11.05

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerinnen! Mir ist es heute eine besondere Freude, dass wir das Verbotsgesetz novellieren, und ich werde Ihnen auch sagen, warum das so ist: Ich darf Ihnen kurz aus „Neues Österreich“, das ja bereits 1945 relativ bald erschienen ist, vom 28. Juni 1945 zitieren, wie der damalige Staats­sekretär für Justiz Dr. Josef Gerö, mein Großvater, zu diesem Gesetz Stellung genommen hat.

„Neues Österreich“ fragt: „Da ist vor allem die Frage: Warum Kriegsverbrecher­gesetz?“ – so hat es damals geheißen, gemeint ist das Verbotsgesetz – „Warum nicht unser altes Strafgesetzbuch, das ja gleichfalls die angemessene Sühne für alle Naziverbrechen vorsieht, angefangen von Mord und Tot­schlag bis herunter zum Diebstahl und Betrug. Diese und verschiedene andere Fragen haben wir dem Schöpfer des Gesetzes, dem Staatssekretär für Justiz, Dr. Josef Gerö, vorgelegt. Er antwortet:

‚Das österreichische Strafgesetz rechnet mit Menschen, aber nicht mit National­sozialisten. Es bestraft den ‚bösen Vorsatz‘, der Menschen zu Verbrechen treibt. Die nazistischen Untaten jedoch verraten eine solche Bestialität, daß man ihnen mit den bisher geltenden Strafparagraphen nicht gerecht werden kann. Durch diese Bestialität ist das neue Gesetz erzwungen worden.‘

Wir bitten den Staatssekretär um Beispiele solcher Missetaten, die im alten Strafgesetz nicht die angemessene Sühne finden. Dr. Gerö erwidert:

‚Es sind Fälle vorgekommen, daß auf Befehl deutscher Kommandeure ganze Dörfer niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht wurden, bloß deshalb, weil ein einziger Partisan sich innerhalb der Dorfgemeinde verborgen hielt. Hier wäre nach dem alten Gesetz bloß das Delikt der Brandstiftung und der boshaften Sachbeschädigung gegeben. Nicht selten hat sich auch der Fall ereignet, daß Menschen gezwungen wurden, ihren eigenen Kot zu essen. Wenn aus einer solchen Unmenschlichkeit keine weitere Schädigung entstanden ist, würden ja bloß die Schutzbestimmungen für die körperliche Sicherheit gelten, es wäre eine einfache Übertretung mit geringfügigem Strafsatz. Klar, daß die bisherige Gesetzgebung dem Wesen solcher Straftaten nicht gerecht wird; an derartige Bestialitäten hat der Gesetzgeber nicht gedacht.‘“

Der Gesetzgeber hat jetzt, mit der Novelle des Verbotsgesetzes der Situation Rechnung getragen, dass in den letzten Jahren rechtsextreme Gewalt, aber auch die Zahl rechtsextremer Situationen, seien sie antisemitisch, aber auch durch andere Gruppen hervorgerufen, die sich nationalsozialistischem Vokabular bedienen, zugenommen haben. Wir wissen, dass das natürlich auch in der FPÖ der Fall ist, wenn hier immer wieder vom Volkskanzler die Rede ist. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Es muss einmal gesagt werden, das ist Nazijargon, das ist absoluter Nazijargon, und den gilt es wahrlich mit diesem Verbotsgesetz zu verhindern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Kollege Stefan, es gibt kein Grundrecht auf ein Foto, auf dem ein SSler drauf ist. Es ist einfach vollkommen lächerlich (Abg. Hafenecker: Ich habe noch nichts Dümmeres gehört als das, was Sie gerade gesagt haben! – Zwischenruf des Abg. Deimek), das mit Grundrechten zu verbinden, das ist eine Verkeh­rung der Situation. (Abg. Stefan: Natürlich gibt es da ein Grundrecht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kurz zusammengefasst: Es geht um die Ausweitung einer inländischen Gerichtsbarkeit, es geht genau um diese NS-Materialien, egal ob jetzt Devotionalien oder Materialien, die auf den Flohmärkten verkauft werden. Es geht nicht darum, dass so ein Foto im Familienbesitz ist – soll so es sein –, sondern es geht um die Verbreitung und es geht darum, dass solche Dinge nicht in den Handel kommen. Es soll kein Geschäft mit Nazigeschichten gemacht werden. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Wenn wir vom Verbotsgesetz reden, müssen wir auch immer vom Symbole-Gesetz und vom Abzeichengesetz reden, die damit einhergehen, weil darin ganz klar geregelt ist, dass es genau um diese Symbole geht. (Abg. Hafenecker: ... Foto seines Vaters ...!) Es wird strengere Strafen geben, und selbstverständlich muss es einen Amtsverlust geben. Die Republik Österreich kann nicht dulden, dass in ihren Reihen Menschen sind, die wegen dem Verbotsgesetz bestraft wurden, das ist unmöglich, undenkbar und das widerspricht auch keinem Grundrecht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Pfurtscheller und Steinacker.)

Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Wir haben den Krieg verloren! (Abg. Kassegger: Was heißt wir? – Abg. Deimek: Das war dumm und ungebildet und ignorant in Ihrer Dummheit ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – In diesem Sinne: Bring them home now! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.09

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte sehr.