11.22
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Verbotsgesetz gehört seit mehr als 75 Jahren zum österreichischen Rechtsbestand. Die letzte inhaltlich bedeutsame Novelle – und das hat Frau Abgeordnete Schatz schon erwähnt – fand vor mehr als 30 Jahren statt. Das bedeutet, dass es höchste Zeit ist, dass wir das Verbotsgesetz novellieren.
Die aktuelle Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Verbotsgesetz zu reformieren und es wurde in einer Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, mit Praktikerinnen und Praktikern und Wissenschaftler:innen analysiert und evaluiert. Auf den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe aufbauend wurde ein Ministerialentwurf vorbereitet. Ich muss sagen: Als wir angefangen haben, uns damit zu beschäftigen, haben wir nicht damit gerechnet, dass das Thema Antisemitismus wieder so eine traurige und besorgniserregende Aktualität bekommen wird.
Seit dem 7. Oktober 2023, den terroristischen Gräueltaten der Hamas gegenüber der israelischen Zivilbevölkerung, verzeichnen wir in Österreich, so wie in Europa, einen erschreckenden Anstieg an antisemitischen Übergriffen und verharmlosenden Aussagen über die nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Wer heute in soziale Netzwerke schaut, muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Tatorte von Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, aber auch die Gutheißung von Terrorismus oder Verhetzung, in den digitalen Raum verlagert und dort vervielfacht haben. Antisemitische, rechtsextreme, rassistische Straftaten werden immer häufiger im Internet begangen. Fakenews, Desinformationen werden online gezielt eingesetzt, um auch unsere Demokratie zu schwächen. Genau dem müssen wir entschlossen entgegentreten. Das ist unsere historische Pflicht! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Jachs.)
Abgeordnete Blimlinger hat ja auch – auf ihren Großvater referenzierend – gesagt: Das Verbotsgesetz entstand damals unter dem Eindruck der begangenen Gräueltaten des Nationalsozialismus. Niemals dürfen wir diese Schrecken des Nationalsozialismus vergessen. Nie wieder dürfen wir zulassen, dass bei Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus weggeschaut wird. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Jachs und Greiner.)
Genau aus diesem Grund ist es wichtig, das Verbotsgesetz auf die Höhe der Zeit zu bringen. Deswegen haben wir auch die inländische Gerichtsbarkeit ausgeweitet, nämlich auf Verhaltensweisen, die im Ausland gesetzt werden. Das gilt sowohl für Organisationsdelikte als auch für Äußerungsdelikte nach dem Verbotsgesetz. Ein österreichischer Holocaustleugner ist in Zukunft strafbar, wenn er die Tat im Ausland begeht und sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden in Österreich zu verletzen, zum Beispiel also wenn der Täter die Leugnung im Internet in Österreich abrufbar macht.
Des Weiteren haben wir eine Qualifikation geschaffen. In allen Delikten des Verbotsgesetzes gibt es jetzt ein Grunddelikt und bei besonderer Gefährlichkeit gibt es eine Qualifikation, nach der eine wesentlich höhere Strafe droht. Das ermöglicht bei den Äußerungsdelikten, die minder schwer wiegen, und bei entsprechender Einsicht des Täters, dass in Zukunft bei Erwachsenen eine Diversion möglich ist. Ich möchte hier an dieser Stelle noch einmal auch öffentlich festhalten, dass eine Diversion – das haben wir auch in den Erläuterungen festgehalten – selbstverständlich nicht möglich ist, wenn beim Betroffenen eine verfestigte Ideologie gegeben ist. Eine Diversion ist nur möglich, wenn es ein minder schwerer Fall ist und wenn es eine entsprechende Einsicht des Täters gibt.
Ja, ich kann Ihnen versprechen – und das haben wir auch in den Erläuterungen festgehalten –: Wir werden spezielle Präventionsprogramme entwickeln. Es reicht nicht aus, einfach nach Mauthausen und wieder zurück zu fahren. Das ist schlicht und ergreifend nicht ausreichend. Es braucht spezielle Präventionsprogramme und es wird eine entsprechende Finanzierung dafür geben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Wir haben bei der Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes das bisherige Tatbestandsmerkmal „gröblich“ gestrichen. Das „gröblich“ haben wir deswegen gestrichen, weil es in der Vergangenheit ganz schwierige Abgrenzungsfragen gegeben hat, weil wir sicherstellen wollen, dass eine Teilleugnung unter den Straftatbestand fällt, weil wir sicherstellen wollen, dass man sich nicht so herauswinden kann, und weil es uns wichtig ist, dass jede Art von Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes erfasst ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
Wir haben hier auch die Publizitätsschwelle von 30 auf zehn Personen gesenkt. Das heißt, früher musste man vor 30 Personen den nationalsozialistischen Völkermord leugnen, jetzt ist eine geringere Anzahl dafür ausreichend.
Nachdem es heute mehrfach in Frage gestellt wurde: Ja, eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz führt bei einem Beamten, aber auch bei einem Vertragsbediensteten, zum Verlust des Amtes oder zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses, denn wir können es in einem Staat nicht dulden, dass Beamte oder Vertragsbedienstete hier arbeiten, die nach dem Verbotsgesetz verurteilt wurden. Das geht schlicht und ergreifend nicht. (Beifall bei den Grünen.)
Überall dort, meine Damen und Herren, wo das Verbotsgesetz nicht greift, haben wir Verwaltungsstrafen drastisch erhöht. Eine Strafdrohung bei einmaliger Begehung von 10 000 Euro und im Wiederholungsfall von 20 000 Euro ist schon eine deutliche Anhebung im Vergleich zum Status quo.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch bei allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe bedanken, die sich wirklich sehr eingebracht haben. Insbesondere gilt mein Dank Abteilungsleiter Fritz Zeder mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in die Arbeitsgruppe eingebracht haben, und allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe, weil es wirklich gelungen ist, eine sehr gute Lösung für die Reform des Verbotsgesetzes zu erarbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ein besonderer Dank geht auch an meine Regierungskollegin Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Danke dir, dass du dich immer konstruktiv in diese Gespräche eingebracht hast und dass es uns, basierend auf dem Entwurf der Arbeitsgruppe, gelungen ist, so schnell ein rasches Reformpaket auf den Weg zu bringen. Danke dir herzlich für deinen Einsatz in diesem Bereich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Schließlich möchte ich auch den Abgeordneten danken, der Ausschussvorsitzenden Michaela Steinacker, den Abgeordneten Prammer und Blimlinger sowie der Abgeordneten Schatz für die konstruktive Zusammenarbeit und für die Möglichkeit, das tatsächlich als Verfassungsmaterie zu beschließen. Danke der Sozialdemokratie, dass es möglich ist, in den konstruktiven Gesprächen eine Zweidrittelmehrheit für dieses wichtige Vorhaben zu bekommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)
11.30
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.