Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass das von mindestens 46 Abgeordneten unterstützte Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung betreffend „Aufklärung, ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden (‚Rot-Blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss‘)“ eingebracht wurde.

Dies wird gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung an alle Abgeordneten verteilt.

Die Zuweisung des gegenständlichen Verlangens an den Geschäftsordnungsausschuss erfolgt gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung am Schluss dieser Sitzung.

Das Verlangen hat folgenden Gesamtwortlaut:

Verlangen

auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

gemäß § 33 Abs. 1 zweiter Satz GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Andreas Hanger, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufklärung, ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden („ROT-BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“)

Die österreichische Bundespolitik steht seit längerer Zeit in der Kritik, wonach das Handeln vieler Spitzenpolitikerinnen und -politiker auf Bundesebene überwiegend den Interessen von Parteien und ihren Mitgliedern diene und nicht dem Interesse der Allgemeinheit. Im Besonderen lautet der Vorwurf, dass bei der Vergabe von Inseraten oder bei der Beauftragung von Gutachten, Studien und Umfragen nicht Rechtsrichtigkeit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, sondern das Naheverhältnis zu einer politischen Partei die ausschlaggebende Rolle gespielt habe.

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen daher gemäß Art. 53 Abs. 1 zweiter Satz B-VG sowie § 33 Abs. 1 zweiter Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit folgendem

Untersuchungsgegenstand:

1. Untersucht werden soll,

ob Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretärinnen bzw. -sekretäre, die mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) oder mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), sowie diesen Organen in den jeweiligen Bundesministerien unterstellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf deren Geheiß oder mit deren Wissen

im Zusammenhang mit

- Inseratenschaltungen und Medienkooperationsvereinbarungen;

- Umfragen, Gutachten und Studien,

- Beauftragung von Werbeagenturen sowie

Betrauung von Personen mit der Leitung oder stellvertretenden Leitung von Organisationseinheiten in der Bundesverwaltung (insbesondere Sektionen, Gruppen und Abteilungen) samt Staatsanwaltschaften und ausgegliederten Rechtsträgern

im Zeitraum vom 11. Jänner 2007 bis zum Ende der XXVI GP. (7. Jänner 2020).

aus sachfremden Motiven

gehandelt haben.

2. Vom Untersuchungsgegenstand ist auch die Tätigkeit von ausgegliederten Rechtsträgern erfasst, soweit sie der mittelbaren oder unmittelbaren Ingerenz von Mitgliedern der Bundesregierung und Staatssekretärinnen bzw. -sekretären, die mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) oder mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) verbunden sind, unterlagen.

3. Ebenfalls vom Untersuchungsgegenstand erfasst ist staatsanwaltliches Handeln, das die erwähnten Handlungen im Zeitraum von 11. Jänner 2007 bis zum Ende der XXVI GP. (7. Jänner 2020) zum Gegenstand hatte.

4. Schließlich ist vom Untersuchungsgegenstand die Frage erfasst, ob durch die erwähnten Handlungen im Zeitraum von 11. Jänner 2007 bis zum Ende der XXVI GP. (7. Jänner 2020) gesetzliche Bestimmungen umgangen oder verletzt wurden sowie ob dem Bund oder anderen Rechtsträgern dadurch Schaden entstanden ist.

5. Schließlich ist vom Untersuchungsgegenstand erfasst, ob durch die Bundesvollziehung, ausgenommen die Rechtsprechung, insbesondere durch die COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG), natürliche oder juristische Personen, die die SPÖ oder die FPÖ – etwa durch Spenden – unterstützt haben oder diesen Parteien sonst nahe stehen oder standen bzw. verbunden sind oder waren, zwischen 18. Dezember 2017 und 23. November 2023 aus unsachlichen Gründen bevorzugt behandelt wurden.

Der Untersuchungsausschuss hat diesbezüglich folgende Fragen zu klären:

1.         Welche Motive haben die Verwaltung bei der COFAG geleitet?

2.         Wer hat die Ausgestaltung der COFAG-Förderungen bestimmt?

3.         In welchem Ausmaß haben Personen und Unternehmen von COFAG-Förderungen profitiert?

4.         Welche Handlungen in Zusammenhang mit den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen wurden von Organen bzw Bediensteten der COFAG oder vom Bundesministerium für Finanzen im Zusammenhang mit der COFAG und diesen Personen und Unternehmen gesetzt?

5.         Wurde von der COFAG in Zusammenhang mit Förderungen an die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen "ein Auge zugedrückt"?

6.         In welchem Ausmaß erhielten die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen Subventionen aus öffentlichen Mitteln?

Dabei insbesondere:

a.         Erhielten die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen Steuerbegünstigungen oder Steuernachlässe, etwa im Zuge von Abgabenprüfungen?

b.         Wurden Projekte von im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen aus Förderprogrammen des Bundes unterstützt und wenn ja, in welcher Höhe?

c.         In welchem Ausmaß arbeiteten Stiftungen und Fonds des Bundes mit den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen zusammen?

7.         Wurde der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz gegenüber den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen eingehalten?

Dabei insbesondere:

a.         Erhielten die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen privilegierten Zugang zu Organen der Vollziehung und allenfalls sogar besondere (im Sinne zB von beschleunigte) Verfahren für sich oder von ihnen benannte Dritte und aus welchem Grund bzw auf Veranlassung von wem innerhalb der Verwaltung?

b.         Intervenierte die politische Führungsebene der Bundesministerien in Verwaltungsverfahren und -ablaufe betreffend die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen?

c.         Wurden Aufsichtsbehörden im Zusammenhang mit den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen tätig und mit welchen Ergebnissen?

d.         Wurde durch Leitungsorgane im Wege von Weisungen oder informell auf Aufsichts- oder Strafverfahren, von denen die im Untersuchungsgenstand genannten Personen und Unternehmen (wenn auch nicht alleine) betroffen waren, eingewirkt und wenn Ja, auf welche Art?

e.         Ließen sich Amtsträger von im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen Vorteile anbieten oder haben diese sogar angenommen und was war die gewünschte Gegenleistung im Bereich der Vollziehung?

8.         Wurden die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen bevorzugt in Regierungstätigkeiten eingebunden?

Dabei insbesondere:

a.         Welche Informationen wurden den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen zur Verfügung gestellt (etwa durch Bestellung in Organe von staatsnahen Unternehmungen) und ermöglichten diese Informationen ihnen den Erhalt oder Ausbau ihres Vermögens?

b.         Von welchen Unternehmungen des Bundes wurde mit Unternehmen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen zuzurechnen sind, zusammengearbeitet und aus welchen Gründen?

c.         In welchem Ausmaß und aus welchen Gründen wurden Unternehmen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen zuzurechnen sind, von Bundesorganen beauftragt?

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung
des Untersuchungsgegenstandes

1.         Inseratenschaltungen und Medienkooperationsvereinbarungen:

Aufklärung über den Abschluss von Inseratengeschäften sowie den Abschluss und den Abruf aus Medienkooperationsvereinbarungen aus sachfremden Motiven, über die damit in Zusammenhang stehende mögliche Umgehung oder Verletzung von Rechtsvorschriften und über die dem Bund oder anderen Rechtsträgern dadurch entstandenen Kosten. Insbesondere soll untersucht werden:

a.         Die Höhe der jährlich vorgesehenen Mittel für Inserate und Medienkooperationsvereinbarungen und deren Herkunft sowie das Vorliegen von Informationen über die Bewertung der Preisakzeptanz.

b.         Die Messung des Erfolges von Kampagnen, die seitens der im Untersuchungsgegenstand genannten Organe und Personen in Auftrag gegeben wurden.

c.         Die Ausnutzung aller Rabatte und Boni bei der Schaltung von Inseraten und dem Abschluss von Medienkooperationen durch die im Untersuchungsgegenstand genannten Organe und Personen.

d.         Der Versuch der Beeinflussung der Berichterstattung (z.B. in Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen sowie sonstigen Druckwerken oder elektronischen Medien) durch die (möglicherweise zu überhöhten Preisen erfolgte) Schaltung von Inseraten oder durch den Abschluss von Medienkooperationen durch die im Untersuchungsgegenstand genannten Organe oder diesen unterstellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

e.         Der Versuch der Erlangung einer „eigentümerähnlichen Funktion“ in Medienunternehmen mittels der im Untersuchungsgegenstand erwähnten Handlungen durch die (möglicherweise zu überhöhten Preisen erfolgte) Schaltung von Inseraten oder durch den Abschluss von Medienkooperationsvereinbarungen oder aus anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen Medien und der im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Parteien; insbesondere durch die Zahlung überhöhter Rechnungen durch den Bund.

f.          Das Vorliegen von „Kickback-Zahlungen“ zugunsten der im Untersuchungsgegentand genannten politischen Parteien, deren Vorfeld- oder Teilorganisationen, diesen politischen Parteien zurechenbarer oder mit politischen Parteien befreundeter Organisationen im Wege der Schaltung von Inseraten und dem Abschluss von Medienkooperationsvereinbarungen oder aus anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen Medien und der im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Parteien; insbesondere durch die Zahlung überhöhter Rechnungen durch den Bund.

2.         Umfragen, Gutachten und Studien:

Aufklärung über die Beauftragung von Umfragen, Gutachten und Studien und die Verwendung der Ergebnisse dieser durch die im Untersuchungsgegenstand bezeichneten Organe und Personen:

a.         Die Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politischen Parteien nahestehender Unternehmen und Personen u.a. mit dem mutmaßlichen Ziel der (indirekten) Partei- oder Wahlkampffinanzierung.

b.         Die Umgehung von Vergabevorschriften (z.B. durch das „Maßschneidern“ von Ausschreibungsunterlagen), wodurch den im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien unmittelbar oder mittelbar nahestehende Unternehmen und Personen bevorzugt und andere Unternehmen oder Personen entgegen dem Bestbieterprinzip übergangen wurden und allfällige dadurch verursachte Schäden für den Bund.

c.         Die Beauftragung von Unternehmen oder Personen, die auch für die im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien tätig sind oder waren oder die den im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien nahestehen.

d.         Die Ausschreibung sowie die Vergabe von Umfragen, Gutachten, Studien und Beratungsdienstleistungen im Zusammenhang mit der „Sonntagsfrage“ oder im Zusammenhang mit der Untermauerung politischer Forderungen oder Ideen.

e.         Abschluss von Beratungsverträgen mit ehemaligen und aktuellen Kabinettsmitarbeitern, Politikern und deren Angehörigen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien nahestehen oder standen.

3.         Beauftragung von Werbeagenturen

a.         Die Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politischen Parteien nahestehender Unternehmen und Personen u.a. mit dem mutmaßlichen Ziel der (indirekten) Partei- oder Wahlkampffinanzierung.

b.         Die Umgehung von Vergabevorschriften (z.B. durch das „Maßschneidern“ von Ausschreibungsunterlagen), wodurch den im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien unmittelbar oder mittelbar nahestehende Unternehmen und Personen bevorzugt und andere Unternehmen oder Personen entgegen dem Bestbieterprinzip übergangen wurden und allfällige dadurch verursachte Schäden für den Bund.

c.         Die Beauftragung von Unternehmen oder Personen, die auch für die im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien tätig sind oder waren oder die den im Untersuchungsgegenstand genannten politischen Parteien nahestehen.

4.         Betrauung von Personen mit der Leitung oder stellvertretenden Leitung von Organisationseinheiten in der Bundesverwaltung (insbesondere Sektionen, Gruppen und Abteilungen) samt Staatsanwaltschaften und ausgegliederten Rechtsträgern

Aufklärung über die allfällige Einflussnahme auf die Betrauung sowie Bestellung mit Führungs- und Leitungsfunktionen sowie von Mitgliedern von Aufsichts- und Kontrollgremien aus sachfremden Motiven, über die damit in Zusammenhang stehende mögliche Umgehung oder Verletzung von Rechtsvorschriften und über die dem Bund oder anderen Rechtsträgern dadurch entstandenen Kosten. Insbesondere soll untersucht werden:

a.         Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen für Planstellen- und Arbeitsplatzbesetzungen sowie der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes und hinsichtlich Staatsanwältinnen und Staatsanwälten des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz sowie der Bestimmungen für die Betrauung bzw. Bestellung von Führungskräften (z.B. Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer) und von Mitgliedern von Aufsichts- und Kontrollgremien von Stiftungen, Fonds und Anstalten im Sinne des Art. 126b Abs. 1 B-VG sowie von Unternehmungen gemäß Art. 126b Abs. 2 B-VG.

b.         Berücksichtigung der fachlichen und persönlichen Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Arbeitsplätzen mit Personen, insbesondere mit (ehemaligen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kabinetten bzw. Büros von Staatssekretären.

c.         Sachfremde Einflussnahme auf Stellenausschreibungstexte, insbesondere im Hinblick auf das „Maßschneidern“ zu Gunsten parteipolitisch genehmer Bewerberinnen und Bewerber, auf die Zusammensetzung der Begutachtungs- bzw. Bewertungskommissionen sowie auf die Gutachten und Besetzungsempfehlungen der Begutachtungs- bzw. Bewertungskommissionen.

d.         Politische Interventionen von (ehemaligen) oder für (ehemalige) Politikerinnen und Politiker, von (ehemaligen) oder für (ehemalige) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kabinetten und Büros von Staatsekretären sowie Personen, die politischen Parteien nahestehen.

e.         Grundlagen und Begründungen von Organisationsreformen und deren Auswirkungen auf die Personalstruktur in den einzelnen Bundesministerien (Zentralstellen und nachgeordnete Dienststellen).

f.          Inhalt und Status staatsanwaltschaftlicher Handlungen, insbesondere von Ermittlungshandlungen, im Zusammenhang mit der Einflussnahme auf die Betrauung sowie Bestellung von Führungs- und Leitungsfunktionen in Bundesministerien, nachgeordneten Dienststellen, Unternehmungen sowie von Mitgliedern von Aufsichts- und Kontrollgremien gegen Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre oder gegen diesen unterstellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

g.         Beauftragungen von Gutachten und Studien sowie Vergabe von Beratungsdienstleistungen durch die Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften im Zusammenhang mit Punkt 3.f.

5.         Inhalt und Status staatsanwaltschaftlichen Handelns im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand

6.         Beauftragung von Gutachten und Studien sowie Vergabe von Beratungsdienstleistungen durch die Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften betreffend Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand.

7.         COFAG

Aufklärung über das Verhalten der Organe und Bediensteten der COVID Finanzierungsagentur des Bundes ("COFAG") sowie der diesbzgl zuständigen Personen im Bundesministerium für Finanzen gegenüber den im Untersuchungsgenstand genannten Personen und Unternehmen sowie die Gewährung geldwerter Vorteile aus öffentlichen Haushalten in deren Einflussbereich.

Informationsweitergabe und Interventionen

Aufklärung über Vorwürfe der unmittelbaren oder mittelbaren Weitergabe interner Verwaltungsinformationen an im Untersuchungsgegenstand genannte Personen sowie Einflussnahme auf Verwaltungsverfahren im Interesse der im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen.

Kooperationen staatsnaher Unternehmen

Aufklärung über Kooperationen, Joint Ventures, gemeinsame Beteiligungen und/oderSyndizierungen zwischen staatlichen und staatsnahen Unternehmen und im Untersuchungsgegenstand genannten Personen bzw den ihnen zurechenbaren Unternehmen und genannten Unternehmen

Staatliche Aufsicht

Aufklärung über die Bemühungen von Behörden bei der staatlichen Aufsicht und der Führung von Strafverfahren jeglicher Art in Zusammenhang mit den Handlungen oder dem Vermögen von im Untersuchungsgegenstand genannten Personen und Unternehmen einschließlich von Finanzstrafverfahren, nicht jedoch Verwaltungsstrafverfahren in Zuständigkeit der Gemeinden, Bezirksverwaltungsbehörden oder Landeshauptleute,

Begründung

SPÖ

Der Vorwurf der Beeinflussung der Berichterstattung in Boulevardzeitungen durch Inseratenschaltungen erfordert eine gründliche Untersuchung, um den Urheber solcher potentiellen Machenschaften zu ermitteln. Die Verdachtsmomente lassen sich auf Aktivitäten der SPÖ zurückführen.

Die Enthüllungen bezüglich des „Beinschab-Österreich-Tools“ im Bundesministerium für Finanzen sind äußerst beunruhigend, weil sie alarmierende Anzeichen für mögliche Manipulationen von Umfragen und Studien aufzeigen sowie eine mögliche Einflussnahme auf die Berichterstattung in Boulevardzeitungen. Besonders bemerkenswert ist die Rolle der SPÖ und des ehemaligen Bundeskanzlers Christian Kern in diesem Kontext.

Während ihrer Beschuldigteneinvernahme berichtete Sabine Beinschab von Absprachen zwischen der Karmasin Motivforschung, der SPÖ und der Tageszeitung Heute, bei denen die Wünsche der SPÖ hinsichtlich Umfrageergebnisse im Vordergrund standen. 1 Anlässlich einer Vernehmung führte Sabine Beinschab aus, dass während der Zusammenarbeit zwischen der SPÖ und Sabine Karmasin in den Jahren 2009 bis 2013 auch Angebote an das Bundeskanzleramt und an Heute gemacht wurden.2 Sabine Beinschab erklärte ausdrücklich, warum sie auf das „Beinschab-Österreich-Tool“ während ihrer Einvernahme hinweist und die Verbindung zwischen Sophie Karmasin, Heute und der SPÖ betont: „Ich will das deswegen darstellen, weil es sich aus meiner Sicht um dasselbe System handelt, das auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kam.“3

Aus der parlamentarischen Antwort 11717/AB (XXVII. GP) geht hervor, dass im Jahr 2010, nachdem Einvernehmen zwischen Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern des Kabinetts des damaligen Bundeskanzlers erzielt worden war, der Büroleiter von Staatssekretär Josef Ostermayer die Sophie Karmasin Market Intelligence GesmbH mit der Durchführung der Studie „Gerechte Steuern 2010“ beauftragte. Es wurden dabei keine Vergleichsangebote eingeholt. Die Fragestellungen bezogen sich unter anderem auf die „Wahrnehmung der Parteien“, und gemäß den Aktendokumenten erfolgte eine Überprüfung der Fragebögen durch den Büroleiter des Staatssekretärs Josef Ostermayer. 4

Es besteht der Verdacht, dass weitere Werbeagenturen und Meinungsforschungsinstitute mit Nähe zur SPÖ in die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Beinschab-Tool verwickelt waren und Sophie Karmasin möglicherweise von weiteren von der SPÖ geführten Ministerien zur Nutzung des Beinschab-Tools beauftragt wurde.

Bundeskanzler a.D. Christian Kern bestätigte in einem ZIB2 Interview die Aussagen von Sabine Beinschab, als ursprüngliche Erfindung seiner Partei und hielt dazu fest: „Natürlich hat die SPÖ da eine Verantwortung […] Und es ist natürlich auch eine Erbsünde der SPÖ […].“5

Am 26. September 2023 gelangte ein Strategiepapier des Meinungsforschungsinstituts SORA6 für den Nationalratswahlkampf 2024 für die SPÖ an die Öffentlichkeit. Der Österreichische Rundfunk (ORF) hat in weiterer Folge die jahrelange Zusammenarbeit mit dem betreffenden Institut beendet. Die Zusammenarbeit umfasste im Zuge der Wahlberichterstattung die Wahlforschung, Hochrechnungen und Analysen.7 Die sich aufdrängende Verbindung zwischen SORA und der SPÖ in Verbindung mit dem ORF induziert, dass durch die Nähe zur SPÖ eine potenzielle Manipulation der Datenerfassung durch SORA im Sinne der SPÖ erfolgte.

Daraus resultierend könnten auch Kooperationen mit anderen öffentlichen Rechtsträgern und Ministerien in Zweifel gezogen werden, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die vom SORA-Institut bereitgestellten Daten einem parteipolitischen Kalkül der SPÖ unterlagen. Es stellt sich die Frage, ob diese Vorgehensweise bereits in Zeiten, in denen Bundesministerien von der SPÖ nahestehenden Personen geleitet wurden, Anwendung fand, weshalb geklärt werden muss, ob SORA Aufträge von Bundesministerien erhalten hat, die von der SPÖ nahestehenden Personen geleitet wurden bzw. ob Kick-Back Zahlungen an die SPÖ erfolgten.

Die Fraktion christlicher Gewerkschafter Wien formulierte ebenfalls Vorbehalte hinsichtlich einer fortgesetzten Kooperation der Arbeiterkammer mit SORA. Schließlich kooperiert die Arbeiterkammer regelmäßig mit SORA bei der Erstellung von Studien. Angesichts der erkennbaren Nähe sowohl der Arbeiterkammer als auch der SPÖ zu SORA könnten mögliche Rückvergütungen und Fragen zur Objektivität der Studienergebnisse nicht außer Acht gelassen werden.8

Schließlich ist auffällig, dass SORA 2011 Insolvenz ankündigen musste, aber in weiterer Folge bestehen konnte. Insofern stellt sich auch hier die Frage, ob damals von der SPÖ nahestehenden Personen geführte Bundesministerien Aufträge und Studien vorzugsweise an SORA vergeben haben, um den Fortbestand dieses – der SPÖ nahestehenden – Meinungsforschungsinstituts zu ermöglichen. Im Jahr 2011, in dem Jahr, als der Weiterbestand von SORA fraglich war, erhielt SORA in Wiener Neustadt unter dem damaligen der SPÖ nahestehenden Bürgermeister Bernhard Müller von der städtischen Tochtergesellschaft WNSKS den Auftrag, eine Meinungsumfrage durchzuführen; gleichzeitig beauftragte die SPÖ-Niederösterreich dasselbe Institut für kommunalpolitische Fragen. SORA koppelte beide Umfragen miteinander. Ob somit die Umfragen für die SPÖ von der Stadtverwaltung bezahlt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden.9

Die SPÖ beschreibt in ihrem Fraktionsbericht zum Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP detailliert, wie das „Beinschab-Tool“ im Zusammenhang mit Inseraten funktioniert: „Veröffentlicht wurden die Umfragen dann bei der Mediengruppe ÖSTERREICH. Als Gegenleistung inserierte das Ministerium dann in der Zeitung. […] Zuerst beauftragte das Finanzministerium die Studie bei Sabine Beinschabs Marktforschungsinstitut Research Affairs. Beinschab führte diese dann tatsächlich auch durch, rechnete aber rund 15.000 Euro zu viel beim Finanzministerium ab. Mit diesen 15.000 Euro wurden zusätzliche Fragen im Auftrag der ÖVP abgegolten, wie etwa zu den Auswirkungen des Antritts der Liste Pilz bei den Nationalratswahlen, der sogenannten „Silberstein-Affäre“ sowie zur Mobilisierung unentschlossener Wähler*innen.“ 10 Diese Ausführung erweckt den Anschein, als würde die SPÖ aus ihren eigenen Erfahrungen berichten.

Im Hinblick darauf, dass Sabine Beinschab in ihrer Beschuldigtenvernehmung von einem System berichtete, dass bereits 2009 von der SPÖ etabliert wurde, ist nicht auszuschließen, dass auch andere Systeme im Zusammenhang der Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen und insbesondere über Buchungen von Inseraten zu einem früheren Zeitpunkt zur Anwendung gekommen sind.

In Erinnerung gerufen sei, dass bei einer Nationalratswahl die kritische Berichterstattung über den Spitzenkandidaten einer Großpartei damit sanktioniert wurde, dass Interviews mit dieser Tageszeitung ausgeschlossen, die Teilnahme an einer TV-Diskussionen verweigert und dort keine Wahlkampfinserate geschalten wurden.

Josef Kalina, ehemalige Redakteur der „Kronen Zeitung“, SPÖ Kommunikationsleiter, Bundesgeschäftsführer und Mitglied des Bundesrates, gründete am 16.10.2008 die Werbeagentur Unique Public Relations GmbH. Im Jahr 2014 folgte die Gründung des Meinungsforschungsinstituts Unique Research GmbH, bei dem er ebenfalls seit 2014 als Geschäftsführer fungiert. Die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (3528/AB XXV.GP) aus dem Jahr 2015 vom SPÖ-Minister Rudolf Hundstorfer legt dar, dass die Unique Public Relations GmbH mit dem Sozialministerium einen Werkvertrag von 75.912 EUR für die „Strategische Medienkommunikation des Sozialministeriums unter besonderer Berücksichtigung sozialer Medien“11 abgeschlossen hat. Die Unique Research GmbH hat mehrere österreichische Zeitungen wie Heute oder das Profil als Auftraggebern.

Es ist von entscheidender Bedeutung zu klären, ob unter der Leitung von Sozialminister Hundstorfer oder anderen der SPÖ nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung oder Staatssekretärinnen bzw. Staatssekretären ähnliche Mechanismen wie das „Beinschab-Tool“ zum Einsatz kamen, diesmal jedoch unter der Beteiligung von Josef Kalina.

Das Verfahren gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer in der Inseratenaffäre mit der AZ 32 St 41/11x und die Einstellung des Verfahrens sind bereits medial bekannt. Über den Vorwurf, Werner Faymann habe sich in seiner Zeit als Infrastrukturminister mit teuren Inseratenkampagnen die Gunst des Zeitungsboulevards erkauft und die Rechnungen dafür von ÖBB und ASFINAG bezahlen lassen, sowie über die Einstellung des Verfahrens, haben diverse Medien berichtet. So wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bundeskanzler Werner Faymann und gegen Josef Ostermayer, an den nach Angaben von Sabine Beinschab ab 2009 auch Angebote zur Meinungsforschung gelegt wurden, geführt.12

Es besteht die Möglichkeit, dass das von Sabine Beinschab beschriebene System auch im Zusammenhang mit dem gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer laufenden Verfahren wegen Inseratenvergaben steht. Eine Verbindung kann insbesondere deshalb angenommen werden, da die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bereits im Dezember 2021 im Akt AZ 17 St 5/19d zum Sachverhalt Beinschab-Österreich-Tool die Beischaffung des Aktes 32 St 41/11x von der Staatsanwaltschaft Wien verfügt hat. 13 Daher ist es von größter Wichtigkeit, sowohl das Verfahren der gesamten Inseratenaffäre (2007 bis 2013) als auch die Einstellung des Verfahrens im Lichte der neuen Anschuldigungen von Sabine Beinschab und der damit verbundenen Ermittlungen eingehend zu untersuchen.

In derselben Causa wurde Thomas Schremser, der ehemalige Ressortleiter der Kronen Zeitung, laut Falter am 6. Juli 2023 von der WKStA vorgeladen. „Es geht um Inseratendeals, politische Intervention und Verflechtungen“, berichtet der Falter. Thomas Schremser schied 2014 aus der Kronen Zeitung aus, weil er das „korrupte System einfach nicht mehr ertragen“ konnte. 14 In der Sendung „Scheuba fragt nach“ im Falter Radio gewährt Thomas Schremser einen konkreten Einblick in die enge Beziehung zwischen Werner Faymann und der Kronen Zeitung. So berichtet er über ein System der Medienkorruption seitens Werner Faymann. Angeblich besuchte er täglich die Kronen Zeitung und traf sich mit dem „alten“ Dichand, den Faymann angeblich „Onkel“ nannte. Das System sei eingerichtet worden, als Werner Faymann als Wiener Wohnbau-Stadtrat durch Interventionen mit Inseratengeldern negative Berichterstattungen über „Wiener Wohnen“ verhindert haben soll. Im Interview wird Werner Faymann auch als „Schutzpatron der Kronen Zeitung“ bezeichnet. Dieses System soll auch später von Werner Faymann als „Inseratenkanzler“ fortgesetzt worden sein. 15

Der Verdacht einer Inseratenpolitik, die seitens der der SPÖ nahestehenden Mitglieder der Bundesregierung betrieben wurde, zum Zweck einer verdeckten Parteifinanzierung mit Hilfe von Organisationen mit Nähe zur SPÖ liegt nahe und bedarf einer gründlichen Untersuchung.

Die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (9879/AB XXIV. GP) durch das Bundeskanzleramt aus dem Jahr 2012 erhärtet diesen Verdacht. So wurden seit dem Jahr 2007 Vorfeldorganisationen oder Organisationen, die der SPÖ nahestehen, wie beispielsweise der Auto-, Motor- und Radfahrerbund Österreichs (ARBÖ), der Pensionistenverband Österreichs (PVÖ), der Verband Sozialistischer Studentinnen in Österreich (VSStÖ) 16 und die Sozialistische Jugend17, mit zahlreichen Inseraten seitens des Bundeskanzleramtes bzw. seitens der Bundesministerien, die von der SPÖ nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung geleitet wurden, bedacht. Es stellt sich also die Frage, ob möglicherweise weitere Vorfeldorganisationen oder Organisationen, die der SPÖ nahestehen, aus sachfremden Motiven mit Inseraten von der SPÖ nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung bzw. von – von diesen geleiteten – Bundesministerien bedacht wurden.

Auch die Vergabe von externen Dienstleistungen muss untersucht werden. Schon im ersten Jahr der Regierung Werner Faymann I wurden 32 Millionen EUR für durch externe Berater durchgeführte Studien ausgegeben. Es besteht die Befürchtung, dass die Beauftragungen parteipolitisch motiviert waren und dass die Ergebnisse der Studien von den auftraggebenden Ministerien zurückgehalten wurden, weil nicht das parteipolitisch erwünschte Ergebnis herausgekommen ist.

So hat das Verkehrsministerium als damaliger Spitzenreiter 5,7 Millionen EUR für Studien ausgegeben. Darunter finden sich Studien wie eine Genderstudie, „Frauen in nationalen und internationalen Luftfahrtorganisationen“, oder eine Studie zum „Gender Budgeting“. Der damalige Abgeordnete des Nationalrates Gerald Grosz äußerte den Verdacht der illegalen Parteifinanzierung: „Das eine oder andere Beratungsunternehmen dürfte als zwischengeschaltetes Unternehmen fungiert haben, um Steuergeld reinzuwaschen und in die Parteikassen von SPÖ […] fließen zu lassen“.18 Ebenso wird „Geld für die Bestätigung bekannter Tatsachen ausgegeben“, wie die Grüne Frauensprecherin Brigid Weinzinger im Jahr 2010 Kritik an einer IFES-Umfrage verkünden ließ.19 Der Umstand, dass gerade das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) mit Studien beauftragt wird, deren Ergebnisse nicht neu waren oder deren Fragestellung mit den inhaltlichen Schwerpunkten des Institutes nicht übereinstimmten, wurde auch von der BZÖ Bildungssprecherin Ursula Haubner kritisiert. Haubner unterstellt dem IFES, ein SPÖ-Umfrageinstitut zu sein, und dass „im Vergleich zur Marktwirtschaft offensichtlich überhöhte Preise mit Ministeriumsgeldern querfinanziert“ 20 worden zu sein.

Explizit wird dabei die „teuerste Elternbefragung aller Zeiten“ 21 angesprochen, die vom von einem der SPÖ nahestehenden Mitglied der Bundesregierung geführten Unterrichtsministerium mit 182.000 EUR finanziert wurde und nicht vom eigenen Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE), das in diesem Aufgabenbereich wohl eher die notwendige Expertise gehabt hätte.22 Das IFES wurde nicht nur von der SPÖ-nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung bzw. von diesen geleiteten Ministerien mit hohen Auftragssummen bedacht, sondern auch mit Meinungsumfragen in Wahlkampfzeiten. So wurde das vom Standard als „Meinungsforschungsinstitut“ titulierte IFES von der SPÖ im Wahlkampf 2006 beauftragt; es lieferte im Gegensatz zu anderen Meinungsforschungsinstituten wohlwollende Erkenntnisse betreffend den Spitzenkandidaten der SPÖ Alfred Gusenbauer.23

Es ist daher zu untersuchen, ob Studien zur Parteifinanzierung bzw. für Kickbackzahlungen unter Beteiligung von der SPÖ nahestehenden Agenturen dienten und welche SPÖ nahen Agenturen durch Ministeriumsbeauftragungen profitierten.

Im Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP wurden Unterlagen vorgelegt, die den Verdacht nahelegten, dass Studien, die von Bundesministerien in Auftrag gegeben wurden, die von der SPÖ nahestehenden Mitgliedern der SPÖ geleitet wurden, nicht primär dazu dienten, die Regierungsarbeit durch externe Expertise und objektive Analysen zu unterstützen, sondern SPÖ-Teilverbände mit Steuergeld zu fördern.

Im Jahr 2015 wurde beispielsweise eine Förderung in Höhe von 80.000 EUR vom Bundeskanzleramt für die Studie „Trendmonitoring“ der Paul Lazarsfeld Gesellschaft beantragt.24 Diese Studie untersuchte politische Themen wie Parteimitgliedschaft, Parteipräferenzen und Wahlbeteiligung. Die Initiatoren sowie die „Strategischen Kooperationspartner“ der Studie waren die Arbeiterkammer Wien, der ÖGB und der SPÖ-Pensionistenverband.25 Obwohl die Fachabteilung gegen die Förderung Stellung bezog, wurde sie aufgrund wiederholter Interventionen seitens der Studieninitiatorinnen bzw. -initiatoren vom Bundeskanzleramt bewilligt. Das Bundeskanzleramt leistete eine Zahlung von 40.000 EUR, und ein Jahr später zahlte das Arbeitsministerium unter der Leitung von Alois Stöger weitere 40.000 EUR. 26

Der Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP wollte diesen Sachverhalten nachgeben. Jedoch wurde die Aufklärung, insbesondere seitens der SPÖ-Fraktion und des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl, verhindert. Wolfgang Pöschl meinte: „Wenn es darum geht – schlampig gesagt –, Sünden der SPÖ aufzudecken, dann würde ich meinen, dass das nicht vom Untersuchungsgegenstand gedeckt ist.“ 27

Ein weiterer Rahmenvertrag warf erneut Fragen auf. Im Jahr 2017 wurde ein Rahmenvertrag in Höhe von 54.000 EUR zwischen dem Bundeskanzleramt und Karl Krammer, einem ehemaligen Kabinettchef von Bundeskanzler Vranitzky, abgeschlossen. Die Teilabrechnung, welche dem Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP vorlag, enthielt folgende Auskunft: „Die pauschal mit 3 Beratungstagen ausgewiesenen einzelnen Beratungsleistungen wurden an rund 20 Tagen des Monats erbracht und beziehen sich auf alle drei im Vertragsgegenstand festgehaltenen Beratungsfelder Regierungskommunikation, Medienpolitik und Europapolitik.“28 Bemerkenswert erscheint jedoch, dass im Januar 2017 an insgesamt 20 Tagen Beratungen stattgefunden haben sollen, obwohl der Vertrag mit Karl Krammer erst am 27. Januar 2017 unterzeichnet wurde. Der Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP konnte leider keine Erkenntnisse zur Nachvollziehbarkeit der erbrachten Beratungsleistungen erlangen. Die von Karl Krammer vorgelegte Aufstellung enthält keinerlei Angaben darüber, wer, wann, über welche Themen und von wem beraten wurde. Die Bestätigung der Rechnung erfolgte durch den Kabinettchef des Bundeskanzlers, der sich auf folgende Formulierung zurückzog: „Und wenn die Leistungen nicht erbracht worden wären, hätte er es nicht sachlich richtig bestätigt.“29

Eine weitere Aktenlieferung aus dem Bundeskanzleramt im Rahmen des Untersuchungsausschusses 4/US XXVII GP hat zu erheblicher Verwirrung geführt und erfordert daher eine umfassende Aufklärung hinsichtlich möglicher parteipolitischer Bevorzugungen. Inmitten des Wahlkampfsommers 2017 wurde die Vergabeabteilung des Bundeskanzleramtes auf Anweisung der Ressortleitung beauftragt, ein Konzept für eine „ganzheitliche Lösung der gegenwärtigen Migrationskrise“ zu erstellen. Die Vergabe wurde an das Unternehmen Switxboard vergeben, das von dem Migrationsberater Kilian Kleinschmidt geleitet wurde. Erstaunlicherweise wurde der Auftrag in einem äußerst kurzen Zeitraum umgesetzt. Der Werkvertrag wurde am 2. August 2017 unterzeichnet, am 18. August 2017 wurde ein Zwischenbericht vorgelegt, und bereits am 15. September 2017 wurde der Endbericht präsentiert. Besonders bemerkenswert ist, dass der Bericht mit beeindruckenden 229 Seiten (abgesehen von einem zweiseitigen Vorwort) in englischer Sprache verfasst wurde, obwohl im Vertrag die Verwendung der Deutschen Sprache festgelegt war. Zudem blieb der Autor des Berichts unbekannt.30 Die Kosten betrugen 93.600 EUR, was von der Leiterin der Vergabeabteilung im Bundeskanzleramt bei ihrer Befragung vor dem Untersuchungsausschuss 4/US XXVII. GP bestätigt wurde.31 Das Konzept schien aber tatsächlich nicht für das Bundeskanzleramt bestimmt gewesen zu sein, sondern, wie der damalige SPÖ-Parteiobmann und Bundeskanzler Christian Kern bestätigte, für die SPÖ. In einem Interview mit der Tageszeitung Die Presse vom 7. November 2017 erklärte Christian Kern, dass der „Entwicklungshelfer Kilian Kleinschmidt“ ein Migrationskonzept für die SPÖ ausarbeitete.32

Der Verfahrensrichter im Untersuchungsausschuss 4/US XXVI GP. Wolfang Pöschl wollte auf diesen Sachverhalt gerichtete Fragen zulassen, wenn nicht die Vorsitzende-Stellvertreterin Selma Yildirim bei ihm nicht interveniert hätte. Schlussendlich bestätigte Wolfgang Pöschl die Unzulässigkeit der Fragen mit der Begründung: „Es geht in diesem Ausschuss ausschließlich um die Österreichische Volkspartei.“33

Die Beauftragung von SPÖ-nahen Werbeagenturen durch Bundesministerien, die von der SPÖ nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung geleitet wurden, erwecken den Verdacht von Kickbackzahlungen. Das Bundeskanzleramt unter der Leitung von Werner Faymann und von Kanzleramtsministerin für Frauenangelegenheiten und Öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek finanzierte die der SPÖ nahestehende Werbeagentur Echo Medienhaus. Die Nähe dieser Werbeagentur zur SPÖ ergibt sich aus der ehemaligen Eigentümerin, dem „Verband Wiener Arbeiterheime (VWA)“, die in den Medien als „mächtigste politische Unternehmensholding Österreichs“ und Verwalterin des „Imperiums der Wiener SPÖ“ 34 bezeichnet wurde. Demnach soll die Kanzleramtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek dem Echo Medienhaus für den „Galaabend 100 Jahre Frauentag“ mit 79.198 EUR mitfinanziert haben und weitere Agenturrabatten für Inseratenschaltungen gewährt haben. 35

Eine weitere der SPÖ nahestehende Werbeagentur, die heraussticht, ist die Leykam Medien AG. Die SPÖ-Steiermark ist über die Spectro gemeinnützige Gesellschaft für wissenschaftliche Forschung GmbH an dieser Beteiligungsgesellschaft beteiligt, und der ehemalige SPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat Maximilian Lercher war Vorstand bzw. Geschäftsführer dieser Gesellschaften. 36 Es bedarf daher einer Untersuchung, ob die Leykam Medien AG aufgrund dieser Umstände von Bundesministerien, die von der SPÖ nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung geleitet wurden, Aufträge erhalten hat und ob diese Verbindung für eine verdeckte Parteifinanzierung ausgenützt wurde.

Nachbesetzungen von SPÖ-nahen Parteimitgliedern in SPÖ-geführten Ministerien wurde inflationär betrieben. Viele Beispiele im Zusammenhang mit Postenbesetzungen sorgten für Kopfschütteln, an dem sogar der Steuerzahler zu Kassa geboten wurde. Zum Beispiel wurde Im Jahr 2011 wurde Ursula Zechner von der SPÖ-Verkehrsministerin Bures zur Sektionschefin ernannt, obwohl ein anderer Kandidat von der Begutachtungskommission besser bewertet wurde. Die Republik Österreich musste daraufhin mehr als 317.368 EUR Entschädigung an den besseren Kandidaten zahlen.37

Im Jahr 2013 wurde mit Nachdruck der Sektionschefin Zechner der ehemalige Personalchef des Telekommunikationsunternehmens Orange, Johannes Gungl, von der damaligen Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) zum RTR-Chef bestellt. Laut dem Kurier wird Zechner eine langjährige Freundschaft mit Gungl nachgesagt. Auch das Ausschreibungsverfahren sorgte für Verwunderung, da die Anforderungskriterien und das Ausschreibungsverfahren dem Kurier zufolge nicht den Vorgaben des Ausschreibungsgesetzes entsprachen und sich stark auf einen Bewerber mit umfassender Personalerfahrung konzentrierten.38

FPÖ

Die von der FPÖ nahestehenden Mitgliedern der Bundesregierung geführten Bundesministerien bedachten im Zeitraum von 2017 bis 2019 der FPÖ nahestehende Medien durch Inseratenschaltungen. So wurden für Inserate in den Zeitschriften „Wochenblick“, „alles roger?“, „Zur Zeit“, „unzensuriert“ und „Info Direkt“ eine Gesamtsumme von über 116.000 EUR ausgegeben. 39

Laut einem Bericht des Profils erhielt die Zeitschrift „Wochenblick“, deren früherer FPÖ-Gemeinderat Norbert Geroldinger Geschäftsführer war, insgesamt 74.490 EUR vom Innen- und Verkehrsministerium für Inserate. Die Zeitschrift „alles roger?“, deren Verlagsleiter FPÖ-Politiker Peter Westenthaler war, erhielt vom Verkehrs- und Sportministerium 22.580 EUR. In der von FPÖ-Funktionär Andreas Mölzer herausgegebenen Zeitschrift „Zur Zeit“ wurden Inserate vom Verteidigungs- und Verkehrsministerium geschaltet, wofür insgesamt 8.710 EUR aufgewendet wurden. Das Verkehrsministerium inserierte ebenfalls in der Zeitschrift „unzensuriert“ und zahlte hierfür 7.200 EUR. Die Geschäftsführung dieser Zeitschrift liegt in den Händen von Dipl.-Ing. Walter Asperl, der auch Mitarbeiter des FPÖ-Parlamentsklubs ist. Des Weiteren soll, wie das Profil berichtete, die FPÖ-nahe Zeitschrift „Info-Direkt“ von Regierungsinseraten in Höhe von 3.060 EUR profitiert haben. 40

Im Jahr 2015 wurde medial bekannt, dass der aktuelle FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl Beteiligungen an der Werbeagentur „Ideen.schmiede“ hatte und in den Jahren 2005, 2006, 2008 und 2009 Nächtigungskosten für Kickl bezahlt habe.41 Demnach soll die Firma ein eigenes Spesen-Abrechnungskonto für Kickl geführt haben.42 Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts der „Untreue, Bilanzfälschung und Betrugs“.43 Schon 2013 wurde medial bekannt, dass seit 2009 vom Land Kärnten, unter anderem vom damaligen FPÖ stellvertretenden Landeshauptmann Uwe Scheuch, insgesamt 1,1 Mio EUR an die der FPÖ nahestehenden Werbeagenturen „ideen.schmiede Werbeagentur GmbH“ und der „Textacy Werbeagnetur GmbH“ geflossen sind. Auch soll Herbert Kickl die Hälfte des Hauses, indem das Unternehmen „Ideen.schmiede“ seinen Firmensitz hat, gehört haben.44 Der Verdacht der illegalen Parteienfinanzierung stand im Raum.45 Der Verdacht erhärtet sich, nachdem die Signs Werbeagentur, die frühere „Ideen.schmiede“, ein Puma Logo für eine Polizei-Truppe für den damaligen Innenminister Herbert Kickl im Jahr 2018 „kostenfrei“ entwickelte.46 Im Jahr 2015 stellte die Partei „Die Grüne“ eine Dringliche Anfrage (6523/J) an den Justizminister im Nationalrat, um die konkreten Tatbestände und den Stand der Strafverfahren rund um die Vorwürfe gegen FPÖ und Ideen.schmiede-Causa zu erfragen. Der Vorwurf der Grünen lautete: „Betrug, Bestechung, Beweismittelunterdrückung, geheime Geldkoffer. Die Liste der Korruptionsfälle unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung sei lange, so wie jene von Freiheitlichen, die sich persönlich mit Steuergeld bereichert hätten“47 in einem „System Strache“. Der damalige Abgeordnete zum Nationalrat Peter Pilz bekräftigte den Vorwurf mit: „Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die FPÖ die Schlüsselpartei der Korruption in Österreich“.48

Es gilt daher zu klären, ob die Werbeagentur „Ideen.schmiede“ vom Innenministerium oder nachgeordneten Dienststellen, unter der Anweisung oder im Wissen vom damaligen Innenminister Herbert Kickl, Werbeaufträge erhielten und somit Herbert Kickl indirekt an diesen mitverdiente bzw. die FPÖ verdeckt finanziert wurde.

Eine weitere Werbeagentur, die der FPÖ zuzuordnen ist, wirft den Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung auf. Die Outsell GmbH, deren Mehrheitseigner der FPÖ-Bezirksrat Andreas Bussek ist, der zudem Mitglied im Vorstand der Freiheitlichen Wirtschaft Wien ist, erhielt vom Verkehrsministerium unter Norbert Hofer einen Werbeauftrag in Höhe von 132.000 EUR für eine Kampagne.

Zu dieser Angelegenheit äußerte sich der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda wie folgt: „Offenbar gibt es für FPÖ-geführte Ministerien nur ein Kriterium für die Vergabe von Aufträgen, nämlich die Zugehörigkeit zur FPÖ. Denn die Auftragsvergabe nach FPÖ-Nähe hat in der FPÖ mittlerweile schon System“.49

Daniela Pisoiu, Senior Resercher am Österreichischen Institut für Internationale Politik, wurde vom FPÖ Landesverteidigungsminister Mario Kunasek mit einer Studie zum „Extremismus und Terrorismus im Westbalkan“ beauftragt. Dieser Auftrag wurde mit einem Budget von 36.000 EUR dotiert und wurde direkt an Daniela Pisoiu vergeben, nicht an das Österreichische Institut für Internationale Politik.50 Beim Studium des Textes „Aus der Angst Kapitel schlagen: der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in Westeuropa“51 fallen positive Aussagen zur FPÖ und ihren Standpunkten betreffend Flüchtlingspolitik auf. Es wäre daher zu untersuchen, nach welchen Kriterien Daniela Pisoiu Aufträge von Bundesministerien erhielt, die von der FPÖ zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung geleitet wurden, und ob sich dadurch Kickback-Zahlung an die FPÖ oder dieser nahestehenden Organisationen oder Personen ergaben.

In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (3688/AB, XXVI.GP) betreffend die Auftragsvergaben von Studien während der Amtszeit von Beate Hartinger-Klein wurde ein Betrag von 93.868,75 EUR für Studien von Einzelpersonen ausgegeben. Die Zuordnung der genannten Beträge zu den entsprechenden Personen ist jedoch nicht transparent nachvollziehbar, weshalb auch in diesem Fall mögliche Kickback-Zahlungen im Raum stehen.52

Im von Herbert Kickl geführten Innenministerium wurden erstaunlicherweise lediglich fünf Studien in Auftrag gegeben. Gemäß der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage (3682/AB XXVI.GP) gab es eine Studie mit dem Titel „Datenauswertung/Publikationen im Rahmen der 2. BAK Integritätsstudie‚ Einstellungen zu Korruption‘“, bei der der Auftragnehmer als Frank Heber angegeben ist.53 Es ist jedoch nicht klar ersichtlich, wer dieser Auftragnehmer genau ist und welche Qualifikationen er für die Durchführung der Studie mitbrachte. Diese mangelnde Transparenz wirft Fragen auf und lässt Raum für Vermutungen betreffend die mögliche Vertuschung von Daten und Informationen.

Als die FPÖ im Zuge ihrer Regierungsbeteiligung im Jahr 2017 begann die politischen Kabinette der Ministerien zu besetzen, wurde eine erstaunlich hohe Anzahl an deutschnationalen Burschenschaftern und Mitarbeitern mit Berührungspunkten zum Rechtsextremismus registriert. Beispielsweise waren alle Kabinettchefs FPÖ-geführter Ressorts Mitglied einer Burschenschaft. Der Einzug gefährlichen Gedankenguts in die politischen Leitzentralen der Ressorts wurde damals von breiter medialer Berichterstattung begleitet: So beleuchtete die Presse am 4. Jänner 201854 die Vorbeschäftigung von Alexander Höferl, damals frisch-bestellter Kommunikationschef von Innenminister Herbert Kickl. Zuvor war er als Chefredakteur von ‚unzensuriert.at‘ tätig – eine Seite die der Verfassungsschutz als „extrem fremdenfeindlich und teilweise antisemitisch“ qualifizierte. Zeitgleich deckte der Falter55 auf, dass im Infrastrukturministerium die Durchwahl mit dem bekannten Nazicode 8818 zu Norbert Hofers Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, Herwig Götschober, führte. Götschober (Obmann der Burschenschaft Bruna Sudetia, auf welcher im Februar 2018 eine Razzia aufgrund verdächtiger Liedertexte stattfand56), gelte als „bekanntes Gesicht in der österreichischen rechtsextremen Szene“. Kurz nach der Razzia betreffend diese Burschenschaft – zuvor flog die Liederbuchaffäre der Burschenschaft Germania Wiener Neustadt auf – kam es zur rechtswidrigen Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, samt auffällig umfangreicher Durchsuchung von Ermittlungsakten im Extremismusreferat (durch eine Spezialeinsatzgruppe unter der Leitung eines FPÖ-Gemeinderats). Dass Kickls Kabinettchef Reinhard Teufel (Burschenschaft Brixia) den Kontakt des Leiters der Einsatzgruppe an jenem Tag zugeschickt bekam57, als Herbert Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber das sogenannte BVT-Konvolut bei der WKStA zur Anzeige brachte, lässt weitere Fragen über die Hintergründe der illegalen BVT-Durchsuchung ungelöst.

Im Infrastrukturministerium bestellte Norbert Hofer Rene Schimanek zu seinem Kabinettchef, der laut Falter-Artikel in Jugendzeiten an der Seite von Neonazi Gottfried Küssel demonstrierte und Wehrsportübungen praktizierte. Letzteres ist auch über den Burschenschafter Andreas Reichhardt bekannt, den Norbert Hofer 2018 zum Generalsekretär des Infrastrukturministeriums beförderte. Reichhardt hat sich später im öffentlichen Dienst etabliert und ist aktuell Sektionschef für Telekommunikation, Post und Bergbau. Den Sprung zum Beamten schaffte auch der Burschenschafter Arndt Praxmarer, der zu seiner Zeit in Norbert Hofers Kabinett ein deutsches Gasthaus eines bekannten Neonazis auf Facebook likte58 und heute im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft tätig ist.

Insgesamt lässt sich ein erhebliches Netzwerk an deutschnationalen Burschenschaftern mit rechtsextremen Berührungspunkten erkennen. Medial sowie durch das Mauthausen Komitee Österreich oder das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes wurden bereits zahlreiche „Einzelfälle“ und deren Verbindungen aufgezeigt und dokumentiert. Die Vernetzung dieser Personen hinein in die öffentliche Verwaltung bzw. die staatlichen Institutionen fordert jedenfalls tiefgreifendere Aufklärung.

Voraussetzungen gemäß Art. 53 Abs. 2 B-VG:

Gemäß Art. 53 Abs. 2 B-VG ist Gegenstand der Untersuchung eines Untersuchungsausschusses ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes, wobei alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, eingeschlossen sind.

Zusammengefasst müssen folglich drei Elemente vorliegen: Erstens muss es sich um einen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes handeln. Zweitens muss der Vorgang bestimmt und drittens abgeschlossen sein.

Der Begriff „Vollziehung“ fasst die Staatsgewalten „Verwaltung“ und „Gerichtsbarkeit“ zusammen, wobei nach Art. 53 Abs. 2 zweiter Satz B-VG die Überprüfung der Rechtsprechung ausgeschlossen ist. Die Kontrolle durch Untersuchungsausschüsse erstreckt sich auf jede Art der Verwaltung im verfassungsrechtlichen Sinn und umfasst Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung, nicht-hoheitliche Verwaltungstätigkeit und auch informelles Verwaltungshandeln. Die Ausübung von Aufsichts- oder Bestellungsrechten durch Organe des Bundes gegenüber ausgegliederten Rechtsträgern ist ebenfalls Verwaltungstätigkeit und unterliegt der Kontrolle eines Untersuchungsausschusses.

Wie sich aus der Formulierung dieses Untersuchungsgegenstandes zweifelsfrei ergibt, ist ausschließlich Gegenstand der Untersuchung das Handeln von Organen der Vollziehung des Bundes („Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre sowie diesen in den jeweiligen Bundesministerien unterstellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“; davon sind selbstverständlich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerkabinette umfasst). Die Rechtsprechung soll nicht untersucht werden. Staatsanwaltschaftliches Handeln ist im umschriebenen Ausmaß erfasst. Staatsanwälte sind nur formal der Gerichtbarkeit zugeordnet. Sie sind nicht rechtsprechend tätig (VfSlg. 19.350/2011), weshalb ihr Handeln weisungsgebundenes Vollzugshandeln auf Bundesebene im Sinn des Art. 53 Abs. 2 B-VG darstellt und somit von einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates untersucht werden kann.

Der Untersuchungsgegenstand muss des Weiteren einen bestimmbaren und abgrenzbaren Vorgang inhaltlich zusammenhängender Sachverhalte bilden. Mehrere Sachverhalte, die einen einheitlichen untersuchbaren Vorgang bilden sollen, müssen somit inhaltlich, personell oder zeitlich in einem Zusammenhang stehen; sie müssen eine inhaltliche Klammer aufweisen. Ein Untersuchungsgegenstand ist dann bestimmt, wenn der zu untersuchende Vorgang konkret, abgegrenzt und im Prüfungsauftrag hinreichend konkretisiert ist. Kriterien können die Benennung des maßgeblichen Anlasses, der maßgeblichen Akteure, der betroffenen Zeiträume und der Zielrichtung der Untersuchung sein.

Durch die genaue Bezeichnung der zu untersuchenden Sachverhalte bzw. Handlungen (Inseratenschaltungen und Medienkooperationsvereinbarungen; Umfragen, Gutachten und Studien sowie Beauftragung von Werbeagenturen) sowie jener Organe bzw. Personen, deren Handeln untersucht werden soll, ist der Untersuchungsgegenstand genau bestimmt und vom restlichen (Vollzugs-) Handeln dieser Organe klar abgegrenzt. Die zu untersuchenden Vorgänge hängen deshalb inhaltlich zusammen, weil geklärt werden soll, ob bezüglich des näher umschriebenen Vollzugshandelns sachfremde – insbesondere parteipolitische – Motive und nicht die durch die Rechtsordnung vorgegebenen Maßstäbe das Handeln der beschriebenen Organe des Bundes bestimmt haben. Im Besonderen ist dabei an Art. 126b B-VG zu denken, der für die Überprüfung der gesamten Staatswirtschaft des Bundes durch den Rechnungshof als Maßstab die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, die Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit normiert. Darüber hinaus ist z.B. auf das Vergabegesetz, unterschiedliche Transparenzvorschriften sowie Rechnungshofempfehlungen zu verweisen.

1 Beschuldigteneinvernahme Beinschab vom 20/21.10.2022 (Dok. Nr. 408443, Lieferant BMJ, OStA-Wien), 73 von 219.

2 Beschuldigteneinvernahme Beinschab vom 09.02.2022 (Dok. Nr. 408444, Lieferant BMJ, OStA-Wien), 7ff von 124.

3 Beschuldigteneinvernahme Beinschab vom 20/21.10.2022 (Dok. Nr. 408443, Lieferant BMJ, OStA-Wien), 73 von 219.

4 11717/AB XXVII.

5 www.youtube.com/watch?v=g6lGiTWuSaQ (abgerufen am 19.01.2023).

6 SORA Ogris & Hofinger GmbH.

7 Der Standard vom 27.09.2023: „Versehentlich veröffentlichtes SPÖ-Papier katapultiert Sora aus dem ORF“.

8 APA 28.09.2023: „Verbindung von SORA zur Arbeiterkammer“

9 NÖ Nachrichten vom 30.05.2011: „Beschluss gegen SORA“

10 Fraktionsbericht SPÖ zum ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, 13.

11 3528/AB XXV. GP.

12 BV Beinschab vom 9. Februar 2022, 7 ff.

13 Anordnungs- und Bewilligungsbogen AZ 17 St 5/19d, 1167ff.

14 Falter 19.07.2023: „Jetzt watschen wir den Minister 3-4 Tage ab und dann inserieren sie wieder und dann sind wir wieder Freunde“.

15 Falter Radio 6.6.2023, ab Minute 16:00, „Scheuba fragt nach….bei Thomas Schrems - #83

16 9879/AB XXIV. GP.

17 9846/AB XXV.GP, 9864/AB XXV.GP.

18 Der Standard vom 05.02.2009: „Rot-Schwarz noch teurer als Schwarz-Blau“

19 APA 15.10.2007: „IFES-Umfrage: Kritik von Grüne und ÖVP“

20 Die Presse 12.02.2010: FES: „SPÖ-Umfrageinstitut wird quersubventioniert“.

21 Die Presse 12.02.2010: FES: „SPÖ-Umfrageinstitut wird quersubventioniert“.

22 Die Presse 12.02.2010: FES: „SPÖ-Umfrageinstitut wird quersubventioniert“.

23 Der Standard 28.09.2006: Gallup und Fessel: Schüssel gewonnen, IFES: Gusenbauer menschlicher.

24 Kanzleiweisung BKA-180.840/0102-I/8/2015 (Dok. Nr. 181565, Lieferant BKA), 31 von 364.

25 633/KOMM XXVII. GP (Befragung Siegfried Lindenmayr), 7.

26 Zahlungen an angefragte Vereine 2014 bis 2021 (Dok. Nr. 489544, Lieferant Rechnungshof); 656/KOMM XXVII. GP (Befragung Mag.a Nicole Bayer), 14f.

27 632/KOMM XXVII. GP (Befragung Dr.in Helga Luczensky), 18.

28 Beratervertrag mit Karl Krammer (Dok. Nr. 181098, Lieferant BKA), 36 von 41.

29 632/KOMM XXVII. GP (Befragung Dr.in Helga Luczensky), 42ff.

30 Finale Version des Aktionsplan AFCO (Dok. Nr. 181210, Lieferant BKA), 17ff von 257.

31 632/KOMM XXVII. GP (Befragung Dr.in Helga Luczensky), 25.

32 Die Presse vom 05.11.2017: „So verblödet kann man ja nicht sein“.

33 656/KOMM XXVII. GP (Befragung Mag.a Nicole Bayer), 25.

34 Profil 28.08.10: Wahl 2010. Genossenschaftswesen: Wie die Gemeinde Wien die SPÖ Wien alimentiert.

35 Die Presse 06.11.2013: SPÖ-Agentur der SPÖ-Minister.

36 Wiener Zeitung 20.10.2019: „Causa Lercher als neue Belastung für die SPÖ“.

37 ORF.at 19.03.2018: Diskriminierung: 317.368 Euro Entschädigung

38 Kurier 14.04.2013: Polit-Intrigen um Job des Telekom-Regulators

39 893/AB XXVI. GP, 2181/AB XXVI. GP, 821/AB XXVI. GP, 1437/AB XXVI. GP, 2623/AB XXVI. GP, 2192/AB XXVI. GP, 2623/AB XXVI. GP, 2807/AB XXVI. GP, Profil 07.07.2019: „Schalten und walten“.

40 Profil 07.07.2019: „Schalten und walten“.

41 Ö1 Feiertagsjournal 15.08.2015: "Ideen.Schmiede": Neue Unterlagen sollen Kickl-Beteiligung belegen.

42 Kurier 15.08.2015: „Ideenschmiede: Kickl hatte eigenes Konto“.

43 ZiB 2 14.08.2015 Neue Details zur Causa Parteienfinanzierung und Kickl.

44 Der Standard 06.08.2018: FPÖ-nahe Agentur schenkte Ministerium Puma-Logo.

45 DerStandard 23.08.2013: „Land Kärnten zahlte 1,1 Mio Euro an FPÖ-nahe Werbeagentur“.

46 Der Standard 06.08.2018: FPÖ-nahe Agentur schenkte Ministerium Puma-Logo.

47 Parlamentskorrespondenz NR. 978 VOM 23.09.2015.

48 aaO

49 Profil 12.03.2019: Werbe- und PR-Ausgaben unter Schwarz-Blau gestiegen.

50 3695/AB XXVI.GP.

51 Pisoiu, D. & Ahmed, R. (2015): Aus der Angst Kapitel schlagen: der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in Westeuropa. OSZE-Jahrbuch, 181-194.

52 3688/AB XXVI.GP.

53 3682/AB XXVI.GP.

54 Die Presse vom 04.01.2018, „Kritik an Besetzung der FPÖ-Kabinette“.

55 Falter Nr.1-2/2018 vom 10.01.2018, „‘Heil dir‘ im Ministerium!“

56 Wiener Zeitung Nr. 38 vom 23.02.2018, „Ermittlungen gegen 'Bruna Sudetia'“

57 Der Standard vom 19.06.2020, „Heikle blaue Chats zur BVT-Affäre“

58 Mauthausen Komitee Österreich, „Die FPÖ und der Rechtsextremismus. Viele Einzelfälle = Ein Muster“ (3. Ausgabe 02.08.2019)

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