12.35
Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Ich will Ihnen nur sagen, dass ich dankbar bin: dankbar für diesen einstimmigen Beschluss im Hohen Haus. Das ist, glaube ich, ein wirklich wichtiges Signal, das auch mich in meiner Position stärkt.
Wir dürfen nie vergessen, dass der 7. Oktober wirklich ein Zivilisationsbruch war. Das war ein Tag, der in einer Region, die schon so an Grausamkeiten nicht arm ist, in seiner Grausamkeit eigentlich alles in den Schatten gestellt hat. Ich werde nie die Situation vergessen, als ich damals, an diesem Samstag, einen Anruf gekriegt habe und man mich gefragt hat: Herr Bundesminister, wie gut sind Ihre Magennerven? – Ich habe gesagt: Ja, sie sind gut! Dann wurden mir Videos und Fotos geschickt, bei denen man gewusst hat, aus welcher Quelle sie stammen und dass sie authentisch sind. Diese Bilder werden mich nie wieder verlassen. Das letzte Mal, dass ich etwas Ähnliches gesehen habe, war bei den Videos von Daesch – die Grausamkeit, dieser Blutrausch, das fast Entmenschlichste, das man sich nur vorstellen kann.
Ich bin daher sehr dankbar, dass wir hier in Österreich eine so klare Position haben. Ich glaube, jeder ist aufgerufen, bei Terrorismus – ganz egal wo, ganz egal wie – eine klare Position zu haben. Mord ist Mord, da darf man nicht etwas in einen Kontext stellen, denn das heißt relativieren. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)
Noch nie in der Menschheitsgeschichte ist ein Konflikt aus heiterem Himmel passiert, es gibt immer eine Vorgeschichte – für alles! –, auch für den russischen Angriff auf die Ukraine, aber den haben wir auch nicht in einen Kontext gestellt. (Abg. Meinl-Reisinger: Manche tun das schon!)
Selbstverständlich gilt das humanitäre Völkerrecht, aber das ist ja genau der Unterschied – das haben mehrere Abgeordnete auch unterstrichen –: Israel ist ein Rechtsstaat, Israel ist eine pluralistische Demokratie, die darum ringt, die versucht, den richtigen Weg zu finden. Abgeordneter Matznetter hat auch gesagt: Man will eigentlich gar nicht in den Schuhen der IDF stecken, weil es ja fast eine unmenschliche Aufgabe ist, in so einer Situation voller Emotionalität auch noch kühlen Kopf zu bewahren.
Ja, sie werfen Flugblätter ab, ja, sie warnen, sie rufen zur Evakuierung auf, sie versuchen, die Zahl der zivilen Opfer auf ein Minimum zu drücken, und ja, wir sehen, was wir eigentlich schon immer gewusst haben, nämlich dass die Hamas ganz bewusst zivile Einrichtungen wie Schulen, Flüchtlingslager, Krankenhäuser und anderes für ihre Kommandozentralen, für ihre Tunneleingänge verwendet, um dort ihre Waffen zu verstecken. Das heißt, wenn man gegen den Terrorismus kämpft, hat man als Demokratie, als Rechtsstaat in Wirklichkeit immer eine Hand hinter dem Rücken gebunden. Das ist aber auch richtig so, das muss auch so sein, und man sieht das auch in Israel, dass man es versucht.
In unserem Aufgabenbereich stehen jetzt drei Prioritäten besonders im Fokus: Das eine ist natürlich die Vermeidung eines Flächenbrandes, der ist weiterhin nicht gebannt. Am Ende könnte das ein Dreifrontenkrieg werden. Wir beobachten natürlich auch die Entwicklung in Nordisrael beziehungsweise im Südlibanon mit der Hisbollah sehr genau, aber – und das will ich hier auch ganz besonders betonen, weil Österreich eben nicht auf einem Auge blind ist, wir sehen mit beiden Augen – das betrifft auch das Westjordanland, und ich muss ganz offen sagen: Diese Siedlergewalt, die ich im Westjordanland sehe, halte ich für unerträglich und auch unsolidarisch. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Wir haben es gerade mit einer Situation zu tun, in der die israelische Armee bis zum Anschlag gefordert ist, deshalb halte ich es eigentlich auch innerhalb der israelischen Gesellschaft für unsolidarisch, wenn einige glauben, ihrer Wut, ihrer Emotion Luft zu machen und im Westjordanland zu zündeln. Das könnte zu einer dritten Front führen. Da, glaube ich, müssen wir sehr deutliche Worte finden.
Der zweite Punkt ist natürlich – das wurde schon oft gesagt – die bedingungslose Freilassung der Geiseln. Ich hatte letzte Woche die Gelegenheit, einige der Überlebenden des 7. Oktober hier in Wien zu treffen, und das ging einem wirklich unter die Haut. Wenn man einen Vater trifft, der einem sagt, dass er eigentlich fast erleichtert ist, weil sein Kind unter den Toten und nicht unter den Geiseln ist, dann kann man sich, wenn das ein Elternteil sagt, vorstellen, was das für diese Menschen bedeuten muss.
Da müssen wir draufbleiben. Es ist eine Terrororganisation, da kann es kein Wenn und Aber geben, da kann es keine Verhandlungen geben. Sie haben die Geiseln bedingungslos freizulassen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Der dritte Punkt ist mir auch wichtig: Ich habe ja selber, als einer der ersten Minister, die Entwicklungszusammenarbeit mit Palästina einmal auf Eis gelegt, damit wir sie untersuchen. Ich stehe aber nicht an, zu sagen: Wir wollen nicht die Hamas unterstützen, wir werden sie nicht unterstützen, wir wollen aber auch nicht, dass die Zivilbevölkerung Not leidet. Das ist ja wieder der fruchtbare Boden für den nächsten Extremismus.
Daher haben wir über die Austrian Development Agency 2 Millionen Euro als humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt, weitere 6 Millionen Euro für die Region, für Syrien, den Libanon und Jordanien, die natürlich Gefahr laufen, dass sie durch den Prozess destabilisiert werden. Ich finde es gut, dass die Europäische Union die humanitäre Hilfe vervierfacht hat, aber gleichzeitig glaube ich – wir haben ja vor zwei Tagen den Bericht der Europäischen Kommission betreffend die Entwicklungszusammenarbeit gesehen –, wir dürfen in Zukunft nicht naiv sein.
Wir werden uns in Österreich in Zukunft die Partnerorganisationen ganz genau anschauen, egal ob in Gaza, egal ob in Israel. Es kann auch in Afrika sein, es kann auch in Mali, Burkina Faso oder Mosambik sein – wir müssen uns anschauen: Was sind das für Partner? Was haben sie für Homepages? Was sagt der Dachverband, in dem sie verbunden sind? Gibt es da Rassismus? Gibt es da Antisemitismus? Gibt es Linien, die wir aufgrund unseres Wertekanons nicht unterstützen?
Das ist für mich auch eine Lehre dieses grauenhaften Zwischenfalls vom 7. Oktober: Wir müssen in Zukunft viel genauer hinschauen, wem wir genau wie helfen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Das klingt schon einmal ganz anders!)
12.41
Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Bettina Rausch-Amon zu Wort gemeldet. – Bitte.