11.01

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ja persönlich nicht in jedem Punkt einer Meinung mit Bundesminister Rauch, aber in einem Punkt kann man von ihm persönlich schon lernen (Abg. Hanger: Das könntest wirklich, ja!): dass er in der Lage ist, auch bei Gegenwind zu bestehen und zumindest für seine Überzeugungen einzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube – und das wäre sozusagen mein Appell an seine grünen Fraktionskolleginnen und -kollegen –, dass man sich da insbesondere in den eigenen Reihen ein Beispiel nehmen könnte, denn wenn man schon auf Plakate schreibt: „Wen würde der Anstand wählen?“, dann kann man nicht wie heute Vormittag hier im Plenarsaal schweigend danebensitzen, wenn es derartige Attacken gegen die Justiz gibt. Da muss man dem Anstand schon auch eine Stimme geben und sich zu Wort melden. (Beifall bei der SPÖ.) Vielleicht kann der Herr Bundesminister hier mit sachdienlichen Hinweisen zur Verfügung stehen, denn ich glaube, dass das, was wir heute hier erlebt haben, demokratiepolitisch eine ganz schwierige Situation für die Republik ist, und da wäre es notwendig gewesen, auch klare Worte zu finden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ich denke, klare Worte brauchen wir auch, wenn es um die österreichische Gesundheitspolitik geht, in diesem Zusammenhang ist die Zeit des Schönredens und der Politikmarketingfloskeln nämlich einfach vorbei. Wir müssen eingestehen, dass wir in vielen Bereichen deutlich schlechter geworden sind: Wartezeiten, ungleicher Zugang zu medizinischen Leistungen, Stadt-Land-Gefälle, das wir erleben, immer öfter heißt es Kreditkarte statt E-Card. Wir wissen um Gesundheitsberufe, die wirklich am Limit sind. Da haben uns all die Erzählungen und diese Marketingfloskeln über Jahre hinweg nicht unbedingt weitergebracht. (Abg. Bogner-Strauß: Wer waren denn die Bundesminister?!)

Wir erinnern uns vielleicht: Hier auf dieser Regierungsbank ist Beate Hartinger-Klein gesessen, daneben sind Herbert Kickl und Sebastian Kurz gesessen, und die haben uns allen erzählt, wie toll das alles in Zukunft mit der Gesundheitsversorgung in Österreich werden wird. Was wir heute wissen, ist, dass es keine Patientenmilliarde gegeben hat, sondern dass allein der Sozialversicherung Hunderte Millionen Euro fehlen. Das sage nicht ich, das ist aus einem kritischen Bericht des Rechnungshofes, und die Leidtragenden sind natürlich tagtäglich die Menschen, die die bestmögliche Gesundheitsversorgung in Österreich bräuchten.

Ich würde alle Damen und Herren, die zusehen und zuhören, bitten, den Budgetdebatten heute genau zuzuhören, um eben genau zu hören, wie offen und sozusagen kritisch man auch den Zustand des Gesundheitssystems beschreibt, ob es wirklich klare Ansagen gibt, dass man bereit ist, auch mehr Geld in die Hand zu nehmen – das werden wir brauchen, gerade im niedergelassenen Bereich –, und ob es auch den Mut gibt, Reformen in Österreich einzufordern. Aus der Vergangenheit wissen wir – das muss ich leider so in Richtung Freiheitliche sagen, und das macht mir Angst –, dass es einen Kahlschlag im Gesundheitssystem gegeben hat und dass der Weg in die Zweiklassenmedizin schon wieder begonnen hat.

Auf der einen Seite ist da Gerald Loacker von den NEOS, der immer wieder hier herauskommt und behauptet, wir geben in Wahrheit viel zu viel Geld fürs Gesundheitssystem aus. Er vergisst dann immer wieder, dazuzusagen, dass es, wenn man dieses Geld abzieht – die über 10 Milliarden Euro, die die Menschen in Österreich inzwischen aus der eigenen Tasche dazuzahlen –, längst nur noch Durchschnitt ist. Das wäre ein Teil der Wahrheit, den man kommunizieren müsste.

Dann gibt es Sprüche von den Freiheitlichen, die fürs Erste super klingen, wenn sie sagen: Wir brauchen liberalere Kassenverträge! Ganz konkret ist die Forderung der Freiheitlichen, die immer vom kleinen Mann reden, offen zu sagen: Machen wir liberale Kassenverträge! Das bedeutet dann: Montag, Dienstag, Mittwoch geht man zum Kassenarzt, da bekommt man dann vielleicht in acht, neun Wochen einen Termin, aber wenn man die Kreditkarte mithat, kommt man schon am Donnerstag oder am Freitag dran.

Das ist die Partei des kleinen Mannes, die erzählt uns von liberalen Kassenverträgen. Das ist die Antwort der Freiheitlichen, die mit Hartinger-Klein nicht nur viel von dem verursacht haben, was die Patientinnen und Patienten heute erleben, sondern das sind leider auch die Ansagen für die Zukunft, und deswegen bitte ich heute alle, kritisch zuzuhören, wer wirklich dafür kämpft, dass alle Menschen die bestmögliche Gesundheitsversorgung in diesem Land bekommen. Diesbezüglich gibt es jede Menge zu tun.

Wir haben in Sonntagsreden während Corona lange Zeit erklärt bekommen, wie wichtig die Heldinnen und Helden im Gesundheitssystem sind. (Abg. Lausch: Das ist euer Thema!) Die Frage ist: Was ist ganz konkret passiert? – Wir erleben Ärztinnen und Ärzte, die teilweise ausgebrannt sind, nicht mehr können, weshalb deutlich mehr Strukturmaßnahmen erfolgen müssen: kurzfristig über mehr Kassenverträge, kurzfristig auch über die finanziellen Bedingungen und die Verbesserung der Rahmenverträge. Es muss deutlich mehr passieren.

Es kann nicht sein, dass hier in diesem Haus zum Beispiel die Erhöhung der Zahl der Studienplätze für Medizin, die über alle Parteigrenzen hinweg von allen Landesgesundheitsreferentinnen und -referenten eingefordert wird, in Wahrheit blockiert wird. Da gibt es die grüne Wissenschaftssprecherin, die das leider fraktionsintern sozusagen blockiert; die ÖVP, Johanna Mikl-Leitner und die anderen ÖVP-Landeshauptleute sind anderer Meinung. Es ist notwendig, heute Maßnahmen zu setzen, sonst geraten wir in zehn Jahren in eine dramatische Situation. (Beifall bei der SPÖ.)

Der letzte Punkt: die Schönrednerei im Bereich der Pflege. – Da passiert viel zu wenig! Das ist auch mein Hauptkritikpunkt: dass man die Pflege in allen gesundheitspolitischen Debatten dermaßen außen vor lässt und keine nachhaltigen Reformen umsetzt. Das wird sich in Zukunft bitter rächen. Gerade diesen Bereich müsste man deutlich stärken und ausweiten, aber dazu finden wir leider keine konkreten Reformvorschläge. (Beifall bei der SPÖ.)

11.06

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.