12.37

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Budget Arbeitsmarkt: Die Arbeitsmarktausgaben 2024 erreichen eine Höhe von 9,47 Milliarden Euro. Das sind um 199 Millionen Euro mehr, bedeutet aber nur ein Plus von 2,1 Pro­zent. Warum sage ich „nur ein Plus von 2,1 Prozent“? – Weil die prognostizierte Inflationsrate im nächsten Jahr wesentlich höher sein wird. Das heißt, es ist damit weniger Budget vorhanden und Einsparungen sind vorprogrammiert.

Beim Budget der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind sogar um 19,8 Millionen Euro weniger veranschlagt. Das bedeutet, wieder verglichen mit der prognostizierten Inflationsrate, noch höhere Einsparungen.

Herr Bundesminister, Sie haben einen offenen Brief des Österreichischen Be­rufsverbandes der Sozialen Arbeit erhalten, in dem dieser ganz klar fest­hält: „[...] bedingt durch eine ausbleibende Inflationsanpassung beim AMS-Budget für das Jahr 2024 kommt es aktuell zur Bekanntgabe und Um­setzung von Einsparungsmaßnahmen in zahlreichen Beschäftigungs­projekten [...].“

Das heißt, all jene Bereiche, die dem AMS zugearbeitet haben, rechnen im nächsten Jahr mit weniger Budget. Das bedeutet auch weniger Leistung, wenn es darum geht, Menschen wieder schneller am Ersten Arbeitsmarkt unterzubringen.

Was machen Sie, Herr Bundesminister? (Abg. Belakowitsch: Er lächelt!)  Sie kürzen die Arbeitslosenversicherungsbeiträge von 6 auf 5,9 Prozent. Wenn man sich die Arbeitsmarktlage anschaut, dann stellt man fest, die größte Zunahme bei der Arbeitslosigkeit neben der Bauwirtschaft verzeichnen wir bei den Jugendlichen unter 25 Jahren mit plus 13 Prozent. Gerade bei den Jugendlichen ist es wichtig, die Motivation zu steigern, ebenso gehört das Image der überbetrieblichen Ausbildung, in der wir Jugendliche haben, dringend verbessert, Herr Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben dort Betriebe, die einerseits nach Fachkräften schreien, aber andererseits nicht bereit sind, gut ausgebildete Jugendliche aus der überbetrieb­lichen Ausbildung zu übernehmen. Wir haben außerdem ein anderes Pro­blem bei der ÜBA: Jugendliche sind nicht motiviert, in diese überbetriebliche Ausbildung zu gehen, weil sie sagen: Da gehe ich gleich in einen Hilfsjob, ich nehme Hilfsarbeiterjobs an, weil ich dort wenigstens mehr gezahlt kriege. Das große Problem ist: Wir wissen, welche langfristigen Auswirkungen am Arbeitsmarkt das hat. Es wäre deshalb ein wichtiger erster Schritt, dafür et­was zu tun und – auch der AMS-Revisionsbericht sagt das, ich zitiere – eine Anhebung der Ausbildungsbeihilfe in Betracht zu ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt: Stellen wir doch endlich Jugendliche in Ausbildung gleich! Unser Antrag heute wird darauf abzielen, durch eine Anhebung der Ausbildungsbeihilfe diese an die Höhe der Lehrlingseinkommen anzupassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres Thema ist die finanzielle Situation arbeitsloser Menschen und ihrer Familien: Da ist die Situation wirklich dramatisch. Die Armut steigt bei Men­schen, die arbeitslos sind, und deren Familien. Herr Bundesminister, die Valorisierung der meisten Sozialleistungen führt zumindest dazu, dass der Wert der Leistungen nicht noch weiter sinkt. Beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe sind diese Anpassungen jedoch nicht gemacht worden. Das heißt, das ist ein Riesenproblem für diese betroffenen Menschen.

Ganz einfach: Die Höhe des Arbeitslosengeldes wurde nicht angepasst. Wenn man sich anschaut, wie das Arbeitslosengeld in der Höhe berechnet wird, nämlich auf Basis des letzten und vorletzten Jahres, wobei die Nettoersatzrate 55 Prozent beträgt, so ist zu bedenken, dass es durch die Teuerung der letzten 18 Monate jetzt noch einmal bis zu 16 Prozent weniger sind. Das heißt, wenn man die Nettoersatzrate dieser Menschen berechnet, so liegt diese jetzt unter 40 Prozent.

Es ist schon traurig, dass es auch beim Familienzuschlag zu keiner Erhöhung kommt, wie wir es schon lange fordern. Seit 2001 wurde dieser Familienzuschlag nicht angepasst. Jetzt könnte man fragen: Wieso habt ihr es nicht früher gemacht?

Eines ist aber schon passiert – ich muss das jetzt noch aus einer Budgetanfra­gebeantwortung von letzter Woche bringen –: Wir haben gefragt, wie viele Menschen durch den ersten Lockdown in Österreich im Frühjahr 2020 ih­ren Job verloren haben. Die Antwort liegt schwarz auf weiß vor: Im Zeit­raum März bis Juni 2020 – Covid, erster Lockdown – wurden 326 234 Men­schen beim AMS abgestellt, also als arbeitslos gemeldet, von den Betrieben beim AMS abgestellt. Da war keine und keiner freiwillig dabei. Das ist nämlich die Saison, in der in diesem Land die Beschäftigung gewöhnlich steigt. Diese Menschen haben wir seit 2020 zurückgelassen, diese Menschen haben es sich aber weder damals noch heute verdient, zurückgelassen zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finan­zielle Verbesserungen für arbeitslose Menschen und Ihre Familien“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu über­mitteln, mit der folgenden Maßnahme umgesetzt werden:

- Rücknahme der Beitragssenkung zur Arbeitslosenversicherung

- Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

- Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

- Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

- Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Wie gesagt: Es sind derzeit 0,97 Euro – 97 Cent – pro Kind pro Tag. Das ist wirklich unverständlich und unwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)

12.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend finanzielle Verbesserungen für arbeitslose Menschen und Ihre Familien

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (2178 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundes­voranschlages für das Jahr 2024 (Bundesfinanzgesetz 2024 – BFG 2024) samt Anlagen (2300 d.B.) UG 20

Durch die gute Arbeitsmarktlage und die hohen Kollektivvertragsabschlüsse steigen die Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung deutlich und sollen 2025 die Gesamtausgaben der UG 20 übersteigen. Die Tatsache, dass Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht an die Inflation angepasst werden und sich auf das Einkommen des (vor)letzten Jahres beziehen, fördert diesen Überschuss.

Der entstehende finanzielle Polster sollte Argument genug sein, um die schleichende Entwertung dieser Versicherungsleistung durch eine automatische Valorisierung abzustellen. Zudem könnte der Überschuss genutzt werden, um die soziale Absicherung des Arbeitslosengeldes zu erhöhen, indem die Nettoersatzrate auf 70 % und die Familienzuschläge, die seit 2001 nicht mehr angepasst wurden, ange­hoben werden. Die Regierung hat dies jedoch zum Anlass genommen, um die Beiträge von 6 % auf 5,9 % zu senken. Das gefährdet den künftigen Selbstfinanzie­rungsgrad des Arbeitslosengeldes und kommt großen Unternehmen überproportional stark zugute. In Verbindung mit den Wirschaftsprognosen für 2024 und dem damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit ist eine Senkung des Beitrages die falsche Maßnahme.

Die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens, die jährliche Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe und die Verdreifachung des Familienzuschlages sind dringst erforderliche Maßnahmen um das Abrutschen in Armut im Falle von Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und ihre Familien zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der folgenden Maßnahme umgesetzt werden:

•    Rücknahme der Beitragssenkung zur Arbeitslosenversicherung

•    Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

•    Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Gel­tendmachung rücken

•    Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

•    Verdreifachung des Familienzuschlages.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Hammer. – Bitte.