12.26
Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich zur Zahnärztin gehen will, muss ich dafür sparen. Meine Operation ist insgesamt viermal verschoben worden. Bei manchen Fachärzten darfst du dann ein Dreivierteljahr warten oder wirst gar nicht erst genommen. – Berichte wie diese kennen wir alle. Lange Wartezeiten, fehlende Fachärzt:innen, hohe Kosten: Solche Erlebnisse im Gesundheitssystem haben die meisten von uns. Zu diesen ganz alltäglichen Schwierigkeiten kommen auch richtige Horrorgeschichten: fehlende Medikamente für Kinder, Patient:innen, die am Gang schlafen müssen, Ärzt:innen und Pfleger:innen vor dem Burn-out, Krankheiten, die nicht mehr rechtzeitig erkannt wurden, nur weil die Wartezeit zu lange war.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, in der heutigen Debatte ist viel über die Probleme im Gesundheitsbereich gesagt worden, lassen Sie es mich aber herunterbrechen: Unser Gesundheitssystem steht vor einem Multiorganversagen. Das sage nicht ich, das sagen die Expertinnen und Experten, das sagen Chefärzt:innen, das sagen Betroffenenvertreter. Dieses Budget tut leider nichts, um diesen Kollaps auf Dauer zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)
Schauen wir uns die nackten Zahlen an: 104 Kassenarztstellen waren am 1.1.2023 alleine im Bereich der Allgemeinmedizin unbesetzt – 60 Prozent mehr als vor Corona. (Abg. Loacker: Da sieht man, was diese roten Pfeifen in den Kassen produzieren!) Gleichzeitig geht die Hälfte der niedergelassenen Ärzt:innen in den nächsten zehn Jahren in Pension. Während immer mehr Kassenarztstellen unbesetzt bleiben, explodieren die Wahlarztbesuche im ganzen Land. Gynäkologen, Zahnärzte, Kinderärzte, Allgemeinmediziner:innen: In all diesen Bereichen werden teure Wahlärzte mehr und mehr. Kassenstellen bleiben dafür immer öfter unbesetzt.
Allein 171 Zahnarztstellen sind momentan unbesetzt. Heuer gab es allein in Niederösterreich 23 Allgemeinmedizinstellen, die für mehr als ein halbes Jahr nicht besetzt werden konnten; in Oberösterreich waren es 21, in Tirol elf. Genau deshalb mussten im Vorjahr drei Millionen Menschen um Kostenrückerstattung ansuchen – drei Millionen Menschen, das sind um 20 Prozent mehr als noch 2020. Noch schlimmer wird es, wenn wir uns anschauen, wie viel die Menschen tatsächlich für die Wahlarztbesuche zahlen mussten. Allein bei den ÖGK-Versicherten mussten Patientinnen und Patienten mit 489 Millionen Euro das Dreifache von dem bezahlen, was ihnen schlussendlich zurückerstattet wurde.
Kurz und knapp heißt das: Eine gute und vor allem schnelle ärztliche Betreuung ist für immer mehr Menschen keine Frage der E-Card, sondern eine Frage der Kreditkarte. Das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, darf einfach nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)
Welche Antworten liefert dieses Budget? – Ein paar Einzelmaßnahmen, vielleicht genug, um bis zur nächsten Wahl durchzutauchen, aber echte, langfristige und vor allem strukturelle Lösungen für die Gesundheitskrise liefert diese Regierung keine.
Was es wirklich bräuchte, ist eine Verdoppelung der Zahl der Medizinstudienplätze, ein echter Bonus für jene Jungärzte, die sich dem öffentlichen Gesundheitssystem verpflichten, wirksame Garantien für einen Wahlarzttermin ohne elendslange Wartezeiten. Was es wirklich bräuchte, ist der Mut, endlich jene Kahlschläge aufzuräumen, die zwei Perioden der schwarz-blauen Abrisspolitik unserem Gesundheitssystem zugefügt haben.
Statt strukturelle Lösungen anzubieten, klatscht diese Regierung aber Pflaster auf eine Platzwunde – und das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wird nicht funktionieren. Die Menschen in unserem Land haben sich eine sozialdemokratische Gesundheitspolitik verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Das haben wir eh lange genug gehabt, das hat nicht funktioniert! Da ist der Dr. Stöger wieder gekommen! – Ruf bei der ÖVP: Diplômé! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
12.29
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.