9.08
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ja, wir diskutieren in diesem Haus das Budget. Manche Fraktionen sind für etwas, sind gegen etwas – das ist Parlamentarismus. Wir finden Kompromisse, wir diskutieren, und die oberste Prämisse aller Menschen, die in der Politik tätig sind, ist, integer zu sein (Beifall bei der SPÖ), erhaben über jegliche potenzielle Vorwürfe von Einmischung, von Korruption, von Einflussnahme. Wenn Skandale – mutmaßliche Skandale (Abg. Schmuckenschlager: Mutmaßlich, oder?), aber Skandale – dieses Haus erschüttern, können wir nicht wegsehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir 183 Abgeordnete in diesem Haus sind dafür zuständig, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen – für jedes Gesetz, das hier in diesem Haus verhandelt wird, für jede Entschließung, die wir hier beschließen, für jede Diskussion, die wir hier ausfechten. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Menschen nicht nur dieses Haus besuchen, sondern auch das Vertrauen in die politischen Institutionen nicht verlieren – und dieses Vertrauen geht verloren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Dieses Vertrauen geht verloren, wenn Vorwürfe in diesem Saal so schwer wiegen, wie sie aktuell wiegen, Herr Präsident. Wir können das nicht mit einer kurzen Klarstellung einfach vom Tisch wischen. Das reicht nicht aus! Wir müssen uns damit beschäftigen (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer), Sie müssen sich damit beschäftigen, Herr Präsident! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Amesbauer.)
Als Präsident sind Sie Aushängeschild dieses Hohen Hauses. Sie sind das Türschild, Sie sind der Erste dieses Hohen Hauses, der den Menschen hier die Hand schüttelt, Sie sind für die Würde dieses Hohen Hauses verantwortlich und zuständig, und mein persönlicher Appell an Sie, Herr Präsident, lautet – Sie wurden hier als Nationalratspräsident in einer geheimen Wahl unter der Prämisse gewählt, dass Sie integer sind, unter der Prämisse, dass Sie die Würde des Hohen Hauses achten, dass Sie die Würde des Hohen Hauses voranstellen, voranstellen vor allem, Sie wurden hier gewählt unter der Prämisse, die Rechtsstaatlichkeit zu achten, die Institutionen zu schützen, und all diesen Prämissen kommen Sie aktuell nicht nach, die Vorwürfe wiegen zu schwer, Herr Präsident –: Gehen Sie in sich, überlegen Sie, ob Sie hier dem Parlamentarismus (Zwischenruf des Abg. Hörl) und auch der Republik und den Institutionen (Abg. Kirchbaumer: Zur Sache!) nicht einen Bärendienst erweisen, und auch, ob es nicht besser wäre, wenn Sie zurücktreten. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Shetty.)
Im kommenden Jahr stehen nämlich wichtige Auseinandersetzungen bevor, diverse Wahlen, und es ist unser aller Verantwortung – und insbesondere Ihre als Nationalratspräsident –, den Menschen Vertrauen zuzusprechen, dass sie wählen gehen, und es ist unser aller Verantwortung und insbesondere Ihre Verantwortung, wenn viele Menschen nicht mehr zur Wahl gehen. Das darf nicht passieren!
Kommen wir aber zu den Untergliederungen des Budgets – an dieser Stelle natürlich auch: Gute Besserung!, an Frau Ministerin Raab.
Es gibt mehr Geld für das Frauenbudget. Das ist super, das finden wir gut, aber natürlich würde uns auch interessieren, welche Themenschwerpunkte im Frauenbudget gesetzt werden, und wir haben das abgefragt – schriftlich. Als Antwort auf die Frage, welche Kampagnen, Themenschwerpunkte, Initiativen die Ministerin im kommenden Jahr setzt, kam: „Es wird um Verständnis ersucht, dass zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung die Detailplanung [...] noch nicht abgeschlossen ist“ – ein Monat vor Jahreswechsel. Wenn man sich das frauenpolitische Jahresrad durchdenkt, so ist es ehrlicherweise nicht wirklich glaubwürdig, dass noch keinerlei Planung für irgendeine Kampagne oder Themeninitiative gesetzt wurde.
Wir haben auch gefragt, wie viel Geld reserviert ist, um Antworten aus der Zeitverwendungsstudie, die bald veröffentlicht werden soll, zu ziehen. – Antwort: Die Ergebnisse liegen noch nicht vor – Punkt. Kein einziger Euro für Antworten aus der Zeitverwendungsstudie!
Es ist grundsätzlich großartig, dass es mehr Geld für Frauenanliegen gibt, aber als aufrechte Parlamentarierinnen und Parlamentarier würden wir natürlich gerne wissen, wohin das Geld fließt – und das wissen wir einfach nicht, weil wir keine Antworten bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)
Stattdessen werden Intransparenzen wie der Frauenfonds LEA fortgeführt, auf den meine Kollegin Sabine Schatz später noch weiter eingehen wird. Wir wissen, was mit Blackboxes in diesem Haus passiert, was mit Blackboxes in der Regierung passiert, wenn Geld hineinfließt und keine parlamentarische Kontrolle besteht, nämlich dass das Geld wie bei der Cofag nach Gutdünken verteilt wird (Ruf bei der ÖVP: ... Richtlinien! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), und das wollen wir nicht.
Auch der Budgetdienst hat das kritisiert. Vielen Dank, Herr Dr. Berger, an Ihr Team und vor allem auch an Sie für die großartige Unterstützung im Budgetprozess! Auch der Budgetdienst hat diese Intransparenzen im Budget immer wieder kritisiert, nämlich dass es nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Töpfen Geld fließt und in welche Bereiche es dann letzten Endes geht.
Für uns ist klar: Ein gestalterisches Frauenbudget muss vor allem eines liefern, nämlich Antworten auf die Herausforderungen der Zeit, Antworten auf den Gewaltschutz. Wir brauchen endlich einen nationalen Aktionsplan im Bereich des Gewaltschutzes! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir brauchen halbe-halbe bei der bezahlten und unbezahlten Arbeit, einen neuen Frauenbericht für progressive Frauenpolitik in diesem Land, gegen alle klerikalen Widerstände auch einen Schwangerschaftsabbruch in öffentlichen Spitälern. (Beifall bei der SPÖ.)
Was wir uns erwarten – die Legislaturperiode dauert nicht mehr lang –, sind konkrete Gesetzesvorschläge zur Umsetzung der EU-Richtlinien für Lohntransparenz und für Quoten in Vorstands- und Aufsichtsratspositionen. Die österreichische Bundesregierung ist da zum Handeln aufgefordert. (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist ganz klar: Diese wichtigen Vorhaben dürfen nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden, weil die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen nach wie vor einzementiert sind, und das zieht sich bis in die Pensionen. Da muss gehandelt werden!
Vor allem wollen wir auch jede Untergliederung unter der Prämisse des Genderbudgetings analysiert sehen – Genderbudgeting, das von dieser Regierung bei dem vorliegenden Budget sehr stark missachtet wird. Auch das ist eine Kritik, die nicht nur von uns kommt, sondern auch vom Budgetdienst immer wieder erhoben wird. Die Frauen stellen mehr als die Hälfte der Gesellschaft, deswegen wollen wir nicht nur ein Stück des Kuchens, sondern mindestens die Hälfte der Bäckerei.
An dieser Stelle möchte ich auch noch ganz kurz auf den Finanzausgleich eingehen, der bis 2028 geht, nicht bis 2030. Die 4,5 Milliarden Euro für die Kinderbildung finden sich da nicht, weil der Finanzausgleich nur bis 2028 geht. Alles danach sind nur Verheißungen und leere Versprechungen. Wer weiß, ob da noch ein Bundeskanzler Nehammer an der Spitze der Republik steht? Wer weiß, ob es da noch einen Finanzminister Magnus Brunner gibt? – Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, seien wir so ehrlich! Alles danach sind leere Versprechungen. Wieder einmal schauen die Elementarpädagog:innen, die Frauen und die Kinder durch die Finger (Beifall bei der SPÖ), weil sie dadurch eben keine selbstbestimmte Möglichkeit zur vollen Erwerbstätigkeit und die Kinder nicht ihr Recht auf Bildung umgesetzt bekommen.
Wie lange wollen Sie also noch warten, bis Sie endlich die Unterschiede in den Gehältern zwischen Männern und Frauen beseitigen? Wie lange wollen Sie noch warten, um endlich auch Geschlechtergerechtigkeit herzustellen? Wir fordern klar einen Rechtsanspruch auf Kinderbildung, einen nationalen Aktionsplan für Gewaltschutz, die rasche Umsetzung der EU-Richtlinien zu Lohntransparenz und Quoten in Vorstands- und Aufsichtsratspositionen. (Beifall bei der SPÖ.)
9.17
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf noch korrigieren: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter ist doch anwesend. Ich darf Sie herzlich begrüßen; das war ein Irrtum.
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.