17.38

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg: Ja, wir stimmen diesem Antrag zu, wenngleich er ehrlich gesagt ein bisschen sehr oft die Vokabel fortsetzen, „ausgeweitet“, „fortgeführt“ und „intensiviert“ ver­wendet und man etwas bewerben soll, das es schon gibt. Ich glaube aber, es ist ein wichtiger und wesentlicher Antrag.

Nichtsdestotrotz stellen wir einen eigenen Entschließungsantrag zu diesem The­ma, weil es mir – ich habe das ja auch schon in einer Rede vor etwa einem Monat betont – eigentlich ein bisschen um etwas Grundsätzliches geht.

Wir alle wissen, dass die letzten Jahre für Kinder und Jugendliche unheimlich fordernd waren: von einer Wirtschaftskrise nach Corona zu einem Krieg auf europäischem Boden, mit dem Jugendliche konfrontiert werden, mit den Auswirkungen der Teuerung, mit denen sie konfrontiert werden, und jetzt natürlich mit dem Nahostkonflikt.

Was war immer wieder die erste Antwort des Bildungssystems? – Die erste war einmal: Wir werden die Schulen mit Unterrichtsmaterialien ausstatten. – Ja, das ist natürlich eine flotte Antwort, das ist mir völlig klar. Ich wüsste auch keine, die sich rasch umsetzen lässt, aber ich glaube, gerade wegen dieser immer wiederkehrenden Herausforderung für das Schulsystem, auf Krisen zu reagieren, müssen wir eine grundsätzliche Antwort finden. Die kann nicht nur heißen, ein Maßnahmenpaket nach dem anderen zu schnüren, sondern wir müssen tatsächlich in die Richtung arbeiten, dass Jugendliche im Unter­richt – ob es das eigene Fach ist oder nicht – wirklich einen eigenen Raum – und mit Raum meine ich zeitliche Ressourcen – bekommen, um Krisen aufar­beiten zu können, und zwar grundsätzlich und nicht immer nur ad hoc. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Natürlich war die erste Antwort auf den Nahostkonflikt – um beim aktuells­ten Beispiel zu bleiben –: Wir werden die Schulen mit zusätzlichen Info­materialien ausstatten. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber das reicht nicht!) Ich muss aber sagen, ich habe mich am selben Tag hingesetzt – und da rede ich jetzt gar nicht über den Antrag, sondern das gilt grundsätzlich –: Wenn man Unterrichts­materialien und Antisemitismus eingibt, erhält man 1 400 Einträge, wenn man Unterrichtsmaterialien und Extremismus eingibt, gibt es 2 000 Einträge. Al­so die gibt es ja.

Ja, die bereitet man für die Schulen auf, das ist wichtig. Die Lehre, die wir daraus ziehen sollten, ist aber einfach, tatsächlich zu überlegen, wie Kinder und Jugendliche im schulischen Kontext mit diesen Krisen arbeiten können, mit ihren Lehrer:innen arbeiten können und wie die Lehrerinnen und Lehrer oder spezielle Lehrerinnen und Lehrer letztendlich dafür fit gemacht werden können, solche Krisen mit den Kindern und Jugendlichen aufzuarbeiten. Darum geht es in dem Antrag, den ich hiermit auch einbringen möchte – und wenn Sie zuhören: es geht nicht nur um ein eigenes Fach; das steht nur als Bei­spiel drinnen –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinder und Jugendliche durch politische Krisen begleiten und Demokratiebildung ausbauen“

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung, wird aufgefordert, unverzüglich ein umfassendes und nachhaltiges Maßnahmenpaket zur Bewältigung und Verarbeitung von Kri­sen an Schulen vorzulegen, basierend auf dem in der AK Wien Vollver­sammlung verabschiedeten Antrag ,Nahostkonflikt: Jugend durch politische Krisen begleiten und Demokratiebildung ausbauen‘. Dieses Paket soll nicht nur Unterstützungs- und Lernangebote für Pädagog:innen im Bereich der politischen Bildungsarbeit umfassen, sondern auch einen dauerhaften Rahmen schaffen, beispielsweise durch die Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfachs ,Politische Bildung‘ in allen Schultypen, um eine konti­nuierliche und professionelle Begleitung von Schüler:innen durch politische Kri­sen sicherzustellen. Zusätzlich ist es dringend erforderlich, kurzfristig ein Budget bereitzustellen, auf das Schulen zugreifen können, um speziell benötigte Fachkräfte zur professionellen Unterstützung an die Schulen zu holen.“

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Ich glaube, es ist – auch für uns – an der Zeit, gerade aus den vergangenen Jahren zu lernen und zu fragen: Wie können wir das grundsätzlich angehen, statt immer nur Ad-hoc-Maßnahmen zu setzen? Ich glaube, die Zeit für Ad-hoc-Maßnahmen ist vorbei. Wir brauchen eine grundsätzliche Lösung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Oxonitsch,

Genossinnen und Genossen,

betreffend „Kinder und Jugendliche durch politische Krisen begleiten und Demokra­tiebildung ausbauen“

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3717/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prävention vor Extremismen (2332 d.B.) (TOP 17)

Globale Krisen wie die Corona-Pandemie sowie derzeit die Kriege in Nahost und der Ukraine haben weitreichende demokratiepolitische und psychosoziale Auswirkun­gen, die sich auch an Österreichs Schulen bemerkbar machen. Auch wenn das Vertrauen in öffentliche Institutionen langsam wieder steigt, wie der aktuelle Demo­kratie Monitor zeigt1, bleibt es insgesamt dennoch niedrig und antidemokra­tische Bewegungen wachsen. Inzwischen spricht sich jede vierte Person für demokra­tiepolitische Einschränkungen aus. Das sind doppelt so viele Menschen wie 2018.

Obwohl Schulen grundsätzlich Raum für Demokratiebildung und eine offene Auseinandersetzung mit aktuellen Krisen dauerhaft bieten könnten, mangelt es im gegenwärtigen Schulalltag an ausreichenden zeitlichen Ressourcen und fachli­chen Unterstützungen. Dadurch können aktuell soziale Prozesse und inhaltliche Aus­einandersetzungen im Klassenzimmer nicht angemessen begleitet werden, auch eine ernstzunehmende Demokratiebildung bleibt auf der Strecke.

Gleichzeitig bedienen sich antidemokratische Akteur:innen zunehmender Möglich­keiten im Internet, um mit Falschinformation im Speziellen Jugendliche zu er­reichen. Die Jugendlichen müssen daher lernen, Falschmeldungen zu identifizieren und Informationen kritisch zu verarbeiten. Ziel politischer Bildung und digi­taler Grundbildung an Schulen muss es somit sein, Medienkompetenz zu vermitteln, Alternativen aufzuzeigen und die Menschenrechte sowie die Demokratie als gesellschaftliche Basis zu festigen. Dafür braucht es jetzt dringend kurzfristige Maß­nahmen und Hilfestellungen an Schulen, um Pädagog:innen nicht allein mit der Aufgabe zu lassen.

In ihrer Vollversammlung am 14.11.2023 hat die Arbeiterkammer Wien einen weg­weisenden Antrag beschlossen. Zur sofortigen, unkomplizierten und professio­nellen Unterstützung von Schulen und Lehrkräften im Umgang mit politischen Krisen wird ein kurzfristiges Maßnahmenpaket gefordert. Gleichzeitig braucht es lang­fristige Umstrukturierung und die Schaffung von Räumen, die es Schulen ermöglicht Kinder und Jugendliche professionell und kontinuierlich durch politische Krisen zu begleiten.2

Der Entschließungsantrag (3717/A(E)) der Regierungsfraktionen, der am 23.11.2023 eingebracht wurde und sich mit der Prävention vor Extremismen befasst, the­matisiert zwar die bestehende Problematik. Dennoch erscheinen die vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich 1.200 zusätzliche Workshops durch den OeAD, zusätz­liche Unterrichtsmaterialien und die Betonung bereits vorhandener schulischer Ange­bote als unzureichend, um Lehrkräfte angemessen zu entlasten und nachhal­tige Verbesserungen in der Demokratiebildung zu erwirken. Es braucht eine umfassendere Herangehensweise, um Schüler:innen effektiv vor den gegen­wärtigen Bedrohungen durch Radikalisierung zu schützen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, unverzüglich ein umfassendes und nach­haltiges Maßnahmenpaket zur Bewältigung und Verarbeitung von Krisen an Schulen vorzulegen, basierend auf dem in der AK Wien Vollversammlung verabschie­deten Antrag "Nahostkonflikt: Jugend durch politische Krisen begleiten und Demo­kratiebildung ausbauen". Dieses Paket soll nicht nur Unterstützungs- und Lernangebote für Pädagog:innen im Bereich der politischen Bildungsarbeit umfassen, sondern auch einen dauerhaften Rahmen schaffen, beispielsweise durch die Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfachs „Politische Bildung“ in allen Schultypen, um eine kontinuierliche und professionelle Begleitung von Schü­ler:innen durch politische Krisen sicherzustellen. Zusätzlich ist es dringend erforder­lich, kurzfristig ein Budget bereitzustellen, auf das Schulen zugreifen können, um speziell benötigte Fachkräfte zur professionellen Unterstützung an die Schulen zu holen.“

1     Sora Demokratie Monitor.2023. Demokratie in stürmischen Zeiten. Erste Ergebnisse Demokratie Monitor

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte.