufend Unterrichtsmaterialien zur Einordnung der aktuellen Ereignisse zur Verfügung gestellt, online unter www.erinnern.at/lernmaterialien. Über eine spezielle Förderschiene werden Exkursionen nach Mauthausen beziehungsweise zu weiteren NS-Gedenkstätten für Jugendliche finanziert.
Wir haben die Traumatherapieplätze für Kriegs- und Folterüberlebende, viele von ihnen Kinder und Jugendliche, maßgeblich erhöht. 1 Million Euro jährlich wird zusätzlich zur Verfügung gestellt, um durch diese Maßnahme die Gewaltspirale zu durchbrechen.
Eine Anlaufstelle zu Extremismusprävention im Sport befindet sich im Aufbau und wird mit Vereinen und Initiativen im Fußball, aber auch im Kampfsport zusammenarbeiten.
Eine Vielzahl von sozialen Initiativen arbeitet daran, Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen junger Menschen mit ihnen zu besprechen und zu bearbeiten – ein Einfallstor für extremistische Ideologien –, sie bei der Suche nach Orientierung und Zugehörigkeit durch sinnstiftende Angebote zu begleiten und Radikalisierungen online unter anderem durch Medienkompetenz und Gegennarrative entgegenzuwirken.
Das Terrorabwehrzentrum, die inhaltliche Koordination zwischen BMI und BMLVT, wird budgetär aufgestockt, und das BNED, das Bundesweite Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung, arbeitet sorgsam und mit großer Expertise an der Umsetzung strategischer Maßnahmen.
Der 7. Oktober und die Tage und Wochen, die folgten, haben uns gezeigt, wie tief sitzend und besorgniserregend ein normalisierter Antisemitismus in unserer westlichen Gesellschaft ist. Nicht nur hat sich die Zahl antisemitischer Vorfälle vervielfacht, wir haben auf den Straßen, in den sozialen Medien, an Universitäten, in politischen Gruppen und sozialen Bewegungen erschreckende Ausblendungen, Verzerrungen, antisemitische Parolen, das Bejubeln von Gewalt und die Verbreitung von Hamas-Propaganda gesehen. (Abg. Deimek: Aber nur, weil ihr sie hereingelassen habt!)
Der Antisemitismus in Österreich in all seinen Ausprägungen ist nicht ausreichend bearbeitet. Er findet sich im Rechtsextremismus, in einer Partei, die im österreichischen Parlament sitzt, im islamistischen Antisemitismus, ethnisch, geopolitisch, religiös, vermeintlich linksprogressiv oder auch queerfeministisch begründet. (Abg. Deimek: Oder meinen Sie die SPÖ?)
Wer die Morde der Hamas verherrlicht, sie in Darstellungen als Fallschirmspringer glorifiziert, ihre Taten als Freiheitskampf, Widerstand oder dekoloniale Revolution feiert (Abg. Deimek: Die Grünen sind die Palästinenser Österreichs!), wer Flyer der 240 Geiseln der Hamas von Häuserwänden und Litfaßsäulen kratzt, wer Demonstrationen zu Bedrohungsszenarien für Jüdinnen und Juden werden lässt, hat jeden politischen und menschlichen Kompass verloren, egal mit welcher Ideologie, Herkunft oder Haltung argumentiert wird. (Beifall bei den Grünen.)
Einstellungen und Werte verändern sich langsam. Fundamentalisten nutzen die Verwundbarkeit auf allen Seiten, um vor allem Jugendliche für ihre Zwecke zu missbrauchen und zu radikalisieren. Sie schüren Wut, sie spalten unsere Gesellschaft.
Unsere Antwort darauf sind klare Gesetze, klare Kommunikation, das geschlossene Auftreten gegen Antisemitismus, der interreligiöse Dialog und eine bedachte Rhetorik, die weder Migrant:innen noch Muslim:innen unter Generalverdacht stellt und rassistische und antimuslimische Ausgrenzung, Übergriffe und Diskriminierung deutlich und glaubwürdig verurteilt und bekämpft.
Das beste Mittel gegen Extremismus ist der gesellschaftliche Zusammenhalt, mit aller Vielfalt, mit allen Unterschieden und mit aller Offenheit, auf der Basis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das sollte in unser aller Interesse sein. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Strasser.)
18.30
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch. – Bitte.