16.05

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Ich könnte eigentlich die 5 Minuten meiner Rede damit füllen, um auf das zu reagieren, was Sie, Kollegin Hamann, gesagt haben. Ich glaube, ich belasse es lieber dabei, weil es für sich steht. Es sei nur so viel gesagt: Wenn sich Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger, die Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker aus dem vorigen Nationalratsklub der Grünen, das anhören, dann, glaube ich, drehen sie sich um. Das hat nichts mehr mit dem zu tun, wofür Sie einmal gestanden sind. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte daran erinnern und noch einmal in den Fokus rücken, warum wir heute diesen Dringlichen Antrag gestellt haben. Anlass dafür ist nämlich der Fetzen, den Sie, Herr Bildungsminister, beim Pisa-Test stellvertretend für Österreich und für die Leistungen erhalten haben.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen (eine Tafel, auf der unter der Überschrift „Lese-Leistung in Österreich“ eine abfallende Kurve und die Zahl „-8,5“ abgebildet sind, in die Höhe haltend), wie die Leistungen ausgeschaut haben und wie der Vergleich zu den letzten Jahren ist. In den letzten zehn Jahren ist Österreich bei der Lesekompetenz, aber auch bei der Mathematikkompetenz und bei anderen Kompetenzen weiter abgerutscht.

Wir sind Mittelmaß in Europa geworden. (Abg. Taschner: Das ist aber schlecht skaliert!) Es gab diesbezüglich bei der Rede unserer Klubobfrau besonders intelligente Zwischenrufe aus dem ÖVP-Sektor – schon wieder: Herr Taschner –, dass das ja alles nicht so schlecht sei. (Abg. Taschner: Sie müssen es richtig skalieren, Herr Kollege!) – Ich glaube, man braucht keinen Nobelpreis, Kollege Taschner, um zu sehen, dass wir dann, wenn sich dieser Trend (auf die abfallende Kurve auf der genannten Tafel weisend) weiter verfestigt, nicht mehr Mittelmaß, sondern im Keller sein werden. Deswegen müssen wir umlenken: damit wir diesen Trend stoppen. (Beifall bei den NEOS.)

Andere Länder – Polen, Tschechien, die USA – sind mittlerweile vor uns, und Länder wie Estland sind an die Spitze vorgerückt. (Abg. Belakowitsch: So eine Überraschung! – Abg. Taschner: Und wo ist Finnland?) Es wird nicht lange brauchen, bis auch andere Länder uns überholt haben werden.

Nachdem diese Ergebnisse (die genannte Tafel wieder in die Höhe haltend) bekannt geworden sind, war das ganze Land gespannt, was sozusagen der Chef der Bildungspolitik in Österreich, Bildungsminister Polaschek, dazu sagen wird. Er sagt (die genannte Tafel umdrehend, wobei auf der Rückseite ein Portrait von Bildungsminister Polaschek und die Aufschrift „Pisa-Ergebnis ‚besonders erfreulich‘“ zu sehen sind): Das war „besonders erfreulich“. – Diese Ergebnisse sind also „besonders erfreulich“. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wenn man es zynisch nehmen will! Ich fasse es nicht, dass jemand, der solche Aussagen tätigt, Bildungsminister von Österreich ist! (Beifall bei den NEOS.)

Fairerweise muss man schon dazusagen, dass das, was wir jetzt als Ergebnis sehen, von Rot-Schwarz schon Jahrzehnte zuvor in der Bildungspolitik angerichtet wurde. Dieser Brand wurde gelegt, weil man sich gegenseitig nichts gegönnt hat. Die einen haben gesagt: Um jeden Preis die Gesamtschule!, und die anderen haben gesagt: Um jeden Preis das Gymnasium! – Diesen ideologischen Grabenkämpfen ist es zu verdanken, dass wir keine grundlegenden Reformen im Bildungssystem bekommen haben. (Abg. Kucharowits: Das stimmt einfach nicht!)

Die ÖVP hat in den letzten Jahren in der Funktion des vorigen und des aktuellen Bildungsministers weiterhin Öl ins Feuer gegossen. Mit Ihnen, Herr Bildungsminister, sitzt jetzt ein wahrer Brandbeschleuniger auf der Regierungsbank. Seit zwei Jahren sind Sie Bildungsminister und ich kann nur wiederholen und unterstreichen, was hier schon mehrfach gesagt wurde: null Vision, null Ideen! Ich sehe überhaupt keinen Ausblick, wie wir mit Ihnen als Bildungsminister in der Bildungspolitik weiter vorankommen werden. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist vielmehr eine komplette Selbstaufgabe – eine Selbstaufgabe ist das! Und indem Sie sagen: Es ist alles gut, bitte weitergehen, nichts zu sehen, es ist eigentlich „erfreulich“!, sagen Sie ja auch indirekt den betroffenen Lehrerinnen und Lehrern, die jeden Tag in der Schulklasse stehen, die über diese Zustände berichten, dass sie das quasi erfinden, dass sie sich eine Realität erfinden. Wissen Sie, wie man dieses Verhalten in der Psychologie nennt? – Das bezeichnet man als Gaslighting, wenn nämlich jemand bewusst und gezielt die Selbstwahrnehmung eines Menschen zu erschüttern versucht. Das machen Sie mit den Lehrerinnen und Lehrern, mit den Eltern, mit den Schülerinnen und Schülern, die jeden Tag sehen: Dieses Bildungssystem, so wie es jetzt ist, geht nicht in die richtige, sondern in die falsche Richtung.

Mein Appell an Sie ist also: Bitte wachen Sie auf! Vielleicht richte ich mich nicht nur an Sie, weil da die Hoffnung relativ gering ist, sondern auch an die Abgeordneten der Regierungsparteien: Wachen Sie auf!

Laut der letzten Pirls-Studie können bis zu 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Österreich nicht lesen. Wenn wir hier repräsentativ für alle jungen Menschen in Österreich wären, dann müsste ich irgendwo da oder da – das ist egal (nach links und nach rechts ins Plenum weisend) – eine Linie ziehen und sagen: Ihr könnt nicht lesen, ihr habt keine Chancen im Leben! Wenn man mit 15 aus dem Bildungssystem hinausgeht und nicht gescheit lesen kann, hat man doch keine Chancen im Leben, und das haben Sie zu verantworten! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Taschner: Das hat auch Herr Wiederkehr zu verantworten! Was macht der? – Abg. Salzmann: Bildungspflicht ist ...!)

Man könnte, wenn man Zyniker ist, sagen: Das ist alles frustrierend!, man könnte sagen: Ja, da hilft eh nichts mehr!, aber resignieren ist in der Bildungspolitik keine Option. Zumindest für uns als die Bildungspartei ist es keine. Es ist keine Option, und deswegen haben wir konkrete Vorschläge.

Erstens – der wird Ihnen nicht gefallen, Herr Bundesminister –: Bitte machen Sie Platz! Machen Sie Platz für einen anderen Bildungsminister – ja, natürlich aus den Reihen der ÖVP. Ich bin mir sicher, da gibt es welche, die das mit mehr Elan machen als Sie. (Beifall bei den NEOS.)

Zweitens: Herr Bundeskanzler – das ist ein ernst gemeintes Angebot –, bitte machen Sie Bildungspolitik zur Chefsache! Unsere Frau Klubobfrau hat es angesprochen: Laden Sie zu einem nationalen Dialog ein, zu einem Reformprojekt, bei dem wir gemeinsam, überparteilich schauen, welche grundlegenden Reformen wir im Bildungssystem umsetzen können. Unsere Vorschläge sind bekannt und wurden auch schon ausgeführt: der Chancenindex, Mittlere Reife, mehr Schulautonomie – ich möchte das jetzt nicht noch einmal wiederholen.

Liebe Bundesregierung, liebe Abgeordnete der Regierungsfraktionen, unsere Hand ist ausgestreckt (Abg. Höfinger: Ja, genau so schaut es aus!) – zugegebenermaßen, Herr Bildungsminister, nicht mehr in Ihre Richtung, weil wir die Hoffnung verloren haben, dass Sie noch etwas bewegen werden –, um gemeinsam etwas im Bildungssystem zu bewegen. (Beifall bei den NEOS.)

16.11

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.